[Entwurf vom 13.8.; wurde nicht zu Ende geschrieben]
Hat die "Existenz" einen "logischen Sinn"? Fabian Harmanus ist überzeugt davon und hat darum ein Buch geschrieben. Was qualifiziert den inzwischen 33jährigen Diplom-Kommunikationsdesigner dazu, die Frage zu beantworten? Dass er schon im Alter von 4 anfing, sich tiefe Fragen zu stellen, und seitdem nicht aufgehört hat, darüber nachzudenken?
Irgendwie ist das sympathisch: dass sich jemand hinsetzt und 30 Jahre nachdenkt ohne sich dabei Rat zu holen bei den Profi-Nachdenkern. Und dann, natürlich, von seinem System so überzeugt ist, dass er es publizieren muss: denn es könnte ja den andern helfen. Harmanus findet, dass "viele existenzielle Fragen des Menschen nur aufgrund von Vermutungen behandelt werden", dabei könnte man doch von Tatsachen ausgehen! Es gibt nämlich nur: "Wissen, das logisch gefolgert wird, gleich einer mathematischen Formel; Reine Logik, die keinen Spielraum für Relativierungen lässt". Harmanus wird daher nicht nur verraten, worin der Sinn besteht, sondern auch, warum alle andern bisher daran scheiterten, ihn zu finden!
Wie denkt er so? Auf S. 14 definiert er "absolute Erkenntnis". Sein Beispiel ist die "absolute Erkenntnis" eines Pferdes, und da er abstrakt definiert hat, dass eine absolute Erkenntnis von etwas darin besteht, "alle maßgebenden Faktoren und Informationen zu wissen (...), jede noch so schier belanglose Information zu wissen". Über ein Pferd müsste man, von seinem Äußeren abgesehen, auch über sein Inneres und schließlich darüber Bescheid wissen, wie es sich anfühlt, ein Pferd zu sein. "Das mag sich absurd anhören, ist aber in dieser vorerst abstrakte Form logisch". Philosophen, die nach Erkenntnis streben, müssten also, folgert er eine Seite weiter, auch die Erkenntnis sein oder jede andere "übernatürliche Kraft", um die es ihnen geht.
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13 August 2008
06 Februar 2007
Was ist Aufklärung nicht?
Jaja, im Jahr der Geisteswissenschaften liegt die Antwort nur ein Buch weit entfernt, bei Kant. Wer die Frage allerdings im Internet stellt, könnte auf die Idee kommen, unter der Adresse www.whatisenlightenment.de fündig zu werden, die Webpräsenz eines gleichnamigen Magazins (man wird durchgeleitet auf die Abkürzung www.wie.de). Hier wird Enlightenment aber mit "Erleuchtung" übersetzt, und alle Ingredienzien fragwürdiger Publikumsanmache sind gegeben, von der buntesten Aufmachung über Gratisangebote bis zur Nennung von Autoren mit Titel oder schmückenden Beiwörtern. Der Gründer des Magazins ist demnach ein "spiritueller Lehrer" und "anerkannter Autor". Woran bemisst sich die Anerkennung? Am Beifall der Anhänger natürlich. Die Webseite informiert: Andrew Cohen
Naja, man wäre ja schön blöd, wenn man in die Richtung, die man selbst erfunden hat, nicht auch weisen würde... Cohen also gründete 1992
Das Adjektiv "führend" verdient sich jeder, der Jünger hat, die er führt. Da kann auch der notorische Ken Wilber nicht weit sein, und tatsächlich: es wird sogar ein gemeinsames Buch angepriesen.
Wenn ich darüber nachdenke, warum mir das Magazin und die Webseite als Etikettenschwindel vorkommen, dann fällt mir auf, das Aufklärung in Kants Sinne eine Hilfe zur Selbsthilfe ist, eine Anleitung. Erleuchtung ist hingegen ein Schlag auf den Kopf, der von Außen kommt und einen grundlegend verändert. Wer aufgeklärt wird, bleibt er selbst, wer erleuchtet wird, ist womöglich nicht wiederzuerkennen.
PS Ich selbst bin übrigens ein führender Philosoph, da ich Gespräche führe.
gilt weithin als richtungsweisende Stimme auf dem Gebiet der evolutionären Spiritualität
Naja, man wäre ja schön blöd, wenn man in die Richtung, die man selbst erfunden hat, nicht auch weisen würde... Cohen also gründete 1992
das Magazin What is Enlightenment? und bahnt den Weg für einen innovativen spirituellen Journalismus, der an die klassischen Dialoge eines Sokrates erinnert. Seither bringt Cohen führende Denker der Gegenwart auf den Seiten von WIE zusammen und ruft sie zu einer höheren, wirklich zeitgemäßen Synthese der geistigen Wahrheiten des Ostens und der empirischen Erkenntnisse des Westens auf. Durch das Magazin wie auch durch seine Schriften erschafft Cohen einen neuen Kontext, in dem Erleuchtung als evolutionäre Aufgabe des Menschen gesehen wird.
Das Adjektiv "führend" verdient sich jeder, der Jünger hat, die er führt. Da kann auch der notorische Ken Wilber nicht weit sein, und tatsächlich: es wird sogar ein gemeinsames Buch angepriesen.
Wenn ich darüber nachdenke, warum mir das Magazin und die Webseite als Etikettenschwindel vorkommen, dann fällt mir auf, das Aufklärung in Kants Sinne eine Hilfe zur Selbsthilfe ist, eine Anleitung. Erleuchtung ist hingegen ein Schlag auf den Kopf, der von Außen kommt und einen grundlegend verändert. Wer aufgeklärt wird, bleibt er selbst, wer erleuchtet wird, ist womöglich nicht wiederzuerkennen.
PS Ich selbst bin übrigens ein führender Philosoph, da ich Gespräche führe.
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Pseudophilosophie
21 November 2006
Menschheit gentechnisch veredeln?
Wieder einmal ein Blick auf ein Privatsystem der Philosophie bzw. Weltanschauung -- das Internet ist ja eine wunderbare Plattform für jeden Gedanken, und jeder findet seine Leser, irgendwann. Das 'Private Institut für Androiden und Superzivilisationsforschung' von Günter Einbeck beschäftigt sich mit der Frage, wie die Menschheit sich weiterentwickeln soll. Dass der Verfasser mit Sorge auf die Gegenwart blickt, wundert nicht. Dass er als Lösung eine von SF-Schriftstellern inspirierte Vision einer technisch veredelten Menschheit sieht, schon eher. Aber ich will hier gar nicht auf die wunderliche Mischung eingehen, sondern nur die Frage stellen, die für Einbeck schon beantwortet zu sein scheint. Angenommen, durch Gentechnik ließe sich 'das Böse' in der Menschheit ausrotten, dürften wir das dann (auch gegen den Willen der gentechnisch zu 'Veredelnden')?
Antwort: Kann man das überhaupt? Ist 'das Böse' ein genetisches Problem? Würde man mit der Entfernung 'des Bösen' womöglich den Menschen den freien Willen nehmen?
Und wie stehen wir zu den Wünschen anderer? Es ist klar, dass Einbecks Weltanschauung da keine Schwierigkeiten hat: wer böse ist, hat eben kein Recht auf seine genetische Integrität, oder: er würde selbst die Veränderung wollen, wenn er dazu klug genug wäre. Aber wir argumentieren doch nicht so?
Antwort: Kann man das überhaupt? Ist 'das Böse' ein genetisches Problem? Würde man mit der Entfernung 'des Bösen' womöglich den Menschen den freien Willen nehmen?
Und wie stehen wir zu den Wünschen anderer? Es ist klar, dass Einbecks Weltanschauung da keine Schwierigkeiten hat: wer böse ist, hat eben kein Recht auf seine genetische Integrität, oder: er würde selbst die Veränderung wollen, wenn er dazu klug genug wäre. Aber wir argumentieren doch nicht so?
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26 September 2006
20.000 Seiten eines eigenen Philosophie-Systems
Schon mal was von Hans Pochmann gehört oder gelesen? Das ist ein österreichischer (?) Diplom-Psychologe, der sich selbst auch Philosoph nennt, und nun ein "Pochmann-Lexikon" vorgelegt hat, im Selbstverlag. Untertitel: "Lexikon und System der wesentlichen Begriffe des philosophisch-wissenschaftlichen Gesamtwerks von Hans Pochmann - etwa 200 Bände mit etwa 20.000 Seiten". War es nicht Marx, der feststellte, dass Quantität irgendwann in Qualität umschlägt? Er muss sich geirrt haben; Pochmann liefert den Beweis.
Beim genannten Umfang ist man natürlich froh, wenn es eine Abkürzung gibt (und man die Absicht gehabt haben sollte, das Werk Pochmanns zu studieren). Das Lexikon ist nur 52 Seiten stark, also knappe 2,5 Promille des Gesamtwerks. Es herrscht ein etwas wirres Gliederungsprinzip: So erfolgen Querverweise auf Begriffe, geordnet ist das ganze aber nach Artikelnummern.
Kleines Beispiel für die Argumentation. Pochmann ist Anhänger des "Hylozoismus", der Weltanschauung, dass
Und gibt's Argumente? Ja, gleich 4:
1. Wenn alle kleinsten Teilchen "völlig leblos und sinnlos wären, könnte ihre noch so komplizierte Zusammensetzung kein lebend-erlebendes, eigenen Sinn habendes Lebewesen ergeben".
2. Die Entstehung des Lebens auf der Erde lässt sich "nur-physikalisch nicht erklären, hylozoistisch lebt bereits aller Stoff des Weltalls und auch die kleinsten Substanzteilchen vor Entstehung der Zellen".
3. "Es wäre völlig uneinsichtig, wie aus einem Gehirn als einem Haufen lebloser, sinnloser Atome psychische Leistungen hervorgehen könnten".
4. "Die Ordnungen der Galaxien wie der Atome und Kristalle blieben unerklärbar".
Ehrlich: alle 4 Argumente sind Mist, und außerdem sind 1 bis 3 dasselbe Argument: den Übergang vom Unbelebten zum Belebten kann Pochmann so nicht verstehen. Aber wie ein Lebewesen entstehen soll, wenn man haufenweise Teilchen mit eigenen Leben und Sinn zusammensetzt, ist mir auch schleierhaft.
Dass Pochmann für alles ein völlig eigenes System hat, braucht wohl nicht gesagt zu werden. Es ist der Mühe nicht wert, sich da reinzudenken, auch wenn man ein Freund von Systemen ist (was ich nicht bin). Immerhin: was für eine immense Arbeitsleistung, allein 20.000 Seiten zu verfassen!
Ich frage mich, warum mich die verqueren Gedanken anderer manchmal mehr interessieren als die geraden? Ich vermute, es ist eine Art Faszination am intellektuellen Varieté, das ja nicht nur Akrobatik und Zauberkunst ausstellt, sondern auch zur Besichtigung des Abnormen einlädt.
Beim genannten Umfang ist man natürlich froh, wenn es eine Abkürzung gibt (und man die Absicht gehabt haben sollte, das Werk Pochmanns zu studieren). Das Lexikon ist nur 52 Seiten stark, also knappe 2,5 Promille des Gesamtwerks. Es herrscht ein etwas wirres Gliederungsprinzip: So erfolgen Querverweise auf Begriffe, geordnet ist das ganze aber nach Artikelnummern.
Kleines Beispiel für die Argumentation. Pochmann ist Anhänger des "Hylozoismus", der Weltanschauung, dass
nichtzellige Naturgebilde als substantielle, ganzheitliche, manches erlebende (psychische), lebende, Ziele anstrebende und erwirkende Wesen angesehen werden, die je eigenen Sinn haben.Zu Anhängern dieser These zählt er auch Diderot, Bruno, Goethe, Nietzsche, Klages. Das Nietzsche-Zitat als Beleg zeigt aber, dass hier ein experimenteller Gedanke Nietzsches a) für dessen Meinung ausgegeben und b) leicht missverstanden worden ist.
Und gibt's Argumente? Ja, gleich 4:
1. Wenn alle kleinsten Teilchen "völlig leblos und sinnlos wären, könnte ihre noch so komplizierte Zusammensetzung kein lebend-erlebendes, eigenen Sinn habendes Lebewesen ergeben".
2. Die Entstehung des Lebens auf der Erde lässt sich "nur-physikalisch nicht erklären, hylozoistisch lebt bereits aller Stoff des Weltalls und auch die kleinsten Substanzteilchen vor Entstehung der Zellen".
3. "Es wäre völlig uneinsichtig, wie aus einem Gehirn als einem Haufen lebloser, sinnloser Atome psychische Leistungen hervorgehen könnten".
4. "Die Ordnungen der Galaxien wie der Atome und Kristalle blieben unerklärbar".
Ehrlich: alle 4 Argumente sind Mist, und außerdem sind 1 bis 3 dasselbe Argument: den Übergang vom Unbelebten zum Belebten kann Pochmann so nicht verstehen. Aber wie ein Lebewesen entstehen soll, wenn man haufenweise Teilchen mit eigenen Leben und Sinn zusammensetzt, ist mir auch schleierhaft.
Dass Pochmann für alles ein völlig eigenes System hat, braucht wohl nicht gesagt zu werden. Es ist der Mühe nicht wert, sich da reinzudenken, auch wenn man ein Freund von Systemen ist (was ich nicht bin). Immerhin: was für eine immense Arbeitsleistung, allein 20.000 Seiten zu verfassen!
Ich frage mich, warum mich die verqueren Gedanken anderer manchmal mehr interessieren als die geraden? Ich vermute, es ist eine Art Faszination am intellektuellen Varieté, das ja nicht nur Akrobatik und Zauberkunst ausstellt, sondern auch zur Besichtigung des Abnormen einlädt.
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Pseudophilosophie
05 September 2006
Erbauliches vom Goldenen Strand
Es gibt in Nürnberg einen Verlag, der heißt The Golden Shore. In dem erscheinen auch deutsche Übersetzungen von, ich zitiere den Klappentext, "lehrreich unterhaltsamen Erzählungen und Geschichte aus dem alten Indien, von Suchern, spirituellen Meistern und großen Gestalten der Menschheitsgeschichte", die Sri Chinmoy dem Leser als "Schatz zeitloser und universeller Weisheiten, die wie Blumen im Garten unserer Seele erblühen und ihren Duft von Frieden, Licht und Seligkeit verströmen", schenkt.
Sri Chinmoy, hatte ich den hier nicht schon mal? Das Buch jedenfalls, zufällig aufgeblättert, bietet mir die folgende Geschichte voller universeller Weisheit (ich fasse sie mit teils eigenen Worten zusammen):
Mir missfällt daran die Logik des Austauschs: Allah, ich geb dir mein Leben, gib du mir das des Sohnes. (Das ist dann, recht betrachtet, auch kein Opfer, sondern eben ein Tausch, aber das nur am Rande.) Seltsamer Gott auch, der sich darauf einlässt. -- Mir missfällt auch, dass der kriegstreibende König hier als weise hingestellt wird: das ist schließlich alles, was man von ihm erfährt: Er war voller Weisheit. Eines Tages hatte er Lust, sein Nachbarland zu erorbern. -- Am meisten missfällt mir, dass hier der Tod das Maß der Liebe abgibt. Das scheint mir am normalen Leben vorbeizugehen und daher als Weisheit für den Alltag völlig untauglich!
Sri Chinmoy, hatte ich den hier nicht schon mal? Das Buch jedenfalls, zufällig aufgeblättert, bietet mir die folgende Geschichte voller universeller Weisheit (ich fasse sie mit teils eigenen Worten zusammen):
Barbar ist der erste Kaiser der Mogulen, ein Mann voller Weisheit. Es war "häufig in Kämpfe verwickelt, um gegen seine Feinde zu bestehen", aber weil er so eine tolle Armee hatte, blieb er stets Sieger. Eines Tages "wollte Babar ein Land erobern", das von einem König namens Ibrahim Lodi regiert wurde. Sein Sohn ist dagegen: Deren Armee ist viel größer! Babar aber bleibt dabei: Wir haben besser geschulte Soldaten, wird schon klappen. Tatsächlich siegen die Babar-Soldaten, und die Besiegten freuen sich, weil Babar ein viel besserer Herrscher ist als der vorherige König. Sie schenken dem Sohn einen riesigen Diamanten. Dann wird aber der Sohn krank, todkrank. Ein Heiliger kommt zu Babar und sagt: Wenn Du ein großes Opfer bringst, dann wird dein Sohn gesund werden. Was soll ich opfern? fragt der König. Der Heilige schlägt vor, dass Babar den riesigen Diamanten verschenken möge. Der sei doch echt kostbar. Babar darauf: Der gehört meinem Sohn, das wäre drum kein Opfer: a) weil er gar nicht mir gehört, b) weil er klein ist im Vergleich zum Königreich, dass ich besitze. Aber das wäre sowieso alles nicht wertvoll, "allein mein Leben ist wirklich wertvoll". Er sei bereit, sein Leben zu geben. Er bittet zu Allah, und der entspricht dem Wunsch: Nach drei Tagen wird der Sohn gesund, und Babar liegt krank darnieder und stirbt. Letzter Satz der Geschichte: "Dies ist die Liebe, die ein menschlicher Vater für seinen Sohn empfinden kann".Hhm. Eine "spirituelle Geschichte", voller Weisheit und so?
Mir missfällt daran die Logik des Austauschs: Allah, ich geb dir mein Leben, gib du mir das des Sohnes. (Das ist dann, recht betrachtet, auch kein Opfer, sondern eben ein Tausch, aber das nur am Rande.) Seltsamer Gott auch, der sich darauf einlässt. -- Mir missfällt auch, dass der kriegstreibende König hier als weise hingestellt wird: das ist schließlich alles, was man von ihm erfährt: Er war voller Weisheit. Eines Tages hatte er Lust, sein Nachbarland zu erorbern. -- Am meisten missfällt mir, dass hier der Tod das Maß der Liebe abgibt. Das scheint mir am normalen Leben vorbeizugehen und daher als Weisheit für den Alltag völlig untauglich!
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Pseudophilosophie
24 Juli 2006
Die Unzuverlässigkeit von Rezepten zum Glücklichsein
Hin und wieder landen Bücher auf dem Schreibtisch wie: Glücklichsein : Spirituelle Kraft für das Abenteuer des Lebens, von Sri Chinmoy. Es ist im Verlag The Golden Shore erschienen, ein Name, der hält, was er verspricht. Das Buch erklärt, dass Glücklichsein etwas ist, das von einem selbst abhängt: "spirituelles Glücklichsein, das durch Streben und Selbsthingabe entsteht" (S. 18). Ohne Zweifel gibt es Leute, die mit solchen Rezepten wirklich glücklich werden, denen "Streben" und "Selbsthingabe" genügen. Der Mehrzahl dürfte es aber so gehen wie mir. Für mich hat der Gedanke, dass Glück nur von mir allein abhängen soll, etwas zutiefst deprimierendes. Denn ich kann ja daran messen, ob ich glücklich bin oder nicht, ob ich es geschafft habe. Wer nicht glücklich ist, ist demnach außerdem noch ein Versager. Heinrich von Kleist, den ähnliches beschäftigte, dachte, das sei mit Selbstdisziplin zu erreichen (eine Vorwegnahme der protestantischen Arbeitsethik, sozusagen). Ich tendiere mehr zu Aristoteles: Glück braucht auch günstige äußere Umstände! Das diese auf eine innere Disposition treffen müssen, die mit ihnen etwas anzufangen weiß, versteht sich von selbst.
Wesentlich besser gefällt mir das neue Buch von Al Gini: Why it's hard to be good (New York : Routledge, 2006). Gini beschäftigt sich mit der Frage welche Charakteristika von Moral (moralischen Pflichten, Tugendkonzepten etc.) dazu angetan sind, die Moral am menschlichen Faktor scheitern zu lassen. Das heißt, er buchstabiert die Erkenntnis aus, dass Moral dazu da ist, uns dazu zu bringen, etwas zu tun, was wir eigentlich nicht tun wollen. Hier eine Kurzrezension von Brendon Breen.
Wesentlich besser gefällt mir das neue Buch von Al Gini: Why it's hard to be good (New York : Routledge, 2006). Gini beschäftigt sich mit der Frage welche Charakteristika von Moral (moralischen Pflichten, Tugendkonzepten etc.) dazu angetan sind, die Moral am menschlichen Faktor scheitern zu lassen. Das heißt, er buchstabiert die Erkenntnis aus, dass Moral dazu da ist, uns dazu zu bringen, etwas zu tun, was wir eigentlich nicht tun wollen. Hier eine Kurzrezension von Brendon Breen.
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Glück,
Pseudophilosophie
08 Mai 2006
Paradoxien leichtgemacht
The real is unknowable, the knowable is unreal -- das ist der Titel eines neuen Buches von Robert Powell; Dr. Robert Powell, sollte ich schreiben. Auf der Titelseite versichert uns Dr. Deepak Chopra, Dr. Powell sei "one of the world's most inspired writers" ... dort steht auch, worüber, aber das ist ja eigentlich uninteressant.
Dass Philosophie auch Lebenshilfe ist, sieht man bei solchen Büchern schnell am Dr. vor dem Autornamen; manche Verlage gehen ja so weit, dies nicht nur im "Über den Autor" zu vermerken; North Atlantic Books hält sich da noch zurück. Bei solchen Superlativen muss ich immer an Neil Gaimans Buch über Douglas Adams denken, das einen Haufen positiver Kritiken von Mitgliedern von Monty Python auf dem Buchrücken hat, u.a. "das wichtigste Buch zu ... das ich seit Sonnenaufgang gelesen habe". --
Das einleitende Zitat ist eine Pfennigsweisheit: im Dutzend billiger. "Das Wahre ist das Unschöne, das Schöne ist das Unwahre." Oder auch: "Das Wahre ist unsagbar, das Sagbare ist nicht wahr." "Das Künstliche ist tot, das Untote ungekünstelt." Ups. Weitere Rezepte für Tausendundeinen Aphorismus?
Dass Philosophie auch Lebenshilfe ist, sieht man bei solchen Büchern schnell am Dr. vor dem Autornamen; manche Verlage gehen ja so weit, dies nicht nur im "Über den Autor" zu vermerken; North Atlantic Books hält sich da noch zurück. Bei solchen Superlativen muss ich immer an Neil Gaimans Buch über Douglas Adams denken, das einen Haufen positiver Kritiken von Mitgliedern von Monty Python auf dem Buchrücken hat, u.a. "das wichtigste Buch zu ... das ich seit Sonnenaufgang gelesen habe". --
Das einleitende Zitat ist eine Pfennigsweisheit: im Dutzend billiger. "Das Wahre ist das Unschöne, das Schöne ist das Unwahre." Oder auch: "Das Wahre ist unsagbar, das Sagbare ist nicht wahr." "Das Künstliche ist tot, das Untote ungekünstelt." Ups. Weitere Rezepte für Tausendundeinen Aphorismus?
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Pseudophilosophie
02 April 2006
Das große Ganze
In letzter Zeit fallen mir vermehrt Bücher auf, deren Autoren das große Ganze im Blick haben. Weil es uns nach Hegel schwer fällt, noch an Gesamtentwürfe zu glauben, begegne ich solchen Werken von vornherein mit Misstrauen. Allerdings hat dieses Misstrauen zur Folge, dass ich den Büchern auch weiter keine Zeit widme und darum noch unentschieden bin, ob Ken Wilbers Integrale Philosophie nun Humbug, ein bisschen Lebenskunst oder doch Philosophie ist. Die Klappentexte sprechen jedenfalls immer davon, dass man es mit einem der "ganz großen Denker unserer Zeit" zu tun habe. Wikipedia ist sich sicher, dass man sich im Grenzbereich von Esoterik und Philosophie befinde.
Roy Bhaskar ist auch so ein Fall. Der Umschlag seines Werkes meta-Reality kommt im Lebenshilfe-Wolkenblau daher. Der Klappentext sagt, es handle sich um "this new, long awaited study":
Soso. Ich hatte gedacht, der Kritische Realismus sei schon etwas älter. Google bietet auf den ersten Seiten einer Suche gleich eine Vielzahl von Möglichkeiten, in welchem Sinne der Begriff verstanden werden könnte, als Kunststil z.B. Ich hatte an etwas in Richtung Nicolai Hartmann gedacht (vgl. auch den Wikipedia-Artikel). Roy Bhaskar kommt da gar nicht vor. Aber:
Internationale Philosophie!!! Interdisziplinär!!!!!! Neu!!!!!!!!!!!!!!!!! Weltweit beachtet!!!!!!!!!!!!!!!
Mir gehen die Ausrufezeichen aus.
Roy Bhaskar ist auch so ein Fall. Der Umschlag seines Werkes meta-Reality kommt im Lebenshilfe-Wolkenblau daher. Der Klappentext sagt, es handle sich um "this new, long awaited study":
the first and defining volume in which Roy Bhaskar, originator of the increasingly influential, interdisciplinary and international philosophy of critical realism, systematically presents and expounds the prinzicples of his new philosophy of meta-Reality, a philosophy which is already the subject of worldwide attention and debate.
Soso. Ich hatte gedacht, der Kritische Realismus sei schon etwas älter. Google bietet auf den ersten Seiten einer Suche gleich eine Vielzahl von Möglichkeiten, in welchem Sinne der Begriff verstanden werden könnte, als Kunststil z.B. Ich hatte an etwas in Richtung Nicolai Hartmann gedacht (vgl. auch den Wikipedia-Artikel). Roy Bhaskar kommt da gar nicht vor. Aber:
Internationale Philosophie!!! Interdisziplinär!!!!!! Neu!!!!!!!!!!!!!!!!! Weltweit beachtet!!!!!!!!!!!!!!!
Mir gehen die Ausrufezeichen aus.
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Roy Bhaskar
27 Januar 2006
Wer kennt den Ancient Mail Verlag?
Ich nicht, bisher. Ein Blick auf die Homepage zeigt, dass es ein Besserwisser-Verlag ist:
Und wer ist Benzin? Ein Diplom-Finanzwirt und Angehöriger der Bundesfinanzverwaltung, der sich nebenberuflich mit Archäologie und anderen interessanten Dingen beschäftigt. Und Präsident der Giordano Bruno-Gesellschaft e.V.
Aber wer mit dem Verlag nichts anfangen kann, wird auch mit der Gesellschaft nichts anfangen können, denn die arbeitet in die gleiche Richtung. Das Vorwort stammt von einem Dieter Vogl. Der findet es z.B. bemerkenswert,
Nun wird man neugierig, für welche Gedanken Brunos Benzin diese Inkompatibilität mit dem Weltbild seiner Zeit annimmt. Auf S. 54 wird man zum ersten Mal fündig: 1591 hat Bruno ein Buch "Von der Monas, der Zahl und der Figur" veröffentlicht, ähnlicher Titel wie eine Schrift John Dees von 1564. Dazu Benzin:
Ich muss gestehen, dass ich ganz gern in solchen Büchern lese, das ist eine Art Grenzerfahrung. Hinter meinen Grenzen ist das Gedankengebäude ganz bestimmt, und man kann immerhin zitieren: " ... so hat es doch Methode."
[UPDATE 4.3.] Ich habe ausführlich zu Vogls Kommentar und zu Benzins Buch Stellung genommen. Wer Argumente sucht, wird Sie in meinem Posting vom 4.3. finden.
[UPDATE 13.10.] Die Witzbolde von der Giordano-Bruno-Gesellschaft hacken gerne auf diesem Posting herum: so sehr, dass Sie es schon in ihren Foren und auf der Webseite der Gesellschaft (letzter Eintrag der Liste) veröffentlicht haben! Ohne mich zu fragen, aber das ist ok, schließlich steht das hier unter einer CC-Lizenz. Sie haben natürlich vergessen, die Quelle anzugeben, und das "Share alike" ist auch nicht erfüllt, weil es keinen Hinweis auf die Art der Lizenz gibt. Aber davon abgesehen... Natürlich haben Sie dort Vogels Erwiderung auch gebracht. Und wie steht es dann mit meiner, ich möchte sagen: gründlichen, Auseinandersetzung mit der Art von Benzins Argumentation in meinem Posting vom 4.3.? Bleibt mir nur die Schlussfolgerung, dass ihnen dazu nichts mehr eingefallen ist.
"Interessieren Sie sich für Archäologie und die Geschichte der Menschheit? – Haben Sie auch schon manches Mal bemerkt, dass diese nicht immer so verlaufen ist, wie uns die Archäologen und Historiker glauben lassen wollen? – Dann sind Sie auf dem Online-Katalog von Ancient Mail genau richtig!!"Wie bemerkt man, dass die Geschichte nicht so verlaufen ist, wie uns die Fachleute glauben lassen wollen? Das erkenntnistheoretische Problem. Warum wollen uns die Fachleute was falsches glauben lassen? Das wissenschaftstheoretische (und ein moralphilosophisches) Problem. Na, egal. Ich komme drauf, weil ein Buch von Nicolas Benzin auf meinem Schreibtisch liegt: Giordano Bruno und die okkulte Philosophie der Renaissance. Das klingt doch wie ein ernstzunehmender Titel. Aber der Verlagsname macht einen misstrauisch, und wenn man das Programm liest, wird's nicht geringer.
Und wer ist Benzin? Ein Diplom-Finanzwirt und Angehöriger der Bundesfinanzverwaltung, der sich nebenberuflich mit Archäologie und anderen interessanten Dingen beschäftigt. Und Präsident der Giordano Bruno-Gesellschaft e.V.
Aber wer mit dem Verlag nichts anfangen kann, wird auch mit der Gesellschaft nichts anfangen können, denn die arbeitet in die gleiche Richtung. Das Vorwort stammt von einem Dieter Vogl. Der findet es z.B. bemerkenswert,
"dass [Brunos] Gedankenwelt überhaupt nicht im Einklang mit seiner Zeit stand. Und, was bislang nicht zu erklären ist, dass diese auf einem teleologischen ästhetischen Pantheismus basierenden Gedanken eigentlich aus dem Hier und Heute stammen könnten."Das muss man wohlwollend lesen; es bedeutet eigentlich, dass Vogl denkt, die Gedanken Brunos stammen aus dem Hier und Heute. Dahinter kann man dann auch ahnen, was uns die Historiker und Archäologen verschweigen wollen (s.o.). Was soll der denkende Mensch mit Vogls Feststellung anfangen, dass Bruno "über Sachverhalte schreibt, die er gar nicht gewusst haben kann"? Da bleibt nur der Raum für die Schlussfolgerung, dass Bruno eigentlich aus der Gegenwart stammt. Ein Zeitreisender. Schön, dass Brunos Schriften heute "in allen Teilen der Bevölkerung auf so große Resonanz" stoßen, wie Vogl weiß (natürlich auch Mitglied der Gesellschaft; er hat mit Benzin zusammen die "Urmatrix" der Erzeugung menschlicher Organe kabbalistischen Schriften der Antike entnommen).
Nun wird man neugierig, für welche Gedanken Brunos Benzin diese Inkompatibilität mit dem Weltbild seiner Zeit annimmt. Auf S. 54 wird man zum ersten Mal fündig: 1591 hat Bruno ein Buch "Von der Monas, der Zahl und der Figur" veröffentlicht, ähnlicher Titel wie eine Schrift John Dees von 1564. Dazu Benzin:
"Was mag wohl die "Monas hieroglyphica" darstellen? Wenn man Monas als den "Urgrund allen Seins übersetzt und hieroglyphisch mit "heiliges Zeichen darstellend", die Abbildung mit uns heute geläufigen Symbolen vergleicht, dann kommen wir zu dem Schluss, dass es sich um eine Urzelle gehandelt haben muss. Somit liegt bereits 1564 ein Buch zur Zellbiologie vor."Das weitere Argument dafür brauche ich wohl nicht auch noch zu zitieren. Ein Musterbeispiel eines abduktiven Schlusses (Schluss auf die beste Erklärung), der natürlich daran hakt, dass das Urteil darüber, was eine "beste Erklärung" ist, durch keine Kenntnis getrübt ist.
Ich muss gestehen, dass ich ganz gern in solchen Büchern lese, das ist eine Art Grenzerfahrung. Hinter meinen Grenzen ist das Gedankengebäude ganz bestimmt, und man kann immerhin zitieren: " ... so hat es doch Methode."
[UPDATE 4.3.] Ich habe ausführlich zu Vogls Kommentar und zu Benzins Buch Stellung genommen. Wer Argumente sucht, wird Sie in meinem Posting vom 4.3. finden.
[UPDATE 13.10.] Die Witzbolde von der Giordano-Bruno-Gesellschaft hacken gerne auf diesem Posting herum: so sehr, dass Sie es schon in ihren Foren und auf der Webseite der Gesellschaft (letzter Eintrag der Liste) veröffentlicht haben! Ohne mich zu fragen, aber das ist ok, schließlich steht das hier unter einer CC-Lizenz. Sie haben natürlich vergessen, die Quelle anzugeben, und das "Share alike" ist auch nicht erfüllt, weil es keinen Hinweis auf die Art der Lizenz gibt. Aber davon abgesehen... Natürlich haben Sie dort Vogels Erwiderung auch gebracht. Und wie steht es dann mit meiner, ich möchte sagen: gründlichen, Auseinandersetzung mit der Art von Benzins Argumentation in meinem Posting vom 4.3.? Bleibt mir nur die Schlussfolgerung, dass ihnen dazu nichts mehr eingefallen ist.
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