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23 Mai 2007

"Unaussprechlich spannend"

Was kann unaussprechlich spannend sein? Kino? Beziehungskisten? Ach nö: für den Grünen Omid Nouripour ist es die "Französische Phänomenologie"! (via taz) Was das bedeutet, kann man wohl aus dem davor in der Selbstdarstellung Nouripours stehenden Satz schließen, nämlich: "Lektüre von Philosophie beschäftigt mich seit Kindesbeinen". Ist das nun sympathisch, weil "Philosophie" per se gut ist? Oder streberhaft, weil Philosophie per se schlau ist? Oder oberflächlich, weil hier zu wenig darüber steht, was er da eigentlich gelesen hat? Nouripour setzt sogar zwei Links zur Phänomenologie, denen allerdings irgendwie der Fokus aufs Französische verlorenging. Na, das sehen wir nicht so eng. Für einen Europapolitiker vereint die "Französische Phänomenologie" als Steckenpferd jedenfalls zwei wichtige Eigenschaften, die bestimmt bei Wählern gut ankommen: 1. sie ist kontinental (wider den amerikanischen Imperialismus!), 2. sie ist international (wider die deutsche Beschränktheit!).

09 Mai 2007

Grätzel schreibt noch ein Buch

Darf ich ein Buch, nämlich Stephan Grätzels System der Ethik, doof finden, weil es das mindestens achte desselben Autors innerhalb von drei Jahren (2004-2006) ist? Weil ich das Gefühl habe, dass der Verlag (Turnshare, London), bei dem es erscheint, ohnehin vor allem Masse bringt? Weil mir der Gedanke naheliegt, dass keine verlegerische Qualitätskontrolle stattfindet, wenn der Herausgeber Wissenschaftlicher Untergebener des Autors ist? Und wenn ich dann nur bis zu den folgenden Sätzen lese?
Dieses Motto stellt die Würde der Person in das Zentrum der Betrachtung. Das ist etwas, das uns durch den Artikel 1(1) des Grundgesetzes für die Bundesrepublik garantiert ist: Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Was stört mich an denen? Das folgende: Worauf bezieht sich das "Das" in "Das ist etwas"? Grammatisch kann es sich nur auf "Dieses Motto" oder, etwas kühner, auf den gesamten Vorgang, also das "Ins Zentrum stellen" beziehen. Beides sind Dinge, die nicht durch das Grundgesetz garantiert werden. Ich habe immer den Verdacht: wenn jemand so unpräzise formuliert, dann denkt er auch so. Das wird dann die Mühe der Lektüre nicht lohnen.
Und weil ich diesen Verdacht habe, lese ich auch nicht weiter.

Nietzsche als Schwarzer

Critical Affinities sieht Robert Gooding-Williams zwischen Afroamerikanischem und Nietzscheschem Denken und gewährt dem gleichnamigen Band (New York, SUNY Press, 2006) ein Vorwort. Jacqueline Scott und A. Todd Franklin haben diesen Sammelband zusammengestellt:
To suppose Nietzsche to be black is to suppose ... that he may be interpreted with an eye to the typical concerns of African American thought; or, more generally, the typical concerns of black studies. (S. vii)

Also worum geht's? Um das Thema Rasse, auch. Um den gesellschaftlichen Kontext von Urteilen. Aber dass die Gemeinsamkeit im wesentlichen im kulturkritischen Impuls der Gesprächspartner Nietzsche und Black Studies besteht, scheint mir ein bisschen wenig, auch wenn Nietzsche den BS neue Wege der Kritik und "new dissatisfactions" (Vorwort) eröffnet.

08 Mai 2007

Heidegger and the Geeks

ach nee, doch nicht: Heidegger and the Greeks. Wie langweilig.

Update 26.9.: Heidegger und die Siechen. Ach nee: Heidegger und die Griechen. Gähn.

07 Mai 2007

Dichtung und Wahrheit in der Literaturtheorie

Während ich die Frage, was fiktionale Gegenstände von nichtfiktionalen unterscheidet, nicht besonders spannend finde, weil ich das genau weiß, und die Frage, ob fiktionale Gegenstände "existieren", sinnlos, weil ich weiß, welche Daseinsform sie haben, finde ich die Frage nach der "objektiven Gültigkeit von Interpretationshypothesen" wichtig und spannend. Maria E. Reicher hat mit Fiktion, Wahrheit, Wirklichkeit einen Sammelband über die "philosophischen Grundlagen der Literaturtheorie" (Untertitel) herausgegeben, der 2007 bei mentis erschien. Der Band widmet sich genau den genannten Fragen sowie derjenige nach dem sprechakttheoretischen Status fiktionaler Rede, und alle vier Fragen bekommen zwei Stellungnahmen. Allerdings gibt es leider nur einen Originalbeitrag, alle anderen sind zum Teil sogar olle Kamellen. Searles Aufsatz etwa stammt von 1975, Peter van Inwagens Fiktionale Geschöpfe von 1977. Trotzdem ein lesenswerter Einblick in die analytisch geprägte Literaturtheorie. Man muss allerdings hinzufügen, dass die großenteils von Philosophen geführt wird, die offenbar wenig Kenntnis der sonstigen literaturtheoretischen Diskussion haben: so ist klar, warum eine Theorie der Fiktion wichtig ist für eine Theorie der Bedeutung überhaupt, aber weitaus weniger klar, welche Folgen eine Klärung des "ontologischen Status fiktionaler Gegenstände" denn für unser Literaturverständnis haben könnte. Darum finde ich auch die Sache mit der "Gültigkeit der Interpretationshypothesen" am spannendsten. Auch hier hätte der Band vielleicht von ein paar neuen Gedanken profitieren können, denke ich: so scheint es mir naheliegend, nicht wirklich den Intentionalismus als ernsthaften Theorie-Kandidaten ins Feld zu führen (Es ist wahr, dass Hamlet einen Ödipus-Komplex hatte, wenn der Autor dies so schreiben wollte), sondern es mal mit einem Kontextualistischen Ansatz zu probieren.

Freimaurerei: das Vermächtnis der ...

Bei "Freimaurerei" denke ich an Eco: das Foucaultsche Pendel. Das stimmt mich auf die Verschwörungstheorien und Geheimbünde ein, und mir fallen dann gleich Das Vermächtnis der Tempelritter (National Treasure war der Originaltitel) ein: "Decode this!". 23, Die Zauberflöte und Dan Brown sind auch nicht fern. Das Web bietet einem außerdem eine seltsame Sammlung von Seiten, die einem Fakten offerieren, die man nicht braucht. Großmeisterei und schottischer Ritus, und natürlich Verflechtungen zu haufenweise anderen Geheimbünden: Rosenkreuzern, Illuminaten...

Dass die Freimaurer auch mal eine kulturelle Größe waren und Einfluss hatten, übersieht man dabei schnell. Da kommt ein Sammelband wie Franc-Maconnerie et beaux-arts (La pensée et les hommes 50, No 62-63) gerade recht, der sowohl den Blick der Kunst auf die Freimaurerei darstellt als auch den Blick der Freimaurer auf die Kunst. -- Der Google-Blick in die Welt hat mir außerdem gezeigt, dass es ein Freimaurer-Museum in Bayreuth gibt; die Sammlung der Herzogin Anna Amalia-Bibliothek kannte ich schon.

06 Mai 2007

Werbung und Ironie

Sie sagen das Gegenteil von dem, was Sie meinen. Oder eher so: während Ironie das Gegenteil von dem sagt, was sie meint, bedeutet Werbung das Gegenteil von dem, was sie sagt.
Für einen Dekonstruktivisten ist das wahrscheinlich nichts neues, aber ich, der ich keiner bin, habe eigentlich ein positiveres Bild von Werbung. Nicht etwa, dass sie die "Wahrheit" sagte -- dafür habe ich lange genug als Texter gearbeitet --, aber dass Sie eine Erkenntnis auslösen kann. Wie ein guter Witz.
Die Deutsche Post wirbt für ihre Aufkleberchen (Abziehblümchen und -Texte) mit einer Headline wie "Verleihen Sie ihren Briefen Fantasie". Glauben die das selbst, dass so Fantasie aussieht? Wenn man ein in millionenfacher Auflage gedrucktes Blümchenbild auf den Umschlag klebt, welches zudem mit dem vorgestanzten Textfetzen à la "1000 Grüße" sich schmückt?

02 Mai 2007

Frauen in der akademischen Philosophie?

Gibts Zahlen? Hier jedenfalls ein Überblick über die Verhältnisse in den USA.