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06 Dezember 2007

"Dieses Buch ist voller Fehler"

schreibt ein gewisser Holger Pinter über Wittgensteins Tractatus, und fährt fort: "Die meisten hat Wittgenstein selbst erkannt und in Philosophische Untersuchungen verbessert. Wenn Sie ein hochgebildeter Mensch sind, wird der poetische Nutzen des Tractatus für Sie größer sein als der wissenschaftliche". So als Fn. 14 in seinem Werk "Macht, Erfolg und andere Werte : sozialdarwinistische Ethik in Theorie und Praxis", welches in einem Verlag mit dem vielsagenden Namen Edition Esoterick 2007 erschienen ist.
Hhm. Vielleicht taugt das als Bildungstest? Für mich war der wissenschaftliche Nutzen von LWs Tractatus auch immer gering.
Hochmut kommt vor dem Fall. Pinter hat eine MySpace-Seite, auf der er sich in unverstellter Unverfrorenheit als der Weisheit letzter Verteidiger (und Nietzsche-Abklatsch) vorstellt. Da fragt er sich selbst: "Sie sind wahrscheinlich der letzte Philosoph, der Wert auf humanistische Bildung legt. Welchen akademischen Abschluss haben Sie?" Antwort, natürlich: Keinen. Er hat sich nämlich für so viel interessiert, dass er nix zu Ende gebracht hat.
Haha. Ich denke, es stimmt weder die explizite noch die implizite These: natürlich ist Pinter nicht der letzte Philosoph, der Wert auf humanistische Bildung legt, und sein Buch, das mir vorliegt, ist auch nicht wirklich Philosophie, sondern eher eine Art Ratgeber, dessen Tonlage dieses Zitat der ersten Seiten "Wissen ist Macht und Macht ist geil" ganz gut wiedergibt. Da schreibt Pinter dann auch, er wolle sich nicht an die Regeln halten, nach denen wissenschaftliche Aufsätze verfasst würden, weil er "die Regeln von einem konstruktivistischen Standpunkt aus für nicht mehr vertretbar" halte. Ok ok. Braucht niemand einen wissenschaftlichen Aufsatz zu schreiben. Aber wer solche Sätze schreibt, also die vage Pflicht spürt, begründen zu müssen, warum er nicht wissenschaftlich schreibt, sollte sich doch einen besseren Grund ausdenken: Wäre mir neu, dass der Konstruktivismus vertritt, dass es keine Wissenschaft mehr gibt, und keine Methoden.
In typischem Besserwissergestus ist auf seiner MySpace-Seite festgestellt, dass er neben diesem und jenem auch Leute nicht mag, die mit der Grammatik nicht zurecht kommen. Solches kann ich nun wieder nicht ausstehen: diese Eigenart, auf Äußerungen von anderen zu reagieren mit: "Hey, das finde ich falsch, und außerdem hast Du's nicht mal richtig geschrieben".

05 Dezember 2007

VDM again

Ernst Laas: Kants Analogien der Erfahrung. 59,- € bei VDM. Aber natürlich wieder ein Reprint, bei dem auf der Titelseite Ort und Zeit des Originals entfernt wurden, mit dem bei VDM obligatorischen und falschen Copyright-Hinweis; mit dem obligatorischen Hinweis, die schlechte Qualität des Reprints erkläre sich dadurch, dass hier ein altes und wertvolles Buch nachgedruckt würde. Also bitte! Andere Verlage können das doch auch, ohne Bleistiftanstreichungen wiederzugeben. Da muss man eben mal ein paar Seiten digital nachbearbeiten, statt die schlicht auf den Kopierer zu legen, falls es wirklich unmöglich sein sollte, eine einwandfreie Vorlage zu kriegen! "Auch ist eine leichte Unschärfe im Schriftbild bei alten Vorlagen normal." Wie bitte? Vielleicht einfach etwas höher auflösen!

Der Band ist ein Reprint der Originalausgabe von 1876, Berlin : Weidmann. Antiquarisch konnte ich zur Zeit das Buch nicht nachweisen.

PS In letzter Zeit erhalte ich Anfragen von Leuten, die Auskunft bei mir darüber suchen, wie ein Veröffentlichungsangebot des VDM-Verlags zu beurteilen sei. Da kann ich nur sagen: ich weiß nicht, wie VDM lebende Autoren behandelt. Ich habe dazu auch keine Meinung. Und die Ratschläge, die ich dazu geben kann, sind: Lesen Sie den angebotenen Vertrag sorgfältig durch. Fragen Sie jemanden, der sich damit auskennt.

Neuer Studienführer Philosophie

Frau Meyer hat ihren Studienführer Philosophie aktualisiert (ein-Fach-Verlag). Der war schon passend zum Sommersemester 2007 im Februar erschienen, aber er liegt mir erst jetzt vor. Der Klappentext bezeichnet ihn als "unverzichtbare Informationsquelle", man möchte sagen: eine Informationsquelle, die einem jedenfalls ein ordentliches Quantum an eigener Recherche abnimmt. Zum Beispiel ist dort aufgelistet, mit welchen Fächern das Philosophiestudium an diesem oder jenem Studienort sich kombinieren lässt. Hin und wieder finden sich auch Hinweise auf die Tradition eines philosophischen Seminars, wobei mir z.B. in Freiburg statt eines Hinweises auf die früher dort mal lehrenden Husserl und Heidegger der Fingerzeig auf die gegenwärtige phänomenologisch-hermeneutische Ausrichtung des Seminars lieber gewesen wäre. (In Erlangen vermisse ich den Hinweis auf die gute Ausstattung der Unibibliothek, natürlich.)

Bacon auf Deutsch

ist Schinken?
Tschuldigung für den Kalauer.

Francis, nicht Roger, kannte ich vor allem wegen eines Buches, nämlich des Novum Organum. Ein früheres Buch Advancement of Learning ist 2006 bei Haufe erstmals auf deutsch erschienen: Über die Würde und die Förderung der Wissenschaften. Der Verlag hat ein schönes und ordentlich kommentiertes Buch daraus gemacht, das ihm mit 50,- € ein bisschen teuer geraten ist. Es ist von Julia Schlösser kompetent übersetzt und von Hermann Klenner annotiert, der Bacon naturgemäß vor allem als Jurist betrachtet.

04 Dezember 2007

Schönberg und der Wiener Kreis

Hat die Schönbergsche atonale und dann Zwölftonästhetik was mit dem Neopositivismus des Wiener Kreises zu tun? Und mit dem frühen Wittgenstein?
James K. Wright hat ein ganzes Buch darüber geschrieben, worin er Korrespondenzen nachgeht, etwa in der Idee der Universalsprache, dem Formalismus etc: Schoenberg, Wittgenstein and the Vienna Circle (2. Aufl. - Bern u.a. : Lang, 2007). Wright ist Musikwissenschaftler, so dass man davon ausgehen kann, dass im Schönberg-Teil keine falschen Analogien aufgemacht werden.