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28 Mai 2008

Es ist schon schwer...

VDM, der berühmte Verlag, hat sich des Werks von African Spir angenommen. Mir liegen hier zwei Reprints vor, und zwar die Kleinen Schriften und Moralität und Religion. Während ich mich freue, sagen zu können, dass der Verlag es diesmal geschafft hat, ohne Kopierstreifen auszukommen, so dass man, wäre die Scanqualität nicht von recht geringer Auflösung, von ansehnlichen Reprints sprechen könnte (allerdings stören einige Artefakte hin und wieder), bleibt es wieder einmal den Lesern überlassen zu erraten, welche Ausgabe hier eigentlich reprinted wurde, denn man hat von der Reprint-Wiedergabe des Titelblattes Verlagsort und Jahreszahl entfernt. Die Schrift Moralität und Religion hat hier 156 Seiten; es könnte sich um die Erstausgabe (Leipzig 1874?) handeln. Von den Kleinen Schriften scheint nur eine Ausgabe 1870 erschienen zu sein, so dass der Reprint vermutlich von dieser rührt.
Beide Bücher haben übrigens denselben Klappentext, der mit einem Hinweis auf Nietzsche beginnt: "Das 1873 erschienene Buch "Denken und Wirklichkeit. Versuch einer Erneuerung der kritischen Philosophie" von Spir hat einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Denken Friedrich Nietzsches ausgeübt". Das heißt ja wohl: ihr, die ihr Nietzsche lest, solltet auch Spir lesen.
Allerdings bin ich mir da nicht so sicher: denn was ein origineller Denker aus seinen Einflüssen macht, muss ja nichts mit dem zu tun haben, was diese Einflüsse tatsächlich sind. Und dass der Klappentext auf andere Werke Spirs verweist, spricht ja nun auch dafür, dass der Verlag selbst seinem Reprint kein originäres Interesse abgewinnen kann.
Der englische Wikipedia-Artikel über Spir enthält übrigens am Ende ein kleine Bibliographie über das Verhältnis von Nietzsche und Spir.

20 Mai 2008

Unglaublich genau

Die DNB bekommt ihre Daten im Neuerscheinungsdienst direkt von den Verlagen. Im Dienst 13/2008 ist mit der Nummer 117 ein Werk von Thomas Fey namens Massaf angekündigt. Dort steht neben dem Umfang auch die Größe (für Buchhändler ja wichtig, damit man z.B. weiß, mit welchen Versandkosten man rechnen muss). Das Buch misst also 209,89999999999998mm x 148,2 mm . Wahnsinn! Womit haben die das gemessen?

18 Mai 2008

SWD: "Persistenz"

Die DNB hat schon einmal ein Schlagwort namens "Persistenz " ansetzen wollen. Ich habe seinerzeit (Sept. 2006) dagegen protestiert. Nun sehe ich, dass die DNB das Buch Persistence, hg. von Christian Kanzian (Heusenstamm : ontos, 2008), mit der Kette s. Persistenz, s. Philosophie, f. Aufsatzsammlung verschlagwortet hat, ergänzend eine zweite s. Dauer, s. Ontologie. Ist das sinnvoll?

2006 hatte ich Anstoß genommen an der philosophischen Ansetzung von "Persistenz". Da war als Quelle angegeben "W philos. Begriffe", leider keine Definition (kann man nicht die Redaktionen verpflichten, neue Schlagwörter mit Definitionen zu versehen?).
Ich hatte die Definition im angegebenen Werk überprüft. Es gibt dort keinen Eintrag "Persistenz", wohl aber "persistent": "lat., 'beharrend', unveränderlich; dazu _Persistenz_, die Beharrlichkeit (siehe dort), Unveränderlichkeit." Bin also dem Verweis gefolgt zu "Beharrlichkeit / Beharrungsvermögen, auch Trägheit (lat. vis inertiae); die Eigenschaft der Körper, im Zustand der Ruhe oder einer gleichförmigen geradlinigen Bewegung unverändert zu bleiben, bis dieser Zustand durch das Einwirken irgendeiner Kraft geändert wird, nach dem von I. Newton und G. Galilei aufgestellten Beharrungsgesetz ..." Klingt für mich ganz nach dem vertrauten Phänomen der Trägheit.

B 2005 definiert "Beharrungsvermögen" (im Artikel Trägheit, 1. Absatz: Physik): "Beharrungsvermögen, die Eigenschaft jedes massebehafteten Körpers, dem Versuch einer Änderung der Größe oder Richtung seines Bewegungszustands einen Widerstand entgegenzusetzen (Trägheitskraft). Der Inbegriff dieses Widerstands ist die träge Masse. Da nach dem einsteinschen Gesetz die Energie der Masse äquivalent ist (Masse-Energie-Äquivalenz), kommt auch jeder Energie eine Trägheit zu". Gibt auch ein Schlagwort "Trägheit" in der SWD, für den als Synonym "Beharrungsvermögen" angegeben ist. Scheint mir also, als sei das, was "Persistenz " laut seiner Quelle ausdrücken sollte, vollständig durch "Trägheit" ausgedrückt! Fragt sich, was für ein Buch damit beschlagwortet wurde.
Im Katalog der DNB findet man: Persistence through time, and across possible worlds / Jiri Benovsky (Heusenstamm u.a. : Ontos, 2006). Inhalt:
"How do ordinary objects persist through time and across possible worlds ? How do they manage to have their temporal and modal properties ?

Langer Rede kurzer Sinn: Das Schlagwort wurde mit einer bestimmten Definition neu angesetzt, die seiner konkreten Verwendung überhaupt nicht entspricht, dafür ist die Definition aber äquivalent mit der eines schon existierenden Schlagwort, nämlich "Trägheit".
Gemeint ist, scheint mir anhand der Buchbeschreibung, eher etwas im Sinne von "Beständigkeit" über Raum und Zeit (perdurance), als besonderer Typ von Identität. Beständigkeit gibts bisher nicht als Schlagwort; da käme auch komplizierend hinzu, dass es die mittelalterliche Tugend der 'Constantia' gibt, die konventionell mit 'Beständigkeit' übersetzt wird.

Das neue Buch, das Kanzian herausgegeben hat, fällt inhaltlich in dieselbe Kategorie: es hat mit Dauer und Identität zu tun (aus dem Vorwort): "The problem of persistence is as old as the tradition of systematic ontology: How can we explain that the middle-sized standard objects of everyday's life like tables, cats or human beings are regarded normally as remaining 'the same', even if they change their properties and their material constitutents?"

Ist das nun mit "s. Persistenz" richtig verschlagwortet? Die Quellenangabe in der Definition dort weist auf M, 1. und 2. Absatz (die SWD-Notation ordnet als Sachgebiete 5.3: Sozial-, Kultur- und Völkerpsychologie und 27.4: Allgemeine Pathologie zu). Ich habe den Meyer hier nicht zur Verfügung, aber die Erfahrung lehrt, dass die Definition im Brockhaus in neueren Ausgaben identisch sind (zuweilen verschiebt sich die Absatznummerierung). B 2005 online hat zwei Absätze zur "Persistenz", der erste ist "Chemie": "Stabilität chemischer Verbindungen in der Umwelt", der zweite "Medizin": "Fortbestehen einer fetalen Entwicklungsstufe ..." Mir scheint, dass dieses Verständnis von Persistenz nicht zum Buch passt! Und das wird auch nicht besser, wenn man diese "Persistenz" um das Schlagwort "Philosophie" ergänzt.

Ich halte dies für einen strukturellen Fehler der SWD, der sich auch an anderen Stellen zeigt. Die Verwendung eines Schlagworts entspricht oft nicht der Definition in der angegebenen Quelle, und es ist mir häufig nicht klar, welche Freiheiten man in der Schlagwortvergabe sich sinnvollerweise nehmen sollte. Warum den DNB-Kollegen das Schlagwort "Persistenz" hier richtig erscheint, ist klar: schließlich ist das auch das englische Wort im Titel der beiden Veröffentlichungen. Aber müsste man nicht die Definition des Schlagwortes dafür ändern?






15 Mai 2008

Das Bewusstsein als Gefahr

Michael Puritscher hat mit Bewusst sein : Entwicklung und Strategien des menschlichen Geistes (Wien u.a. : Böhlau, 2008) ein Buch gegen den Mainstream geschrieben. Der rätselt ja eher darüber, was Bewusstsein ist, und wie sich der Geist zur Materie verhält. Puritscher beschäftigt sich, weil er weiß, was (Selbst-)Bewusstsein ist, mit der Frage, was das Bewusstsein-Haben für Menschen bedeutet. Und er kommt zu dem Schluss, dass es gefährlich ist. Etwas verknappt ausgedrückt: die eigene Vergänglichkeit zu erkennen kann depressiv machen. In seiner Einleitung schreibt Puritscher, dass sich die Bewusstseinsstufe, auf der sich die Spezies befinde, "zu einer möglichen Gefährdung für die gesamte Menschheit entwickeln" könnte. Daher will er die Bedrohung "neutralisiert" sehen.
Hhm: entweder will er das Bewusstsein auslöschen / verändern, oder dasjenige, woran es sich entzündet: die Vergänglichkeit des Irdischen. Beide klingen für mich nicht wie wünschenswerte Alternativen.

Neues zu Mitleid und Mitgefühl

Nina Gülcher und Irmela von der Lühe haben zusammen einen Aufsatzband herausgegeben: Ethik und Ästhetik des Mitleids. - Freiburg : Rombach, 2007. Frau von der Lühe mag ich sehr gern, seit ich sie in Göttingen kennengelernt habe, und das einzige, was mir von ihr fehlt, ist eigentlich mal wieder ein Buch. Aber es scheint, als ließe sich ihre Forschung nicht so monographisch zusammenfassen.
Das hier genannte Buch ist jedenfalls auch als Hinweis auf Käte Hamburgers Werk Das Mitleid zu verstehen, und tut damit mir den weiteren Dienst, mich an Hamburger zu erinnern. Von der habe ich nach der Logik der Dichtung nichts mehr gelesen.
Ist ein Zufall, dass das Buch gerade in der Woche auf meinem Schreibtisch liegt, da im ZEIT-Magazin ein Gespräch über die neurologischen Grundlagen von Mitleid und Mitgefühl zu lesen ist, unter anderem über die sogenannten Spiegelneuronen. Das sind Nervenzellen, die aktiv werden, wenn man eine Handlung beobachtet, und ihr Aktionsmuster gleicht dem des Selbertuns. Für Literaturtheoretiker ein gefundenes Fressen, denke ich, sofern sich zeigen ließe, dass es genügen würde, eine Handlung nur zu lesen (statt sie im Video zu sehen). Das würde eine der großen Fragen beantworten, das Hekuba-Problem.

13 Mai 2008

Philosophie als Einflussgeschichte (2)

Neulich wies ich auf intellektuelle Stammbäume, und hier ist ein weiterer, von Josh Dever. Braucht Java.

via Thoughts, arguments and rants.

Gibt es Wunder?

Hume hat nicht alles zum Thema gesagt, meint Thomas Schindler-Wunderlich und hat es in seiner Diss Kritik der neuzeitlichen Wunderkritik (Bern : Lang, 2007) unternommen, die philosophischen Argumente gegen die Existenz von Wundern zu untersuchen. Dabei kommt er zu dem Schluss, dass diese Argumente nicht überzeugen -- woraus natürlich nicht folgt, dass es Wunder gibt. Für Schindler-Wunderlich (der Name passt doch gut zum Thema) geht es natürlich um Wunder Gottes, aber die Argumentation ließe sich auch auf paranormale Ereignisse anwenden. Das erkenntnistheoretische Problem gründet immer darauf, dass Wunder Einzelfälle sind, und Naturgesetze Regelmäßigkeiten beschreiben. Wenn man nun einen Einzelfall beobachtet, der ein Naturgesetz zu verletzen scheint, liegt die Batterie der Einwände gegen die Interpretation der Beobachtung auf der Hand. Allerdings hat Schindler da einen netten Schachzug auf Lager, indem er eine Wunderdefinition vorschlägt, die an die "Willensäußerung" eines Mediums geknüpft ist. Jesus sagt "Steh still, Sturm", und dann steht der Sturm still: da könnte man immerhin das unerwartete Geschehen als Akt interpretieren. Aber wieviele Wunderberichte gibt es, die einen solchen Akt beschreiben? Und könnte nicht immer auch die Ankündigung des Wunders bloß als Ausdruck überlegenen Vorwissens interpretiert werden -- so z.B. die Sonnenfinsternis, die dem zeitreisenden Helden im Umgang mit den Eingeborenen gelegen kommt (Mark Twain, Ein Yankee ... ?).

08 Mai 2008

Philosophie als Einflussgeschichte

... im Bild: hier. Sehr eindrucksvoll. Bin drauf gestoßen über Jakob Voß' Weblog, der dies erwähnt, weil eine der Karten die Wikipedia als Datenquelle nutzt.

06 Mai 2008

Wie Nationalbibliographien kategorisieren

Man möchte sagen: oft richtig. Dass der Neuerscheinungsdienst der DNB in dieser Hinsicht allerdings zum Abwinken ist, zeigt sich praktisch täglich. Wesentlich seltener vertut sich die BNB, zum Beispiel mit dieser Einordnung: Der Titel "Heidegger's Jewish followers : essays on Hannah Arendt, Leo Strauss, Hans Jonas, and Emmanuel Levinas" steht unter 181, das ist: Eastern Philosophy. Da, wo sonst Indien, China und Japan stehen.

03 Mai 2008

Schön!

In dem Buch Seeing things fand ich ein Foto des Stuhls namens "Oops" (Bild hier, zusammen mit anderen aus der Serie "Belebte Möbel"), den Jake Cress gefertigt hat. Die Originalität der Idee erinnerte mich an die Galerie der Papierkunst von Peter Callesen, auf die neulich in einem Blog hingewiesen wurde, hab vergessen wo.