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23 Oktober 2007

Lektüre für mehr Zeit

Ein Buch, das ich vielleicht lesen würde, wenn ich mehr Zeit hätte: Tsenay Serequeberhan: Contested memory : the icons of the occidental tradition. - Trenton : Africa Wolrd Press, 2007. (ISBN 978-1-59221-461-7). Aus meinem auch literaturwissenschaftlich geprägten Blick geht's dem in Eritrea geborenen Autor darum, das Kolonialismus-Thema in die Philosophie zu tragen, indem er Kant, Hegel und Marx als 'Ikonen' der abendländischen Tradition kolonisierendes Denken nachweist: das natürlich die Erben dieser Philosophen übernommen haben.
"particulars masquerading as universals -- not only the use of particular cultural types, but culturally specific definitions of what it means to be rational or what cultural groups will shape civilization -- are exposed for the way they help sustain metaphysically sanctioned despotic violence" (Klappentext).

22 Oktober 2007

Wissens-Logistik

Das Evangelische Studienwerk Villigst ist nicht besser oder schlechter als sein katholisches Pendant, das Cusanuswerk. Außer vielleicht darin, dass es einen "Claim" hat. Der lautet "Wir bewegen Wissen".
Versteh nur ich das nicht?

Ist Wissen überhaupt beweglich? Wenn ja, woher nehmen die Villigster das Wissen, und wohin transportieren sie es? Und fehlt es dann da, wo's weggenommen ist?

DNS-Profile und Politische Korrektheit

Am 5. Oktober war ein kleiner Artikel in Wired zu lesen über "The inconvenient science of racial DNA profiling". Es ging da um einen Mord, der 2002 in den USA stattfand, bei dem die DNS-Probe ergab, dass derselbe Täter für zwei weitere Morde verantwortlich war. Zeugenaussagen lenkten die Ermittlungen in eine bestimmte Richtung; die Behörden suchten nach einem jungen weißen Mann, der einen weißen PickUp fuhr. Nach einem weiteren Mord desselben Täters wandten sich die Ermittler an einen Molekularbiologen namens Frudakis, der angab, die 'Rasse', sprich: die genetische Herkunft des Täters aus den DNS-Proben vom Tatort ermitteln zu können. Nachdem der Wissenschaftler die 20 Testfälle erfolgreich gelöst hatte, überließ man ihm die Täter-DNS. Ergebnis seiner Analyse: der Täter ist schwarz. Die Ermittler waren überrascht; aber der Hinweis war schließlich der erste Schritt zur Lösung der Fälle.
Und damit ergibt sich ein bis dahin unbekanntes moralisches Dilemma:
"Once we start talking about predicting racial background from genetics, it's not much of a leap to talking about how people perform based on their DNA -- why they committed that rape or stole that car or scored higher on that IQ test," says Duster. "In this society where race is such a powerful idea, once you head down this path toward predicting race, will the next step be predicting racial behavior?"

Einer der Ermittler, dem die Technik ja half, meint:
"We've been taught that we're all the same, that we bleed the same blood. If you subscribe to the (Frudakis) theory, you're saying we are inherently unequal."

Ja: alle sind ungleich. "Ihr seid alle Individuen", wie Brian sagt. Was ist daran das Schlimme? Sind die Bedenken typisch amerikanische political correctness, oder haben sie recht darin, dass eine der Grundüberzeugungen unserer modernen Gesellschaft in Gefahr ist? Der Knackpunkt ist wohl die zitierte Feststellung von Duster, in der US-amerikanischen Gesellschaft "race is such a powerful idea". Denn für sich genommen ist ja die Ableitung von den Beweisen aus dem Fall (der DNS-Probe, die man am Tatort fand) zur Vorhersage von Augen- und Hautfarbe des Täters etwas deutlich anderes und eindeutigeres als das systematische Verknüpfen von solchen Daten mit Verbrechensdaten für statistische Zwecke. Bei Statistiken muss man immer befürchten, dass zusammengelesene Daten auch in einen kausalen Zusammenhang gebracht werden.

21 Oktober 2007

Was haben die alten Griechen von ihren Philosophen gehalten?

Matthias Haake hat dies für die hellenistische Zeit und die Stadtstaaten untersucht: Der Philosoph in der Stadt (München : Beck, 2007). Haake geht ganz einfach die Städte durch; das hat auch mit seiner Methode zu tun, der Untersuchung der epigraphischen Zeugnisse am jeweiligen Ort, welche er zur Rekonstruktion einer "ortsspezifischen chronologischen Entwicklung des öffentlichen Diskurses über die einzelnen Philosophenschulen" einsetzt. Das Schlusskapitel bietet dann den Versuch einer Synthese.