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28 November 2005

Entspannt die "Kritik der reinen Vernunft" lesen

ist vermutlich eine Kunst. Wie man sie lernt, zeigt Jay F. Rosenberg in seinem neuen Buch Accessing Kant : a relaxed introduction to the Critique of pure reason. Ich habe in die Einleitung reingelesen, die mir sehr sympathisch erscheint. Rosenberg möchte nicht einfach nur ein weiteres Buch über die KrV schreiben; aber auch nicht bloß fragen, was Kant uns heute noch zu sagen hat. Letzteres nennt er den "dionysischen" im Unterschied zum apollinischen Zugang der Gelehrten. Rosenberg versucht sich an einer Art dionysischem Kommentar. Ich lese ihn gern, seit ich seine exzellente Einführung in das Philosophieren kenne.
Nützlich für den entspannten Umgang mit Kant ist vielleicht auch der Umweg übers Englische. Michael Frede sagte einmal während eines Symposiums in Göttingen über Kant, der sei ihm immer zu schwer gewesen, bis er ihn auf englisch gelesen habe: "Dann war alles ganz einfach".

Hilft womöglich auch bei Hegel?

Newtons Alchimie

Dass Neal Stephensons Barock-Zyklus eine gute Lektüre ist, das habe ich schon behauptet. Stephenson erläutert in einem Interview (zu lesen auf seiner Homepage), wie er erstaunt war herauszufinden, dass Isaac Newton einen Großteil seines Lebens als Chef der englischen Münze verbracht hat. Was wollte der geniale Wissenschaftler dort? Nach Stephenson -- ich habe keine Ahnung, ob das seine persönliche Theorie oder durch Quellen gestützt ist -- war Newton auf der Suche nach dem sagenhaften Gold König Salomons. Als Chef der Münze saß er an der Quelle: dahin, wo das Geld hinkommt, wenn es nach England will.
Das Gold König Salomons ist schwerer als normales Gold -- es hat damit göttliche Eigenschaften. Stephenson malt mit dieser Episode Newtons bekannte alchimistische Interessen aus. Und die kann man jetzt auch nachvollziehen auf einer schönen Webseite der Universität von Indiana.

27 November 2005

H + M: Handeln und Moral

Theoretische Vernunft beschäftigt sich mit Meinungen, praktische Vernunft mit Handlungen. Könnte die praktische Vernunft den Startpunkt für die Moraltheorie abgeben? Elijah Millgram (lehrt in Utah) meint "ja" in seiner Aufsatzsammlung Ethics done right. Was wäre die Alternative? "Reflective equilibrium" sei bislang "the method of choice" für das moralische Nachdenken bei Philosophen gewesen. Praktische Vernunft ist näher an den Handlungen dran, indem sie sich z.B. der Frage widmet, welche Gesichtspunkte bei einer Entscheidung beachtet werden müssen, welche Eigenschaften einer Situation moralisch relevant sind usw.
Hhm; ist nicht das Bewusstsein von Werten eine Voraussetzung für die Erkenntnis, welche Eigenschaften einer Situation relevant sind? Muss man wohl Millgram lesen, um zu erfahren, wie er sich das denkt.

26 November 2005

1805: Fichte in Erlangen

Der Wissenschaftslehren-Fichte hat auch in Erlangen gelehrt -- und weil das grad 200 Jahre her ist, er lehrte nur einen Sommer, feiert das philosophische Institut mit einer Reihe von Vorträgen Anfang Dezember. Kommet zuhauf! Information hier.

23 November 2005

Argumentieren, Lachen, Hören

Drei kurze Hinweise auf interessante Bücher:
Maurice A. Finocchiaro legt mit Arguments about arguments (Cambridge 2005) eine Sammlung seiner Arbeiten zur philosophischen Argumentation und Logik vor; sie enthält sowohl historische als auch systematische Aufsätze.

Jure Gantar schreibt über The ethics of laughter (Untertitel von The Pleasure of fools). Gibt es ein Lachen, das moralisch vertretbar ist, weil es nicht seinen Gegenstand verächtlich macht? Lässt sich das universell vertreten (in einer Welt mit pluralen Werten)?

Manuel Schölles hat weiter unten im Kommentar auf das neue Angebot Federlese (http://www.federlese.com/) hingewiesen. Ein Philosophie-Texte-Podcast, das vor kurzem mit Nietzsches Nur Narr, nur Dichter begonnen hat -- und dem ich Ausdauer wünsche. Wunderbares Projekt! In diesem Zusammenhang, für alle, die mehr über den Nietzsche-Text erfahren wollen: benutzen Sie die umfassende Online-Nietzsche-Bibliographie der Stiftung Weimarer Klassik, die ja auch das Nietzsche-Archiv betreut. Und weitergehend: Hyper-Nietzsche.

22 November 2005

Was läuft philosophisch in anderen europäischen Ländern?

Gestern habe ich auf das Buch eines spanischen Philosophen hingewiesen. Sicher hätte man es hier nicht wahrgenommen oder der Übersetzung für wert befunden, wenn es kein Bestseller gewesen wäre. Und das ist doch schade, denn aus dem philosophischen Spanien dringt nicht viel zu uns, genausowenig wie aus Italien -- von Agamben und Eco mal abgesehen --, aus den Niederlanden und Belgien, aus den skandinavischen Ländern, von Osteuropa ganz zu schweigen. So ist man häufig darauf angewiesen: entweder die Sprache zu sprechen, oder sich mit dem zu begnügen, was auf englisch erscheint. Aber selbst wenn man das tut, bleibt noch die Schwierigkeit, auf entsprechende Veröffentlichungen aufmerksam zu werden.

Gerade ist auf meinem Schreibtisch ein englischer Proceedings-Band einer Konferenz in Genua 2001, erschienen 2004: Logic and metaphysics, hg. von Michele Marsonet und Margherita Benzi. Darin kann man erahnen, dass es eine kleine Szene analytischer Philosophie in Italien gibt, und was sie beschäftigt. Daneben enthält das Bändchen einen bislang anderswo nicht veröffentlichten Aufsatz von Michael Dummett, Relative truth sowie Aufsätze von Anthony Grayling und Michael Devitt.

Aus Italien kommen Evandro Agazzi, Paolo Parrini, Ettore Casari und Michele Marsonet zu Wort. Parrini z.B. widmet sich der Frage, ob man gut fünfzig Jahre nach Quines Attacke auf die analytisch-synthetisch-Unterscheidung wirklich darauf verzichten kann. Agazzi geht es um den Zusammenhang von Logik und Metaphysik; Casari untersucht die Logik von ontologischen Relationen; Marsonet versucht einen pragmatischen Blickwinkel auf das Thema zu eröffnen.

Parrini verweist übrigens gleich anfangs auf einen Vortrag eines polnischen Logikers, der über 60 verschiedene Bedeutungen von "analytisch" unterscheidet: J. Wolenski, Kinds of analytical sentences, vorgetragen in Pittsburgh 2000. Vielleicht gibt es ja so viele Bedeutungen auf polnisch?

21 November 2005

Worüber man sich in Spanien aufregt: Ist Gott ein kulturelles Phänomen?

Der spanische Philosoph José Antonio Marina (hier ein spanisches Interview mit Bild), einer der bekannteren, hat einen Beststeller geschrieben, Das Gottesgutachten (hier Inhaltsverzeichnis). Jetzt kann man auf deutsch nachlesen, was die "spanischsprachigen Länder", wie es in der Verlagsinformation heißt, daran aufregt und dem Buch mindestens die fünfte Auflage eingebracht hat. Im Vorwort zur fünften Auflage, das der deutschen Übersetzung beigegeben ist, erläutert Marina, was seine Kritiker aufgeregt hat -- natürlich haben sie ihn alle missverstanden. Es sind vier Punkte:
1. Er schreibt "von außerhalb des religiösen Phänomens", wie ein "Außerirdischer". Dieses auch in den Kritiken zitierte Wort ist für Philosophen leichter zu verstehen mit Marinas Verweis auf seinen "Meister" Husserl: dass man alle Glaubensüberzeugungen "in Parenthese" zu setzen habe.
2. Marina trennt zwischen religiöser oder übernatürlicher Erfahrung und natürlicher Erfahrung. Diese beiden Bereiche hätten unterschiedliche Modi der Verifikation (oder unterschiedliche Wahrheitsbegriffe). Mit andern Worten: die Schwierigkeit besteht darin, die Brücke zu schlagen. Denn manche Aussagen können "aufgrund ihres besonderen Charakters" das "Stadium der privaten Verifikation nicht verlassen". Raten Sie mal, wo hinein die Religion gehört...
3. Religion ist ein kulturelles Phänomen, Gott ein "kulturelles Objekt". Wer in Spanien geboren wird, wird höchstwahrscheinlich Katholik, in Saudi-Arabien ebenso höchstwahrscheinlich Moslem. Die Kultur verleiht den religiösen Erfahrungen ihre Bedeutung, so Marina.
4. "Die Religionen müssten sich universalen ethischen Kriterien unterwerfen", die Ethik sei ein "muttermörderischer Abkömmling" der Religion.

Dass diese Thesen bei uns für solche Aufregung sorgen, glaube ich eigentlich nicht. Was die letzte angeht, so habe ich das doch in einem Aufsatz aus den fünfziger oder sechziger Jahren schon irgendwo gelesen, Philippa Foot? Elizabeth Anscombe? Ist jedenfalls die logische Folge aus Eutyphrons Dilemma.

20 November 2005

Performativer Selbstwiderspruch: Wie Sony kopiert

Manches Handeln drückt deutlich aus, welche Werte der Handelnde vertritt: Sony BMG (Bertelsmann Music Group) hat seinen Musik-CDs ein Progrämmle verpasst, welches verhindern sollte, dass Käufer von CDs diese auf ihrem Rechner kopieren (und das sich vom Nutzer unbemerkt auf die Festplatte schreibt). Damit werden CDs von etwas, das man gekauft hat, zu etwas, woran man bloß Nutzungsrechte erwirbt -- eine fragwürdige Veränderung, finde ich. Fein, dass sich die Musikdiktatoren nun selbst in die Nesseln gesetzt haben (Bericht des SPIEGEL): Offenbar enthält das Programm Code aus dem Open Source-Bereich, nämlich des MP3-Encoders Lame. Und dafür gelten ebenfalls Lizenzbestimmungen.

Dieses Verhalten fordert natürlich zur Reflexion heraus. Von Nicolai Hartmann wird erzählt, dass er in seinem privaten Verhalten keineswegs den hohen Maßstäben genügte, die er in seiner materialen Wertethik verkündet hatte. ""Haben Sie schon mal gesehen, dass ein Wegweiser den Weg geht, den er weist?", soll er geantwortet haben. Ich fürchte, so ist es auch mit dem unmoralischen Verhalten der Kopierschutztyrannen: Selbst wenn die sich falsch verhalten, ist darum nicht ihr Anliegen falsch.
Nein: nicht darum, sondern aus andern Gründen...

18 November 2005

Deutsche philosophische Blogosphäre (3)

Bevor das untergeht, weils nur als Kommentar sichtbar ist, wiederhole ich hier den Hinweis von Julio Lambing, der selbst ein Blog als persönlichen Zettelkasten pflegt, auf:

Aber wo sind die philosophischen Blogs? Fragen der Ethik? Erkenntnistheorie? Warum setzen nicht mehr Dozenten diese Form in der Lehre ein? Oder bin ich bloß zu blind? Bitte gern weitere Hinweise auf interessanten Lesestoff!

17 November 2005

Mensch und Raum

Das Thema sieht man meist im Zusammenhang mit der Veränderung des Raums in der Moderne behandelt. Die Entwicklung der Städte, die Beschleunigung des Lebens usw. Eine Ausnahme ist da die Dissertation von Nana Hartig, Mensch im Garten : Gartenerfahrungen als Spiegel mythischen Denkens. Wer das Buch in einer Buchhandlung sieht, möge sich nicht vom bunten Umschlag abschrecken lassen: das ist kein Ratgeber.

Allerdings ist es auch keine philosophische Studie, sondern eine, die unter der Schirmherrschaft des Ethnologen Werner Mezger entstanden ist. Entsprechend gibt es empirische Anteile: Interviews mit Gartenbesitzern. Aber "Denken" ist schließlich auch etwas, das von irgendjemandem vollzogen wird, so dass es nicht auf Anhieb der verkehrte Ansatz sein kann, wenn man sich diesen Denkenden zuwendet...

16 November 2005

Nachtrag zu Heideggers Nazismus

Man könnte fast fragen: Heidegger immer noch ein Nazi? (1, 2)
Im Wikipedia-Artikel über Heidegger findet man Literaturhinweise und kurze Darstellung des ersten Heidegger-Aufregers nach dem Buch von Victor Faria Heidegger et le nazisme 1987 sowie der seinerzeit von Altwegg herausgegebenen Dokumentation über die folgende Debatte in Deutschland. Mir ist zudem gerade ein neues Buch unter die Finger geraten, von James Phillips: Heidegger's Volk : between national socialism and poetry. Eine Rezension dazu aus den Notre Dame philosophical reviews von Hans Sluga. Aus den ersten Sätzen von Phillips' Buch:
Martin Heidegger's engagement with National Socialism was a philosophical engagement, even thought it appeared -- and more than appeared -- to be an abdication of philosophy. ... What Heidegger desired in 1933, and what he imagined he could effect by running the university in collaboration with the new regime, was ... the irruption of the nonideality of the political realm into philosophy.


Der Fall Berger (2)

In der ZEIT hat Robert Leicht, mit einem Furor der beinah nach persönlichem Beleidigtsein aussieht, die Geschichte des Falls Berger nacherzählt, die Widersprüche werden immer zahlreicher und schwerwiegender. Im Beitrag von Leicht auch per Links Belege.
Nun scheint der Fall immer mehr ins Verrückte abzugleiten: kann man dies noch als böswilligen Betrug (und damit als Fall für die Moraltheorie) werten, oder hat Berger ein Identitätsproblem als konfessionell gespaltene Persönlichkeit?

Leicht zitiert zum Schluss die Heidelberger Fakultät, und die stellt fest, dass die akademische Lehre mit Bergers Kapriolen nicht infrage steht. Recht so.

14 November 2005

Die Nietzsche-Enttäuschung

Es mag einige geben, denen es beim Nietzsche-Lesen so geht wie mir: die Aura des Namens scheint durch die Texte nicht gerechtfertigt. Nachgerade grotesk wirkt dann die Selbstbeweihräucherung Nietzsches in den späten Briefen und im Ecce homo. Nehmen wir z.B. "Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinn", wo Nietzsche die These aufstellt, das Sprache lügt, weil die Begriffe abgehalfterte Metaphern sind, die den Gegenständen gar nicht entsprechen, einmal grob ausgedrückt. Hier ein Zitat:
Nur durch die Vergesslichkeit kann der Mensch je dazu kommen zu wähnen, er besitze eine »Wahrheit« in dem eben bezeichneten Grade. Wenn er sich nicht mit der Wahrheit in der Form der Tautologie, das heißt mit leeren Hülsen begnügen will, so wird er ewig Illusionen für Wahrheiten einhandeln. Was ist ein Wort? Die Abbildung eines Nervenreizes in Lauten. Von dem Nervenreiz aber Weiterzuschließen auf eine Ursache außer uns, ist bereits das Resultat einer falschen und unberechtigten Anwendung des Satzes vom Grunde. Wie dürften wir, wenn die Wahrheit bei der Genesis der Sprache, der Gesichtspunkt der Gewissheit bei den Bezeichnungen allein entscheidend gewesen wäre, wie dürften wir doch sagen: der Stein ist hart: als ob uns »hart« noch sonst bekannt wäre, und nicht nur als eine ganz subjektive Reizung! Wir teilen die Dinge nach Geschlechtern ein, wir bezeichnen den Baum als männlich, die Pflanze als weiblich: welche willkürlichen Übertragungen! Wie weit hinausgeflogen über den Kanon der Gewissheit!
Ja und, möchte man sagen? Ist das nicht vielleicht ein kleiner Irrtum darüber, was sprachliche Konventionen sind? Und müsste man nicht ein wenig mehr über "hart" sagen, als dass es nicht "sonst bekannt" ist?
So geht es mir mit allen Äußerungen, die ich von Nietzsche zu Themen der Erkenntnistheorie gelesen habe, und mit vielem, was er zur Moralphilosophie schreibt. Es passt nicht zu dem, was man erwartet, wenn man sich die großartige Wirkung seiner Philosophie ansieht: auf Schriftsteller, auf Philosophen. Vielleicht Zeit für ein Buch, das sich einer ähnlichen Enttäuschung widmet: Nickolas Pappas vom City College of New York schreibt über The Nietzsche Disappointment, mein heutiger Buchtipp. Es geht um Nietzsches Zeitphilosophie, bzw. den Widerspruch zwischen seiner Zeitphilosophie (Stillstand!) und dem, was Nietzsche von der Zukunft erwartete (Umbruch!). Wie geht das zusammen?

13 November 2005

Heideggers Irrationalismus ...

mspro hat in seinem Blog Mymspro einen lesenswerten Kommentar geschrieben zur Frage. Ich denke wie er, dass Faye nicht richtigherum fragt. Weil Nazismus (auch) eine moralisch wertende Kategorie ist, wirft Fayes These eigentlich die Frage auf, wie wir mit dem bösen Heidegger weiter umgehen. Ob sich die philosophische Seele beschmutzt, wer Heidegger liest.
Aber vielleicht ist es eher umgekehrt mit Heidegger und den Nazis. Vielleicht hat Heideggers etwas verschwiemeltes Denken, mehr auf Tiefe denn auf Klarheit zielend, in seiner Sorglosigkeit einen Denkstil des Raunens salonfähig gemacht, der sich leicht missbrauchen ließ. Vielleicht trägt Heideggers Irrationalismus zur Hochzeit des Irrationalen in den dreißiger Jahren bei. (Dieser Gedanke geht auf mehrere Äußerungen Ingeborg Bachmanns zurück, die das ein wenig schärfer formuliert.)

Gerechtigkeitshalber muss man feststellen, wie wenig 'Rationalität' vor politischer Dummheit (und schließlich Unmoral) schützt. Dass der Urvater der Analytischen Philosophie, Gottlob Frege, auch Sympathien für Hitler und die Nazis gehabt hat, weiß man seit 1994 (Jg. 42 der Deutschen Zeitschrift für Philosophie), als sein "politisches Tagebuch" aus den zwanziger Jahren bekannt wurde.

09 November 2005

Nazi Heidegger?

Jaja, das Fragezeichen in der Überschrift ist ein bisschen heuchlerisch, denn jeder weiß ja, dass der "versteckte König" der Philosophen (Hannah Arendt schreibt das 1978 als Erinnerung an die Zeit, da sie sich nach Freiburg zum Studium aufmachte) sogar Rektor wurde in Freiburg unter den Nazis und eine grässliche "Rektoratsrede" hielt. Alte Hüte also?
Ist wohl nicht damit getan, sondern eine interessante Frage, ob Heideggers Philosophie nazistische Elemente aufwies, und zwar a) in den dreißigern, als er nahe dran war, und b) später, nach dem Krieg. Letzteres wäre ja ein Prüfstein, an dem der "echte" Heidegger erkennbar würde (denn dass Heidegger auch ein opportunistischer und eitler Knopf, ach nee: Kopf, war, dürfte zustimmungsfähig sein). Ist Heideggers Philosophie weltanschaulich gefärbt, dann fragt sich zudem, ob diese Weltanschauung auf jene abfärbt, die sich von Heideggers Philosophie beeinflussen lassen. Das ist vermutlich der Kern, warum Emmanuel Fayes Buch Heidegger, l'introduction du nazisme dans la philosophie, in Frankreich so einen Wirbel gemacht hat, denn der Einfluss Heideggers gerade auf die Großdenker ist ja bekannt.

Ich wurde erst jetzt durch eine Zusammenfassung in Information Philosophie 4/2005 darauf aufmerksam. (Die Nummer ist übrigens auch interessant wegen eines kritischen Artikels, der "Faszination Agamben" überschrieben ist, aber eher "Deflating Agamben" heißen könnte.)
Faye hat seine Thesen auf deutsch in der ZEIT vorgetragen, wo auch eine lesenswerte kritische Antwort von Thomas Meyer erschien.

07 November 2005

Ethisch bilden

War krank, und musste darum dieses schöne Geschäft eine Weile ruhen lassen: lieber im Bett als im Netz gewesen.
Aber nun: Kennen Sie schon den Treffpunkt Ethik? Ein Angebot der Katholischen Bundesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung, entsprechend sind die dort angebotenen Themen aufbereitet. Ich finde die Darstellung ansprechend und das Link-Angebot gut; so stieß ich auf ein Dossier der Bundeszentrale für politische Bildung zum Thema Wertewandel von 2001. Geht natürlich um die Gesellschaft, und die dürfte sich in den letzten Jahren weiter gewandelt haben. Auch möchte man darüber nachdenken, inwiefern die "politische Bildung" mit dem Wertewandel zu tun hat, soll heißen: ob Werte in den Bereich der Politik gehören (unbedingt!) und ob sich die mit Politik Befassenden gut damit auskennen (naja).

Das Wörtchen "naja" scheint eine deutsche Eigenart zu sein, wie ein Prof aus der Schweiz einmal erzählte, der das Wörtchen erst in Deutschland kennengelernt hatte. "Bei uns (in der Schweiz) gibt es das nicht, dieses Mittelding." (Bitte im gemütlichen Schweizerdeutsch gesprochen vorstellen.) Er pflegte die bei ihm eingereichten Essays mit "gut", "ungenügend" oder "naja" zu bewerten. "Ungenügend" bedeutete, dass man den Essay überarbeiten und noch einmal vorlegen musste. "Naja" hieß, dass er zwar nicht gut war, aber nicht überarbeitet zu werden brauchte. -- Ich glaube, ich nehme das "naja" oben zurück und vergebe ein "ungenügend" ...