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19 Februar 2008

(Keine Philosophie) Kochen wie im Mittelalter

Fehlen nur die Rezepte?
Thomas Gloning von der Uni Gießen sammelt Texte historischer Kochbücher und macht sie digital verfügbar: http://www.uni-giessen.de/gloning/kobu.htm. Nicht nur Mittelalter, aber auch. Um eine Hirschleber (?) anzurichten, müsste man aber erst übersetzen:

Von einer hirz lebern.
Ein hirzes lebern sol man braten vf eime roste, die man lange behalten
wil, vnd sol die duenne schniden zvo schiben. vnd nim einen reinen
honicsaum, den suede. vnd nim denne yngeber vnd galgan vnd
negelin, die stozze vnder ein ander vnd wirfe sie dar in. vnd nim
denne ein faz oder eine schaf, dor in du ez wilt tuon, vnd waschez
gar rein vnd guoz dor in ein schiht honiges vnd lege denne ein
schiht lebern vnd also fuerbaz. vnd legez faste vf ein ander vnd
setze daz hin.

(Quelle: Das Buch von guter Speise (um 1350), auf Glonings Seite an erster Stelle)

16 Februar 2008

Hobby-Philosophie

Als ich zur Schule ging, gabs Pirsigs Zen oder die Kunst, ein Motorrad zu warten. Nun gibts: Craig Bourne: Philosophical ridings : motorcycles and the meaning of life (Oxford : Oneworld, 2007). Klappentext: "To be a biker is to be on the road to the meaning of life". "From ethics to existentialism, motorcycling raises some of life's biggest questions. What should our attitutde be towards danger and death? Does riding shed any light on the nature of reality?"
Während mir in der Tat scheint, dass die erste Frage einem schon manchmal beim Fahrradfahren durch den Kopf gehen kann, sehe ich nicht so recht, wie das Fahren die zweite Frage motiviert. Ist aber auch egal, warum man eine Frage stellt: vielleicht kommt man ja damit immerhin der Frage näher.
Der Autor lehrt als Lecturer für Philosophie an der Uni Cambridge und fährt eine Ducati. Ride on!

Max Adler u.a. bei Literatur-Agentur Danowski

Ich habe ja schon mal vor dieser Literatur-Agentur gewarnt. Auch jetzt sehe ich gerade wieder einen ungekennzeichneten Reprint angezeigt: aus den 44 Seiten der 1919 erschienen Würdigung Georg Simmels von Max Adler (Georg Simmels Bedeutung für die Geistesgeschichte. Wien) macht die Agentur 88 Blatt, die "geh." sind: ein einseitig kopierter Reprint also, zusammengeheftet. Die Deutsche Nationalbibliographie macht keine Preisangabe des Danowski-Reprints, aber antiquarisch kann man das Werk noch für 20,- € kaufen. Das dürfte in jedem Fall billiger sein! Wenn man nicht auf Google Books warten möchte...

Danowski bietet auch 79 Blatt "Philosophen-Porträtaufnahmen" an. Entweder handelt es sich darin um gemeinfreie Bilder: dann sinds vermutlich nur Porträtaufnahmen in dem Sinne, dass es Aufnahmen von Porträts sind. Oder es handelt sich um Fotografien von Personen: dann steht zu befürchten, dass Danowski sich hier einfach irgendwo bedient hat (was man ja nicht darf). Zu schade, dass es im Web keine weiteren Informationen gibt: weder über den Preis noch über sonstige Merkmale des Inhalts. So ganz professionell funktioniert der Vertrieb der Literatur-Agentur offenbar nicht...

15 Februar 2008

Gewalt bei Demonstrationen

Eben hörte ich im Deutschlandfunk eine Sendung über die Proteste zum G8-Gipfel in Heiligendamm im letzten Jahr. Die Zeugnisse über wenig oder gar nicht motivierte Polizeiübergriffe auf friedliche Demonstranten sind schon bedrückend. Mein Nachdenken kommt aber jetzt von etwas anderem. Da war nämlich eine Anwältin im O-Ton zu vernehmen, die sich mit Bürgerrechten beschäftigte; ihren Namen habe ich vergessen. Die sagte so etwa:
"Wenn ein Demonstrant auf einen Polizisten einen Stein wirft oder diesen schlägt, dann ist das ein Angriff auf diesen Menschen und die Humanität. Aber wenn ein Polizist einen Demonstranten schlägt, ist das nicht nur ein Angriff auf diesen und die Humanität, sondern auch auf unseren Staat, denn die Polizisten haben das Gewaltmonopol des Staates, das sie vertreten, vom Volk geliehen bekommen."

Worauf ich hier also hinaus möchte, ist diese Asymmetrie, welche die Anwältin hervorhob. Und die ich nicht sehe. Dabei sehe ich jetzt von den konkreten Ereignissen ab, und will auch nicht verschiedene Gewalttaten gegeneinander aufrechnen. Ich würde nur sagen, dass die Gewalt eines Demonstranten gegen einen Polizisten (sofern sie Aggression und nicht Notwehr ist), auch ein Angriff auf den Staat ist, weil sie das Gewaltmonopol des Staates gleichermaßen nicht anerkennt. Oder nicht?

13 Februar 2008

Kröners Philosophie der Gegenwart

1991 kam es zum ersten Mal raus, das Nachschlagewerk 'Philosophie der Gegenwart in Einzeldarstellungen' im handlichen Kröner-Lexikonformat. Ich konnte es damals über den Mitherausgeber Nida-Rümelin mit Hörerschein beziehen, Mitte der 90er, und scherte mich darum nicht um die zweite Auflage. Ich habe das immer gern benutzt als raschen Überblick; ich hatte dabei stets den Eindruck, dass da Leute geschrieben haben, die sich auskennen.
2007 ist eine dritte Auflage erschienen, und da haben Nida-Rümelin und die neue Mitherausgeberin Elif Özmen ausgemistet, indem sie sich darauf besannen, was "Gegenwart" eigentlich bedeutet. Auf die "klassischen" Autoren des 20. Jahrhunderts wollten sie nicht verzichten, also haben sie 34 Artikel verschoben in das Bändchen "Klassiker der Philosophie des 20. Jahrhunderts". Dort findet man Adorno, Arendt, Austin, Bloch, Carnap, Cassirer, Davidson ... scheint, dass die alle tot sind. Aber nein, mit Habermas und Putnam sind dort mindestens zwei lebende verzeichnet. Ob das bedeutet, dass Nida-Rümelin und Özmen von denen nicht mehr viel erwarten?
Die Lösung: Es gibt Überschneidungen. Die dritte 'ausgemistete' Auflage der Philosophie der Gegenwart mit 120 Philosophen (Inhalt, pdf) aus den letzten 40 Jahren ist wunderbar ausführlich, aber sie enthält, natürlich, auch Artikel über Davidson, Derrida, Foucault, Gadamer, Habermas, Kuhn, Levinas, Putnam, Quine, Rawls, Strawson, wie der Klassiker-Band. Und zwar dieselben Artikel. Von den 34 Artikeln der Klassiker sind also ein Drittel in dem Gegenwarts-Band: das hätte Kröner doch besser lösen können! Mir persönlich wären statt der Redundanzen lieber gewesen, die Herausgeber hätten noch ein paar mehr Klassiker aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts ausgegraben, z.B. Josiah Royce oder William James, Neurath, Natorp oder Cohen, Windelband oder Rickert, oder Bergson. Um nur die zu nennen, die mir jetzt gerade mal so einfallen.

11 Februar 2008

Was hielt Ernst Bloch von Karl May?

Er mochte ihn. In seiner Rezension der "Gesammelten Werke" 1929 lässt er sich gar dazu hinreißen, ihn einen "der besten deutschen Erzähler, und er wäre vielleicht der beste schlechthin" zu nennen.
Nachzulesen in dem von Ralf Becker bei Suhrkamp (2007) herausgegebenen Band Der unbemerkte Augenblick : Feuilletons für die Frankfurter Zeitung, S. 134.

10 Februar 2008

Gedankenexperimente-Lexikon überarbeitet

Die URL für die Startseite ist dieselbe wie bisher: http://www.jg-eberhardt.de/philo_exp/index.html
Neu ist, dass das Layout angepasst wurde, die Navigation verbessert und einige neue Inhalte eingefügt. Vor habe ich noch:
- Ergänzung um weitere Experimente
- Originaltext der Quellen, sofern urheberrechtsfrei,
- gründlichere Anmerkungen,
- Einarbeiten der Bibliographie (die in ihrer kumulierten Form mir nicht sehr sinnvoll erschien und daher von der Homepage wieder verschwunden ist).

Ich würde mich freuen, die eine oder andere Rückmeldung hier zu lesen. Oder Vorschläge für weitere Einträge.

06 Februar 2008

Zufall

Wie sich der Zufall mit dem Satz vom zureichenden Grunde verträgt -- weiß vielleicht Fabian Geier: Die Irrelevanz des Wirklichen. Oder: Zufall als Individuationsproblem. Freiburg : Alber, 2007.

04 Februar 2008

Gedankenexperimente, haufenweise

Mireille Staschok hat bei Logos (Berlin, 2007) ein knapp 100 Seiten starkes Bändchen rausgebracht, dass Abstrakt, Exakt, Obskur : philosophische Gedankenexperimente und Kunst heißt. Und gerade habe ich gesehen, dass es zu der Kunst dazu auch eine Webseite gibt.
Das Buch enthält 20 Gedankenexperimente als Szenario, dann einen kurzen Kommentar mit der Einordnung des philosophischen Problems, und ein paar Titeln aus der Literatur, die in die vom Gedankenexperiment behandelte Thematik einführen. Außerdem gibt es zu jedem Experiment eine künstlerische Umsetzung, der meist ganz witzig geraten ist, etwa wenn Nagels Fledermaus mit Batman illustriert wird. Die Einleitung stammt von Sören Häggquist und Daniel Cohnitz, zwei ausgewiesenen Kennern der Materie.

In Amazon-Rezensionen habe ich gelesen, dass man hier 20 "der bekanntesten" Gedankenexperimente finde; ich würde eher sagen, dass mit Haydn oder Auster und Goldmans Buch des Lebens auch ein paar weniger bekannte Szenarien augenommen wurden. Beim
Höhlengleichnis, das hier den Anfang macht, bin ich mir nicht sicher, ob es sich überhaupt um ein Gedankenexperiment handelt. Na, was solls. Ein nettes Büchlein; lange nicht so umfangreich wie Tittles Sammlung, dafür aber witziger (wegen der Kunst).

02 Februar 2008

Das Leib-Seele-Problem im Mittelalter

hat es nicht gegeben. Schreibt Peter King in einem im Sammelband Forming the mind : essays on the internal senses and the mind/body problem from Avicenna to the medical enlightenment (hg. von Henrik Lagerlund. - Dordrecht : Springer, 2007) abgedruckten Aufsatz (187-205). Er meint, das liege daran, dass die so erfolgreiche Unterscheidung zwischen primären und sekundären Qualitäten erst später eingeschlagen sei. Und erst das Konzept der sekundären Qualitäten habe die Frage aufgeworfen, wo denn eigentlich diese Eigenschaften beheimatet seien, wenn nicht in den Dingen selbst. Und auch 'Schmerz' als Standardfall der 'Sensation' wurde im Mittelalter nicht als rein mentales Geschehen betrachtet, sondern als Anzeichen eines beschädigten oder überlasteten Sinnesorgans. Damit ist Schmerz genauso rätselhaft wie die übrigen Sinnesdaten und wirft dieselben Fragen auf.