blogoscoop
Posts mit dem Label Entscheidung werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Entscheidung werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

25 März 2009

Des Teufels Angebot

Edward J Gracely hat in Analysis 48 (1988) 3, 113 (Link via JSTOR) ein nettes gedankliches Experiment der Entscheidungstheorie vorgestellt, über das ich gerade bei dem Blick in Tobias Klauks Dissertation über Gedankenexperimente gestolpert bin (meine Wiedergabe):
Frau C kommt in die Hölle. Der Teufel bietet ihr ein Spiel an, doch noch in den Himmel zu kommen. Sie muss nur mitspielen. Wenn Sie gewinnt, kommt sie in den Himmel; wenn sie verliert, bleibt sie in der Hölle für alle Ewigkeit. Am ersten Tag sei die Chance zu gewinnen 1/2. Am nächsten 2/3. Am folgenden 3/4. Usf. Also: Jeder Tag, der vergeht, erhöht ihre Chance zu gewinnen. Trotzdem ist es bestimmt nicht sinnvoll, ewig zu warten. Das perfide an dem Szenario: Da der Nutzen unendlich groß ist (Eintritt in den Himmel auf ewig), ist auch der Nutzen der Verbesserung der Chancen unendlich groß. Demgegenüber sind die Kosten für die Verbesserung der Chancen endlich, nämlich jeweils bloß ein Tag in der Hölle.

Gracely endet mit einer Frage: Was soll Frau C tun? Mir scheint, dass dies, ein bisschen schräg betrachtet, eine entscheidungstheoretische Variante einer Sorites-Paradoxie ist. Welchen Wert der Gewinnwahrscheinlichkeit würden wir als "so gut wie sicher" akzeptieren? Die Frage, was Frau C tun soll, würde ich also beantworten mit der willkürlichen Wahl einer Grenze, die genausogut bei 0,99 wie bei 0,999 liegen könnte.

21 Juni 2007

Moral und Rechnen

Nur die Utilitaristen müssen rechnen, um moralisch zu handeln? Es schadet jedenfalls nicht, wenn man rechnen kann, weil die meisten Theorien der Rationalität ein rechnerisches Element haben.
Nehmen Sie eine Karte von einem kompletten 52er Spiel. Wenns eine Sieben ist, gibt's dafür 100 Euro, wenns Kreuz ist, gibt's 25 Euro, andernfalls kostet das Spiel 10 Euro.

Spielen Sie? Tja: die Entscheidung hängt (rationalerweise) davon ab, ob Sie genug Geld haben, mehrfach zu spielen. Beim einfachen Spiel ist die Chance zu verlieren 69% (36/52). Spielen Sie eine Serie, dann muss man stärker berücksichtigen, wie hoch Gewinn und Verlust jeweils sind: (100 € x 4/52) + (25 € x 13/52) -- (10 € x 36/52) ist das durchschnittliche Spielergebnis: 7,04 € Gewinn pro Spiel. Viel besser als Roulette.
Das Beispiel stammt aus dem Buch The Moral Wager : Evolution and Contract (Dordrecht : Springer, 2007), in dem der Verfasser Malcolm Murray (Kanadier!) für eine Art Evolution moralischer Prinzipien plädiert. Es zeigt (was natürlich auch die Ethik längst weiß), dass Handlungsregeln (die sich als Serie von Einzelnhandlungen auffassen lassen) anders zu beurteilen sind als Einzelhandlungen. Murray meint dann zeigen zu können, dass sich eine bestimmte Handlungsregel als die erfolgreichste durchsetzt: "Don't do unto others without their consent".
Stimmt seine Betrachtung, dann ist das eine statistische Antwort auf die Frage "Warum moralisch sein?", die zugleich erklärt, warum es so schwierig ist, im Einzelfall zu zeigen, das moralisches Handeln sich lohnt.

15 Februar 2006

Moral und Politik: Dürfen von Terroristen gekaperte Flugzeuge abgeschossen werden?

Das Verfassungsgericht sagt, das Gesetz von 2005 sei verfassungswidrig, berichtet Spiegel Online heute. Und zwar, weil das gegen das Gebot verstößt, dass die Bundeswehr nicht im Innern zum Einsatz kommen dürfe (außer im Katastrophenfall). Außerdem hat es auch was mit der Menschenwürde zu tun: Menschen, die zur Rettung anderer getötet würden, würden "verdinglicht und entrechtlicht".
Politiker reagieren auf die Begründung Bundeswehreinsatz mit der Forderung nach einer Grundgesetzänderung, schließlich will man die Bundeswehr am liebsten auch zur Fußballweltmeisterschaft im Innern einsetzen. Grundgesetzänderung in 3 Monaten?
Was die Frage angeht, wie das Abwägen der Leben einzelner gegen viele zu behandeln ist, so ist die Frage verwandt mit der nach der Erlaubtheit von Folter zur Terror-Abwehr. Interessant ist hier für mich die Frage, ob Recht und Moral verschiedene Wege gehen müssen. Es erinnert auch an das alte Gedankenexperiment von Philippa Foot, das "Trolley Problem" und Judith Jarvis Thomsons Ergänzungen dazu über die Schwierigkeit, Töten und Sterben lassen zu unterscheiden.