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30 März 2006

Relativität des Todes

Manche Philosophen sind toter als andere. Das hat nicht nur mit ihrem Werk zu tun, sondern auch mit ihren Bildern. Sokrates und Aristoteles z.B. haben es auch zu prominenten Büsten gebracht, die vielen vertraut sind, zu schweigen von Raphaels Philosophie-Bild, dem man kaum entgehen kann in der philosophischen Publizistik, so viele Titelbilder und Schutzumschläge sind daraus gemacht worden. Manchmal frage ich mich, ob Nietzsches Schnurrbart nicht größer ist als seine Philosophie; und manches Gemälde eines Fürsten der Aufklärung kann ich nicht ansehen, ohne Descartes (Schnurrbart, Frisur) darin zu erkennen.
Jeremy Bentham hat schon zu Lebzeiten dafür Sorge getragen, dass sich die Nachwelt ein bestimmtes Bild von ihm macht. Und weil die Sache selbst besser als ihr Abbild ist, hat Bentham beides vermischt: in seinem Konzept eines "Auto-Icon": eine Statue, zu fertigen aus dem Material seines Körpers, nach Sektion und wissenschaftlicher Untersuchung mumifiziert. Ich entnehme dies dem Ausstellungskatalog The old radical : Representations of Jeremy Bentham, hg. von Catherine Fuller. Die Ausstellung war 1998 im University College in London, wo auch das Bentham Project beheimatet ist. Das Auto-Icon wurde, nach Benthams testamentarisch ausgesprochenem Willen, aus seinem Körper gemacht: eine sitzende Statue, angekleidet, mit Stab. Es ist hier (gif) zu sehen, die näheren Umstände erläutern die Webseite und ein Aufsatz. Wie dieses Auto-Icon das Glück der Menschheit stärker befördert als sein Fehlen, hat Bentham, Erfinder des Utilitarismus, sicher auch ausführlich begründet ...

27 März 2006

Geld macht nicht glücklich?

Richard A. Easterlin habe schon 1974 einen Aufsatz veröffentlicht, in dem er aufzeige, dass es keine notwendige Verbindung zwischen dem Besitz, den jemand hat, und seinem Wohlergehen / Glück gebe. Im Spiegel Online macht Hasnain Kazim sich über Harald Willenbrocks neues Buch Das Dagobert-Dilemma Gedanken. Ein paar mehr hätten es aber schon sein können.
Es ist sicher richtig, dass das, was man besitzt, auch Einfluss darauf hat, was man sich wünscht. Einfach darum, weil man sich das nicht mehr wünscht, was man schon hat. Wenn man Glück als die Abwesenheit weiterer Wünsche definiert, dann ist leicht zu sehen, dass man nicht einfach dadurch glücklich wird, dass man Geld hat, denn damit lassen sich ja beileibe nicht alle Wünsche erfüllen. Und es mögen eine ganze Reihe von Wünschen hinzukommen, die man hat aber nicht hätte, wenn man weniger Geld hätte, weil man gar nicht daran denkt, an sie zu denken. First things first.
Durch derlei Überlegungen wird aber keineswegs die Umkehrung gerechtfertigt, dass man etwa leichter glücklich würde, wenn man kein Geld hätte. In meinen Ohren klingt die Feststellung, dass auch arme Leute glücklich sind, ein bisschen wie die Feststellung, dass man dann ja nichts mehr zur Verbesserung ihres Zustands beitragen könnte. (Das mag für einen Hardcore-Utilitaristen sogar eine halbwegs überzeugende Überlegung sein.) Ich halte mich aber lieber an Aristoteles, der in seiner Nikomachischen Ethik feststellt, dass a) gutes Leben davon abhängt, dass man tugendhaft ist, b) tugendhaft aber nur sein kann, wer auch einen gewissen Wohlstand mitbringt. Leicht zu sehen ist das bei der Tugend der Großzügigkeit: ist schwer, großzügig zu sein, wenn man nix zum Teilen und Abgeben besitzt. Und weil Aristoteles außerdem vertritt, dass, wer eine Tugend hat, auch alle anderen hat, folgt wohl, dass wer eine Tugend nicht hat, auch alle anderen nicht hat. Und daraus folgt: wer nicht wohlhabend ist, kann a) nicht tugendhaft und b) nicht glücklich sein.
Das ist Philosophie in Hemdsärmeln, ich weiß. Aber wenn Geld nicht glücklich macht: die Abwesenheit von Geld sicher auch nicht!

24 März 2006

Globale Ethik und moralische Dilemmata

Seit 1990 gibt es das Institute for Global Ethics: ein, wie's scheint privat gefördertes Institut in Maine, USA, das damals angetreten war, die Frage zu beantworten, ob es universelle Werte gibt, die in jeder Kultur zu finden sind. Die W. K. Kellog Foundation gab dafür Geld aus -- die mit den Frühstücksflocken. Inzwischen gibt's auch eine Antwort:
Thirteen years later, our answer is affirmative. The Institute's research has made it apparent that, wherever you go in the world and ask, What are the most important moral values for you and your future? you're apt to hear the same five answers: compassion, fairness, honesty, respect, and responsibility.

Schön, wenn man das so genau weiß! Immerhin bietet das Institute auch eine interessante Sammlung echter moralischer Dilemmata aus dem wirklichen Leben: eine geeignete Grundlage für so manche Stunde Ethikunterricht.

22 März 2006

Wer hat Angst vor Gespenstern?

David Ratmoko heißt der Autor einer soeben erschienenen Studie On spectrality : Fantasies of redemption in the Western Canon (New York : Lang, 2006). "Spectrality", Geisterhaftigkeit, fungiert hier als Eigenschaftensammlung, die Ratmoko in verschiedenen geistesgeschichtlichen Zusammenhängen aufweist: im Begriff der Schuld (daher wohl auch der Untertitel), im Geschichtskonzept, schließlich auch u.a. im Konzept des Geldes als eine der "phantom formations after the renaissance". Eines der Bücher, wo nach dem Blick ins Inhaltsverzeichnis noch nicht klar ist, für welchen Zweck man die vertretenen Erkenntnisse selbst vielleicht brauchen könnte, die aber untergründig am eigenen Verständnis der Welt mitwirken. Kulturtheorie im besten Sinne also.

19 März 2006

Lustiges Zitateraten

Es ging mir erst kürzlich auf, dass Google Scholar's Spruch "Stand on the shoulders of giants" ein Newton-Zitat ist, aus dem Vorwort der Principia Mathematica. Ebenso dauerte es eine Weile, bis ich im Titel des interessanten Blogs Crooked Timber das Kant-Zitat vom krummen Holz -- das sich übrigens jetzt nicht finden ließ auf der Werk-CD-ROM -- erkannte. Solche Erlebnisse kann man auch im Kino haben, bei Derek Jarmans Wittgenstein-Film z.B., wo sich manches Bild als bildliche Umsetzung eines markigen Spruches erklärt, wenn Wittgenstein einen Balken hobelt z.B.

Auf Crooked Timber stieß ich bei der Suche nach dem Autor von Elements of mentality (EWC Pres 2003), das Buch hat sogar eine eigene Webseite. Die Suche wurde nötig, weil sich dem Autornamen nicht trauen lässt: da steht "David Hume". Kieran Healy vermutet in seinem Blog -- aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen -- dass der Autor des Buches Sid Barnett sei. Wer ist der?

17 März 2006

Kompliment an die deutsche Sprache

Alan Badiou leitet die Übersetzung seines L'être et l'événement (1988, Das Sein und das Ereignis, Berlin : diaphanes, 2005) mit einem schönen Kompliment für das Deutsche ein:
Jeder Philosoph träumt davon, ob er es sich eingesteht oder nicht, dass seine Bücher in die deutsche Sprache übersetzt werden. Denn er weiß, wie viel die Philosophie von Leibniz bis Adorno dieser Sprache und diesem Land verdankt. Abgesehen vom Altgriechischen (doch man übersetzt heute keine Bücher mehr ins Altgriechische...) hat keine Sprache die Geschichte der philosophischen Begriffe so stark geprägt wie das Deutsche. Dieser eindruck verstärkt sich noch bei einem Buch der "fundamentalen" Philosophie. Denn es handelt sch nicht um einen polemischen essay oder einen modischen Versuch politisch-historischer Philosophie im Stile von Bernard-Henri Lévy oder Peter Sloterdijk, sondern um eine langsame, technische, tiefe Betrachtung über das Sein, über das Eins, über die wahrheiten, über das Subjekt... Es ist eine Form der Meditation, mit der die deutsche Philosophie seit ihren Ursprüngen vertraut ist. Die Worte selbst scheinen im Deutschen mehr gewicht zu besitzen als im Französischen. Sagen Sie L'être et l'événement, so fließen die Worte, ohne besondere Aufmerksamkeit zu erregen. Sagen Sie jedoch Das Sein und das Ereignis, dann erheben sch die Geister Hegels, Nietzsches und Heideggers, die Sie in den geschichtlichen Bewahrer eines wesentlichen Sagens verwandeln.
Da wird die deutsche Sprache ganz rot...

16 März 2006

Nietzsche aus Korea

Im mir bis dato unbekannten Abera-Verlag ist ein Buch über Nietzsche erschienen, das mir eher ungewöhnlich erscheint: Nietzsche : Rüttler an hundertjähriger Philosophietradition, hg. von Kim Sang-Hwan, ist eine Sammlung koreanischer Aufsätze, anlässlich der letzten Buchmesse komplett übersetzt. Es scheint eine emphatische Nietzsche-Rezeption in Korea zu geben. Die ist aber nicht miteinander im Gespräch, wenn man den Fußnoten traut, sondern ausschließlich mit westeuropäischer Literatur. Als wenn ein Echo zurück nach Deutschland schallt, dessen Ursprung schon lang verstummt ist. Ob das Echo hier am Gespräch teilnehmen kann?

Philosophische Dekadenz

Wikipedia erklärt den Begriff Dekadenz so:
Dekadenz (v. frz.: décadence; <>de- ab, cadere fallen) meint einen kulturellen Niedergang mit typischen Entartungserscheinungen in Lebensgewohnheiten und -ansprüchen ("Verlust der guten Sitten"). Der Begriff setzt voraus, dass ein besserer Zustand sich in einen schlechteren verkehrt hat.

James Brusseau beginnt sein Buch Decadence of the french Nietzsche mit einer Erläuterung der philosophischen Dekadenz:
Decadence in philosophy is truths dedicated to the intensification of thought. For decadents the best truths don't describe experience accurately, they incite the most subsequent thinking. This doesn't imply wanting truths that are wrong but it does mean right and wrong lose relevance because every philosophic conclusion is valued purely in terms of its ability to generate more philosophizing.
Das beschriebene Phänomen kommt mir bekannt vor. Die Attribuierung kommt von außen und ist kritisch, das hat den Ruch des Ungerechten: insbesondere wenn die "dekadent" genannten Philosophen in ihren Werken die Wirksamkeit von Kategorien wie "wahr" und "falsch" ablehnen. Ist philosophische Dekadenz ein "Verfall der guten Sitten" -- oder bloß intellektuelle Selbstbefriedigung?

Das Gesetz als Rechenprogramm

Mspro hat in seinem Blog TIEF am 1. März die Vorgehensweise von Juristen beim 'Lösen' eines Falls mit dem Vorgehen eines Rechners beim Abarbeiten eines Programms verglichen. Und meint, dass die Rechtsprechung nicht Computern überlassen werden kann, weil es uneindeutige Fälle gibt.

Dazu zwei Überlegungen:
1. Dem könnte man ja durch eine Vereinfachung des Rechts begegnen -- oder muss es etwa unentscheidbare Fälle geben, damit das Recht bestimmten Standards genügt? Bernard Williams schrieb in einem Aufsatz zum Problem Moralischer Dilemmata, dass ein moralisches Dilemma auf die Fehlerhaftigkeit / Inkonsistenz der zugrundeliegenden Regeln und Werte hindeute. Das gilt sicher auch für den viel stärker kodierbaren Bereich des Rechts.

2. Wenn das Recht vollständig berechenbar / entscheidbar wäre, sich also als Turing-Maschine begreifen ließe, dann könnte man doch auch den mit der Entscheidung befassten als Handelnden im Chinesischen Zimmer (nach dem Gedankenexperiment von Searle) betrachten. Hieße das, dass ein Jurist das Recht nicht verstehen muss, um Jurist sein zu können? Und warum ist das eine unbehagliche Vorstellung?

Mspro tendiert in die andere Richtung: jeder Fall sei einzigartig, Richter befänden sich jederzeit außerhalb des "berechenbaren" Rechtsbereichs. Ich finde allerdings das Barbier-Beispiel nicht so glücklich; es zeigt vor allem die Unvollständigkeit der Zweiwertigen Logik. Mehrwertige Logiken mit Wahrheitswerten wie "unentscheidbar" würden des Problems schon Herr werden; vermutlich lässt sich denen auch ein funktionierendes Programm abgewinnen. Es käme also darauf an, wie das Programm bzw. das Recht beschaffen ist.

15 März 2006

Richard Swinburne und Daniel Dennett streiten sich

darüber, wie Philosophie mit Religion umgehen sollte. Dennett hat ein neues Buch geschrieben, Breaking the spell, in dem er Religion als "natürliches Phänomen" betrachten möchte. Dennett schießt öfter ein wenig schnell aus der Hüfte, aber dafür hat er Humor: meine Erwartungen sind also gemischt... Der oben verlinkte Briefwechsel, aus den Webseiten des Magazins Prospect, ist jedenfalls der Lektüre wert.

14 März 2006

Regeln für Medizinische Experimente mit Menschen

Ein Aufsatzband Belmont revisited, herausgegeben von James F. Childress und anderen, widmet sich den "ethical principles for research with human subjects" (Untertitel). Der Titel verdankt sich dem Belmont Report, ein sehr gutes Beispiel praktischer Ethik: verfasst von der eigens dazu ins Leben gerufenen National Commission for the Protection of Human Subjects of Biomedical and Behavioral Research der USA und bereits 1978 veröffentlicht; der Text ist hier online zugänglich.

"Ethische Gewalt"

Judith Butler, vielen bekannt als die Verfasserin von "Gender Trouble", ist eine der amerikanischen Denkerinnen, die das "kontinentale" Erbe pflegen. 2002 hielt sie die Spinoza Lectures an der Universität Amsterdam, die wenig später dort und dann bei Suhrkamp 2003 unter dem Titel Kritik der Ethischen Gewalt erschienen. Gegenüber diesen beiden Ausgaben ist die jetzt erschienene amerikanische Ausgabe Giving an Account of Oneself (New York : Fordham University Press, 2005) umfangreicher, und sie hat außerdem ein paar schöne Kafka-Zeichnungen auf dem Umschlag. Die weisen darauf hin, dass Butler Kafka als Beispiel verwendet, insbesondere die Erzählung Das Urteil, um zu illustrieren, was sie unter "ethischer Gewalt" versteht. Ein Aspekt ist der Zwang zur Kohärenz, den andere über uns ausüben; auf das Konzept "Selbst" bezogen: der Zwang, stets derselbe zu sein. Bin mir allerdings nicht sicher, ob das etwas negatives ist...

13 März 2006

Was ist ein Bedürfnis?

Aus philosophischer Sicht widmet sich der Frage der von Soran Reader herausgegebene Supplementband Nr. 57 zu Philosophy The Philosophy of Need. Darin Beiträge zur Ethik, zur politischen Philosophie (Güter verteilen), zur Geschichte der Philosophie des Bedürfnisses, Aristoteles im Besonderen. Unter anderen: David Wiggins skizziert das Konzept als solches; Sabina Alkire (Global Equity Initiative) untersucht den Zusammenhang von Bedürfnissen und Fähigkeiten, Garrett Thomson scheint fundamentale und weniger tiefgehende Bedürfnisse voneinander unterscheiden zu wollen.

12 März 2006

Moralisch falsch, doch richtig?

"Kann moralisch falsches Handeln richtig sein?" fragt Carsten Lenz in der gleichnamigen Arbeit (Stuttgart : ibidem, 2005) und diskutiert die Argumente dafür. Die Antwort dürfte kaum überraschen: Das hängt davon ab, was man unter Moral versteht. Diese Art von Antwort liegt auf der Hand, schließlich mögen andere etwas für moralisch halten, was mir gleichgültig ist. Insgesamt gibt es darum weder ein überzeugendes Argument dafür noch eins dagegen; allerdings vermute ich, dass dies nur solange gilt, solange sich eben die Diskutanten uneins über den moralischen Charakter einer Handlung sind.

06 März 2006

Über Creative Commons-Lizenzen ...

ist im neuen Open Source-Jahrbuch ein bedenkenswerter Artikel. Ist wohl sinnvoll, noch einmal drüber nachzudenken, ob die "non commercial use"-Option wirklich im Sinne des Benutzers ist.

04 März 2006

Über Giordano Bruno, die Urzelle, und große Denker

Am 27.1. hatte ich mich über ein Buch aus dem Ancient Mail-Verlag lustig gemacht. Zu meinem Erstaunen wurde das mein bisher erfolgreichstes Posting, misst man den Erfolg an der Zahl der Kommentare. Das Buch heißt Giordano Bruno und die okkulte Philosophie der Renaissance, der Verfasser ist Nicolas Benzin, der Präsident der Giordano Bruno-Gesellschaft. Das Vorwort stammt von Dieter Vogl, der mit Benzin schon zusammen publiziert hat, und Vogl hat als erster auf mein Posting reagiert. Den Gehalt dieses Kommentars fasse ich sicher richtig zusammenfasse, wenn ich schreibe, dass er das Posting für eine „unsachliche und argumentationslose Schmähschrift“ hält. Darauf komme ich am Schluss noch einmal zurück. Jetzt möchte ich erst einmal das liefern, was Vogl vermisst hat: ich entfalte die impliziten Gedanken etwas ausführlicher. Achtung: Das ist ein langes Posting, und es richtet sich in erster Linie an die Kommentatoren, an Vogl, O.M. und Anonymus.


"JEDER OBJEKTIV ARBEITENDE FORSCHER"

Nun zunächst einmal zu Benzins Buch. Vogl schreibt dort gleich auf der ersten Seite, dass Brunos Gedankenwelt „überhaupt nicht im Einklang mit seiner Zeit stand“. Das müsse „jeder objektiv arbeitende Forscher“ „sehr schnell zugeben“. Ich zitiere noch einmal:

Und, was bislang nicht zu erklären ist, dass diese auf einem teleologischen, ästhetischen Pantheismus basierenden Gedanken eigentlich aus dem Hier und Heute stammen könnten. Insbesondere dann keimt diese Vermutung immer wieder auf, wenn man berücksichtigt, dass Bruno über Sachverhalte schreibt, die er gar nicht gekannt haben kann und insofern auch nicht in seine Überlegungen einbezogen haben dürfte.

Das hatte mich neugierig gemacht: Was heißt das? Welche Gedanken genau sind es? Worin unterscheiden Sie sich von denen der Zeitgenossen? Natürlich schreibt auch Vogl darüber noch etwas mehr, aber den vollen Hintergrund darf man wohl im Haupttext von Benzin erwarten.

Nun macht es mich misstrauisch, wenn jemand schreibt, dass „jeder objektiv arbeitende Forscher“ dies oder jenes zugeben wird. In so einer Aussage schwingt zweierlei mit: erstens der Appell zur Zustimmung zu den vertretenen Thesen, weil man andernfalls kein solcher Forscher ist (meint Vogl), zweitens kann ich als (bislang) Ahnungsloser erraten, dass der sensus communis der Forscher in eine andere Richtung geht.

Also: worüber?


Das Argument von der Ansteckungstheorie

Eine erste Ahnung bekommt man auf S. 31. Dort schreibt Benzin über den Arzt Girolamo Fracastoro (1478-1553); sein Wissen über ihn stammt – nach den Anmerkungen zu schließen – fast ausschließlich aus Karl Sudhoffs Kurzes Handbuch der Geschichte der Medizin; eine Primärquelle jedenfalls wird gar nicht zitiert. Fracastoro habe, so Benzin nach Sudhoff, als erster „eine zusammenhängende Darstellung der Infektionskrankheiten verfasst“ und dabei die Begriffe „Infektionsträger“ und „Infektionskeim“ eingeführt. Die Forschung führe das auf die antike atomistische Lehre zurück. Benzin meint dazu, das sei „möglicherweise die richtige Spur“, aber Lukrez’ Atome bildeten zusammen ein „totes“ Universum (S. 31-32):

Nichts weist auf die für die Verbreitung von Krankheiten verantwortlichen Mikroorganismen hin. Dahingegen entspricht das Universum des Giordano Bruno exakt den Voraussetzungen für eine Welt voll von Mikroorganismen. Alle lebendigen Organismen im biologischen Sinne sind seiner Meinung nach aus „Monaden“ aufgebaut, was wir heute als Ur- oder Stammzelle deuten können. Er unterscheidet sehr genau zwischen den verschiedenen Atomvorstellungen der Antike, wenn auch Epikur und Lukrez zu seinen Quellen gehören. Fracastoro als auch Bruno müssen noch andere gemeinsame Quellen für ihre Vorstellung von lebendigen Mikroorganismen gehabt haben.

(Es ist mir unklar, ob hier Bruno oder Fracastoro „sehr genau“ unterscheiden, aber es ist auch nicht von Belang.) Die entscheidende Feststellung ist in der zitierten Passage, dass Bruno und Fracastoro eine Vorstellung „von lebendigen Mikroorganismen“ gehabt hätten.

Benzins Argument scheint zu sein:

1. Prämisse: Ansteckungskrankheiten verbreiten sich durch Mikroorganismen. (Heutiges Wissen)

2. Prämisse Fracastoro hat das Prinzip der Ansteckungskrankheiten beschrieben. (Damalige Leistung)

Schlussfolgerung: Fracastoro ging bei seiner Beschreibung der Ansteckungskrankheiten von Mikroorganismen aus.

Zwar gibt es für diese gefolgerte These keinen weiteren historischen Beleg, wie Benzin weiß, wenn er einräumt, dass die atomistische Lehre „die richtige Spur“ sein könnte. Aber natürlich ist der Gedanke zulässig, dass Fracastoros Werk selbst der historische Beleg ist. Benzin meint außerdem noch ein anderes Indiz in der Hand zu haben, nämlich Brunos Monaden-Lehre. Er scheint nicht behaupten zu wollen, dass Bruno Fracastoros Werk gekannt habe oder umgekehrt; er postuliert darum „andere gemeinsame Quellen“. Quellen, aus denen dann diese neue Vorstellung bei beiden plausibel zu erklären wäre.


WARUM DAS ARGUMENT NICHT SCHLÜSSIG IST

Das Argument hinkt an mehreren Stellen. In der von mir oben dargestellten Form sieht man sofort, dass die Schlussfolgerung nicht aus den Prämissen folgt. Das bedeutet nicht notwendigerweise, dass sie falsch ist, es heißt erst einmal nur, dass die Prämissen sie nicht hinreichend stützen. Ich denke allerdings, dass sie falsch ist.

Dafür habe ich zwei Gründe.

  1. macht diese These Fracastoros Theorie ohne Not komplexer, als sie sein muss. Die Vorstellung von Ansteckung funktioniert auch, und gut, ohne Mikroorganismen. Diese Vorstellung verlangt schließlich nichts weiter, als dass es möglich ist, dass kleinste Teilchen krank machen, und dass es ebenso möglich ist, dass diese kleinsten Teilchen von den Kranken weitergegeben werden. Dass diese kleinsten Teilchen belebt seien, ist für die Theorie unnötig. Der methodische Punkt, den ich hier in Anschlag bringe, ist Occams Rasiermesser: auch die Entitäten einer Theorie sind nicht ohne Not zu vermehren.
  2. ist die Vorstellung von Mikroorganismen (im heutigen Sinne) für die Zeit eine ganz fremde Idee. Man kann das natürlich, wie Benzin, dadurch auflösen, dass man einfach annimmt, Fracastoro habe dieses Fremde genialerweise gedacht, und ich verstehe, dass es gerade dieser Punkt ist, der den Gedanken für Benzin (und Vogl) attraktiv macht: Die Ansteckung durch Mikroorganismen ist unsere heutige Theorie. Der Unterschied zwischen den Theorien belebter und unbelebter Ansteckung ist sozusagen der zwischen wahr und falsch. Aber auch wenn Fracastoros Theorie aus heutiger Kenntnis falsch ist, ist sie doch bedeutend besser als das, was seine Arztkollegen gedacht haben. Es ist auch so eine großartige Leistung.

Ich habe hier erst einmal übergangen, dass Benzin die von ihm gesehene Ähnlichkeit zu Brunos Vorstellungen als weiteres Indiz sieht. Nun also dazu. Wie steht es mit Brunos Monaden-Lehre? Inwiefern hat diese mit der Vorstellung eines belebten Universums oder mit Mikroorganismen zu tun?


Brunos Monaden-Lehre und biologische Metaphorik

Im Abschnitt über Bruno in Oxford geht Benzin näher darauf ein. Bruno habe „das alte, verschüttete, wahre Wissen über das Lebendige und die Geheimnisse des Kosmos wieder an das Licht des hellen Tages“ treten lassen wollen. Dass es sich bei diesem alten, verschütteten und wahren Wissen um hermetisches und kabbalistisches Gedankengut handle, hat Benzin vorher vertreten, indem er nachzuweisen sucht, dass Bruno auf seiner Lebensreise Zugang zu hermetischen und kabbalistischen Quellen gesucht und gefunden hat. Benzins Argument (S. 52-53):

Was die fortschrittlichen Gelehrten seiner Zeit durch eigene Forschung vielleicht erahnen und was wir noch heute erst (wieder-)entdecken, das war einst bereits einer kleinen Gruppe von Eingeweihten bekannt. Offenbarungswissen – offenbart, aber durch wen? Die Überlieferungen haben sich in der alchimistisch-hermetisch-kabbalistischen Tradition bis in Brunos Zeit erhalten. [...] Doch kann man wirklich davon ausgehen, dass die Verfasser [solcher Texte] die reine Lehre für jedermann anwendbar präsentieren? Man bedenke die Zeitumstände, in denen solche Texte fixiert werden! Nein, da wird verschleiert. Zeitgenössische Allgemeinbegriffe werden verwendet, die aber eine ganz andere Bedeutung haben, als es sich die Zeitgenossen vorstellen können. So wirken die Schriften harmlos. Heutige Interpreten finden dann natürlich nur Zahlenmuster und mathematische Figuren. [...] Doch wer fragt einmal: Was haben die Autoren vergangener Zeiten mit ihren kryptischen Schriften eigentlich im Sinn gehabt? An wen richten sie sich? Nur alles Zahlenspielerei und krause „Emblematik“, sinnbildliche Darstellung? Sinnbilder für was?

Ich stimme zu, dass die Hermetiker verschleiert haben, und dass sie dabei ein Bedeutungsspiel in Gang gesetzt haben, dass für ihre unbeleckten Zeitgenossen nicht zu durchschauen war. Der Prozess wird gemeinhin „Semiose“ genannt. Das bezeichnet den Vorgang, wenn etwas als Zeichen für etwas anderes benutzt wird. So ist, ganz banal, die Schrift hier ein Zeichen für die damit verbundenen Gedanken. Damit wäre die Semiose der Schrift aber auch schon am Ende. (Bitte, Leser, lassen wir Derrida etc. außen vor.) Für die Hermetiker und das von ihnen in Gang gesetzte Bedeutungsspiel aber war die Semiose potentiell unendlich, da und indem immer neue Bedeutungen hinter den angeführten auftauchen und möglich sind. Umberto Eco hat dies eindrücklich nachgezeichnet, und Benzin scheint um eine solche Möglichkeit zu wissen (S. 47), wenn er „am Rande“ bemerkt, dass in der Alchemie dies oder jenes „je nach dem Kontext, etwas ganz anderes“ bedeute.

Ich stimme Benzin zu, dass aus der Tatsache, dass wir nicht unbedingt wissen, was die damals gemeint haben, nicht folgt, dass sie einfach nichts gemeint hätten. Aber umgekehrt folgt aus der plausiblen Annahme, dass die Hermetiker dachten, sie würden etwas Sinnvolles schreiben, nicht, dass sie tatsächlich etwas Sinnvolles geschrieben haben.



MONAS HIEROLYPHICA BEI JOHN DEE

Benzin nennt John Dee als einen Träger dieses verborgenen „Wissens“. Dee hat, so Benzin, 1563 ein Buch Monas hieroglyphica veröffentlicht: „Auf dem Titelbild des Dee-Buches befindet sich [...] die Monade aus dem Stab des Hermes Trismegistos. Das Buch soll mathematische, magische, kabbalistische und analogische Inhalte gehabt haben. Seltsam.“ Leider befindet Benzin hier „seltsam“ ohne weitere Begründung; ich kann nur vermuten, dass aus seiner Sicht das „Titelbild“ der Inhaltsangabe widerspricht. (Für die Inhaltsangabe verweist er auf die Dee-Biographie von Karl Kiesewetter, die von 1893 stammt; es scheint, als habe sich Benzin das Werk von Dee nicht selbst angesehen.) Benzin beschäftigt sich dann mit dem Titel „Monas hieroglyphica“ (das hatte ich im Ausschnitt auch schon im ursprünglichen Posting zitiert):

Wenn man Monas als den „Urgrund allen Seins“ übersetzt und hieroglyphisch mit „heiliges Zeichen darstellend“, die Abbildung mit uns heute geläufigen Symbolen vergleicht, dann kommen wir zu dem Schluss, dass es sich um eine Urzelle gehandelt haben muss. Somit liegt bereits 1564 ein Buch zur Zellbiologie vor. Eine gewagte Hypothese. Doch schauen wir uns an, was im Einzelnen von der Monas gesagt wird. Sie stellt unter anderem dar:
• ein heiliges Einheitszeichen,
• eine universelle Einheit natürlichen und göttlichen Wissens,
• ein alchimistisches Gefäß, in dem die Transmutation abläuft,
• einen Speicher, in dem sich die ganze Vielfalt des Universums verdichtet,
• sie ist für Zeugung und Tod des Lebewesens verantwortlich.
Wie anders würde man die Funktionen einer Urzelle beschreiben, wenn einem die modernen biologischen Bezeichnungen nicht geläufig wären?
Eine Zelle ist der kleinste eigenständig lebensfähige Organismus und alle höheren Lebewesen sind Mehrzeller, bauen ihre Körperstruktur aus Zellen auf. Die Zelle muss daher zu Recht als Grundeinheit, als Einheitszeichen allen Lebens bezeichnet werden. Biologen, wie der Nobelpreisträger und Mit-Entdecker der Struktur der DNS-Doppelhelix, Francis Crick, gehen davon aus, dass die Struktur der DNS im ganzen Universum identisch ist. Die DNS ist in jeder Zelle im weiteren Sinne Träger der Erbinformation. Eine universelle Einheit also. Und natürlich laufen in einer Zelle eventuell auch Vorgänge ab, die zu einer Mutation, einer Umwandlung der gewöhnlich vorhandenen Strukturen führen. Und dies beruht auf biochemischen Vorgängen innerhalb der abgegrenzten Einheit der Zelle. Nichts anderes als ein alchimistisches Gefäß, in dem eine Transmutation ablaufen kann. Wenn am Anfang der Schöpfung eine Urzelle mit dem universellen Code der DNS gestanden hat, dann sind aus ihr alle Lebensformen des Universums hervorgegangen. Die Zelle stellt so den Speicher dar, in dem sich auf geringstem Raum die ganze spätere (biologische) Vielfalt des Universums verdichtet. [...] Wenn Dr. Michael Kuper feststellt, dass viele Gelehrte aus John Dees Epoche und auch in unserer Zeit das Buch „Monas hieroglyphica“ aufgrund seines rätselhaften Charakters für „schlicht nicht verstehbar“ halten, dann können wir uns denken warum. Niemand würde auf die Idee kommen, ein 441 Jahre altes Buch mit den Erkenntnissen unserer Zeit zu interpretieren. Erst wenn man den Schlüssel „Genetisches Wissen in Altertum, Mittelalter und früher Neuzeit“ auf die alten Texte anwendet, dann beginnen sie ihre Erkenntnisse zu offenbaren. [...] Sollen wir denn glauben, dass die größten Wissenschaftler ihrer Zeit nur Unsinn und „nicht verstehbare“ Bücher verfasst hätten? Das wäre nicht nur Zeitverschwendung, sondern ziemlich teuer, wenn man an die damals zuzuschießenden Druckkosten denkt.

Ich bitte um Entschuldigung für dieses lange Zitat. Ich vermute, dass diejenigen, die gegen mein erstes Posting zum Thema protestiert haben, es für eine glänzend geschriebene Darstellung halten. Aber auch hier kann ich nur große Fragezeichen an den Rand malen.


DAS FRAGWÜRDIGE DRUCKKOSTEN-ARGUMENT

Aus der Tatsache, dass etwas gedruckt wurde, folgt nicht, dass es ein sinnvolles Werk ist (nach heutiger Erkenntnis). Auch wenn der Druck teuer war. Es lassen sich viele andere Gründe für den Druck denken. Z.B. könnte sich der Verleger einen Gewinn erwartet haben. (Gutenbergs Bibel etwa war für damalige Verhältnisse ein immens teures Werk in der Investition, aber dachte eben, dass es sich rechnen würde.) Oder diejenigen, die die Druckkosten übernommen haben, haben das Werk für sinnvoll gehalten. Man denke nur an die so zahlreichen Bücher zu Magie und Zauberei. Zwar scheint auch schon früher keiner der Zaubersprüche funktioniert zu haben; trotzdem wurden solche Bücher gedruckt.


BIOLOGIE UND ALCHEMIE -- DAS FRAGWÜRDIGE ARGUMENT AUS DEM VERGLEICH

Natürlich kann und darf man zwei Konzepte, ein altes und ein neues, nebeneinanderstellen und finden, dass sie ähnlich sind. Aber es gibt dabei zwei kritische Punkte. Erstens: Wurden die Konzepte richtig dargestellt? Zweitens: Was sagt diese Ähnlichkeit – wenn sie denn vorhanden ist – dann aus?

Ad Zweitens: Benzin scheint sagen zu wollen: die Ähnlichkeit bedeutet, dass Dee bereits etwas über Zellen (im Sinne der heutigen Biologie) wusste. Ich denke, dass diese Folgerung durch Benzins Argumente nicht gestützt wird. Als analoges Beispiel möge die atomistische Lehre Leukipps dienen. Auch da könnte man mit Benzins Methodik zu dem Schluss kommen, dass Leukipp schon von Atomen (im heutigen Sinne) wusste. Aber das tat er natürlich nicht. Begriffe und Konzepte wie Zelle und Atom funktionieren nicht isoliert, sondern in einem theoretischen, begrifflichen Rahmen. (Entschuldigung für diesen Grundkurs Wissenschaftstheorie.) Dieser begriffliche Rahmen ist für das Konzept „Atom“ die moderne Physik und Chemie (inklusive Quantenphysik, Relativitätstheorie, Thermodynamik etc.). Dass wir heute immer noch den Begriff „Atom“ benutzen, hat natürlich mit der antiken Theorie zu tun. Aber das ist in erster Linie eine kausale Verknüpfung, keine inhaltliche. Ganz analog zu diesem Beispiel denke ich, dass die Rede von Genetik, Zelle usw., wenn man über Dees und Brunos Texte spricht, irreführend ist. Denn die Begriffe sind an den theoretischen Rahmen der modernen Biologie gebunden. Auch wenn Dee über so etwas ähnliches wie eine Zelle (im modernen Sinne) nachgedacht haben sollte, dann bedeutet das nicht mehr als die atomistische Lehre Leukipps und Demokrits im Vergleich zur Atomphysik heute.

Ad erstens: Aber ich bin auch im Zweifel, ob Benzin den Vergleich zwischen Zelle und „Monas“ richtig zieht:

  • a) So würde ein Biologe ganz sicher nicht eine Zelle als „Zeichen“ bezeichnen. Eine „Grundeinheit“ und ein „Einheitszeichen“ sind (grund)verschiedenen Dinge. Ein Beispiel: Ein Ziegelstein könnte als die „Grundeinheit“ eines bestimmten Typs von Bauwerk aufgefasst werden. Aber er ist kein „Einheitszeichen“ für dieses Bauwerk oder für Bauwerke überhaupt.
  • b) Die Feststellung, dass „Biologen“, ja sogar Nobelpreisträger „davon ausgehen“, dass die „Struktur der DNS im ganzen Universum identisch ist“, ist im fraglichen Zusammenhang ziemlich nichtssagend. Ich gehe auch davon aus. Ich gehe auch davon aus, dass die Struktur von Wasser im ganzen Universum identisch ist. Das hat mit der Bedeutung des Wortes „Wasser“ zu tun; analog: „DNS“ bezeichnet einfach eine bestimmte chemische Struktur. Ich vermute, dass Benzin meint, Biologen gingen davon aus, dass die Struktur der Weitergabe von Erbinformation im ganzen Universum ähnlich ist („identisch“ ist ein zu starkes Wort). Aber das glaube ich nicht: ich glaube nicht, dass Biologen das denken, und ich glaube nicht, dass es sich so verhält. Sicher sind leicht andere Wege denkbar, Erbinformation weiterzugeben.
  • c) Benzin schreibt von einer Urzelle am Beginn der Schöpfung, mit dem universellen Code der DNS, aus der alle Lebewesen hervorgegangen seien, die Zelle „stellt so den Speicher dar, auf dem sich die ganze biologische Vielfalt des späteren Universums verdichtet“. Das ist etwa so, als würde man sagen, dass das Alphabet den „Speicher“ „darstellt“, in dem sich die ganze Vielfalt der Literatur des Universums „verdichtet“. Wer das für eine sinnvolle Feststellung hält, der wird auch mit Benzins Formulierung zufrieden sein, ich bin es nicht.
  • d) Zellen mutieren, und Alchimisten führen Transmutationen durch. Ich kenne den Begriff der „Transmutation“ im alchimistischen Sinne nicht, aber es kommt mir trotzdem schräg vor, das auf Zellen anzuwenden. Zellmutationen sind statistisch beschreibbar, alchimistische Transmutationen auch? Das sind zwei verschiedene Theorie-Rahmen (s.o.), die sich nicht ohne Verbiegungen aufeinander abbilden lassen.


Benzins textkritische Argumentation

Natürlich schreibt Benzin noch mehr. Ich möchte noch auf eine für mich bezeichnende Stelle eingehen. Auf S. 69 kommt er auf das Wort „Golem“ zu sprechen. Adam werde in der Bibel als solcher bezeichnet, das Wort komme in der Bibel nur an einer einzigen Stelle vor, und zwar in Psalm 139,16:

Nimmt man eine der gängigen Bibel-Ausgaben zur Hand und schlägt die angegebene Stelle nach, so muss man zu dem Schluss kommen, dass hier von der All-Sichtigkeit und All-Gegenwärtigkeit Gottes die Rede zu sein scheint. Das wird dann übertitelt mit Worten wie „mein Schöpfer kennt mich durch und durch“. Aber die einzelnen Übersetzungen sind recht unterschiedlich. Ja gibt es denn nicht nur eine verbindliche Text-Überlieferung, wird man vielleicht fragen? Nein, zumindest nicht außerhalb des hebräischen Urtextes. Unsere Bibel-Übersetzer sind ja in der Regel Theologen der einzelnen Konfessionen. Und da heißt Übersetzung auch gleich theologische Interpretation –- ganz nach dem jeweiligen Glaubensverständnis. Diese Art der Textausdeutung führt natürlich zu schwerwiegenden Verfälschungen der eigentlichen Aussagen.

Dann zitiert Benzin Zürcher Bibel, Gute Nachricht, Luther-Bibel, Elberfelder Bibel. Benzin kommentiert. Ich gehe auf diesen Kommentar nicht im einzelnen ein, sondern nur zu der entscheidenden Stelle. Benzin zitiert die Elberfelder Übersetzung mit den Worten „Meinen Keim (eigentl.: Knäuel, ungeformte Masse) sahen deine Augen, und in dein Buch waren (oder: wurden) sie (d.h. die Gebeine) alle eingeschrieben.“ Benzin dazu weiter (S. 73):

Sollten wir hier nicht an eine Keimzelle denken? Aber die Elberfelder Übersetzer geben auch die eigentliche Übersetzung des Wortes Golem mit „Knäuel“ oder „ungeformte Masse“ an. Hebräische Wörter können durchaus mehrere Bedeutungen haben, polysemantisch sein. Und schlägt man ein modernes Biologie-Lehrbuch auf, so trifft das Wort „Golem“ mit seinen Übersetzungen „Keim“, „Knäuel“ und „ungeformte Masse“ genau die genetischen Tatsachen.

Nämlich: es gibt Keimzellen in der Biologie; unterm Mikroskop sehen Chromosomen wie Knäuel aus. Tja, würden Sie davon sagen, dass das „genau die genetischen Tatsachen“ trifft?

Aber zu dieser Art Gedankenfigur habe ich oben schon genug geschrieben; und wer davon nicht überzeugt ist, wird durch den erneuten Aufweis der Tatsache, dass hier eine oberflächliche Ähnlichkeit, die zudem von Benzin selbst hergestellt wird – denn er wählt die Begriffe aus, wenn er Chromosomen als „Knäuel“ beschreibt – als alleiniger Beleg zu genügen scheint, sich kaum eines andern belehren lassen. Darum möchte ich nur kurz auf die Methode eingehen.


HEBRÄISCHER URTEXT UND ÜBERSETZUNG

Benzin kritisiert die Übersetzungen; sie seien theologisch überformt. Er übersieht dabei mehreres:

  1. Es gibt keinen hebräischen „Urtext“. Die hebräischen Fassungen des alten Testaments, die uns überliefert sind, stammen aus dem frühen bis hohen Mittelalter. Ältere Textfragmente sind durch die Funde in Qumran und am toten Meer überliefert, die bis in die vorchristliche Zeit zurückreichen. Die älteste hebräische Überlieferung des gesamten Textes (das heißt hier: mit Psalmen), die wir heute haben, stammt aber aus dem Jahr 1009, der Kodex Petropolitanus. Angesichts der Tatsache, dass die Entstehungszeit der Texte auf weit vor Christus angesetzt wird, ist das ein gehöriger Abstand, und es ist mehr als naiv anzunehmen, dass die Texte seitdem keine weiteren Änderungen erfahren haben. Es ist zudem falsch, dass alle erhaltenen hebräischen Texte des alten Testaments buchstabengenau den gleichen Text enthielten. Man hat darum heute, bei der Frage, was ursprünglich im Text gestanden haben könnte, mehrere Überlieferungstraditionen zu berücksichtigen. Die lateinischen und griechischen Übersetzungen, die wir heute von Texten des alten Testaments haben (griechisch z.B. auch aus Qumran), sind zudem älter und beruhen auf älteren, heute verlorenen hebräischen Vorlagen. Man muss also abwägen und vergleichen: Verschiedene hebräische, jüngere Textfassungen, ältere lateinische und griechische Textfassungen, die aber eben Übersetzungen sind. Interpretationsfehler entstehen nicht nur beim Übersetzen, sondern auch beim Abschreiben, denn jemand, der abschreibt, hält sich bei etwas, dass er schlecht lesen kann oder nicht genau liest, an das, was ihm vertraut ist. (Dies kann man in jeder Einleitung in das Alte Testament nachlesen.)
  2. Lustig finde ich den Vorwurf der „theologischen Interpretation“ der Übersetzung im Vergleich zum „Urtext“. Denn natürlich beruht die Überlieferung – die immer religiös war – auch jüdischerseits auf „theologischer Interpretation“, das gilt ebenso für den Entstehungs- und Bearbeitungsprozess der Texte wie für die Überlieferungsgeschichte. Theologische Interessen sind von vornherein mit im Spiel, nicht erst bei Luther und heutigen Übersetzern.
  3. Benzin vergleicht vier deutsche Übersetzungen. Warum benutzt er nicht einen der guten textkritischen Kommentare, den die Theologen gleich welcher Konfession inzwischen hervorgebracht haben? Die Bibelübersetzungen sind für den Leser, die Kommentare sind für den Wissenschaftler. Viele Kommentare enthalten eigene Übersetzungen, die wörtlicher und auch grammatisch genauer sind als die Bibelübersetzungen für den Alltag. Und sie legen Rechenschaft darüber ab, warum diese oder jene Übersetzung gewählt wurde. Textkritische Überlegungen auf der Basis der deutschen Übersetzungen sind, gelinde gesagt, unzureichend.
  4. Hätte Benzin in einen Kommentar gesehen, dann hätte er festgestellt, dass Vers 16 der in der Forschung umstrittenste Vers des ganzen Psalms ist (was den Text angeht). Die Konjekturen (d.h. die Vermutungen, was dort gestanden haben könnte) übersteigen bei weitem die Varianten (d.h. die tatsächlich und voneinander abweichend vorliegenden Formulierungen in verschiedenen Überlieferungsträgern). Das Wort, das Benzin mit „Golem“ oder „Knäuel“ oder wie auch immer übersetzen möchte, kommt im Alten Testament, wie Benzin richtig bemerkt, an keiner anderen Stelle vor, es ist sonst vor allem aus der talmudischen Literatur bekannt. Weil das Wort im alten Testament an keiner anderen Stelle vorkommt, ist seine Bedeutung auch für den Fachmann (der ich nicht bin) schwer zu entscheiden. Natürlich kann die spätere Überlieferung darüber Aufschluss geben, wie es vielleicht gemeint gewesen war. Aber das heißt nicht, dass diese Interpretation dann sicher das ist, was sich die Verfasser des Textes ursprünglich dabei gedacht haben, und zwar aus mindestens zwei Gründen. 1. Der spätere Gebrauch des Wortes (und später meint hier eine Differenz von 1000 Jahren) kann sich gewandelt haben, 2. die uns überlieferten späteren Verwendungen könnten abgeleitet und metaphorisch sein. (Wenn man sich an das hält, was der historischen Vorstellungswelt im AT entspricht, und an die im Umkreis des Wortes im Psalm verwendete Bildwelt, dann ist eine Übersetzung wie „Embryo“ einigermaßen plausibel.)

Abschließendes

Herr Vogl findet, in seinem Kommentar, dass die Forscher zu Bruno „aus dem Bereich der universitären Philosophie der Lösung des Rätsels bereits“ nah „gekommen sind, aber im Ansatz stecken bleiben mussten“, und führt dazu eine Bemerkung von Elisabeth von Samsonow an (die auch die Übersetzung von De Monade... im Meiner-Verlag besorgt hat). Samsonow schreibt in ihrem Werk über „Bruno und die okkulte Philosophie der Renaissance“, zitiert Vogl nach Benzin, dass es in den drei Frankfurter Schriften Brunos „um eine Art elementare Geometrie, eine Art geometrischer Embryologie, die die Organisationsformen der Materie herleitbar machen soll“, gehe. Vogl fragt: „Benzin spricht von Zellbiologie und die Philosophen von geometrischer Embryologie. Wo [...] liegt da der Unterschied?“


"EINE ART GEOMETRISCHE EMBRYOLOGIE" VS. "ZELLBIOLOGIE"

Mir scheint der Unterschied ganz offensichtlich und eigentlich keiner Erläuterung bedürftig. Samsonow deutet mit ihrer Einleitungsformulierung „eine Art ...“ an, dass es sich in ihren Ausdrücken um Annäherungen handelt. Das ist etwas anderes, als zu schreiben, Bruno treibe Embryologie. Und Samsonow wählt Formulierungen, die auf Konzepten beruhen, die Bruno verfügbar waren. Was Embryos sind, wusste man schon längst. Die Geometrie zählt zu den seit der Antike gepflegten Künsten. Die verknüpfende Formulierung Samsonows „geometrische Embryologie“ ist darum historisch adäquat und zeigt zugleich, in welcher Weise Bruno Bekanntes zu Neuem zu verbinden sucht in seiner Überblendung verschiedener Wissensbereiche. Die Behauptung, Bruno betreibe „Zellbiologie“, tut dies nicht.


VOGL: BRUNO IST KEIN ZEITREISENDER

Nun noch ein paar unsachliche, weil persönliche Worte. Werter Herr Vogl, es liegt mir fern, Sie zu beleidigen. Meine Rede von der Zeitreise war ein Scherz: eine satirische Überspitzung. Ich erkläre hiermit, dass Sie, nach meiner bescheidenen Kenntnis, an keiner Stelle diese These vertreten, und auch Benzin nicht. Während die Idee von der Zeitreise immerhin eine – wenn auch fragwürdige – Theorie darüber wäre, wie Bruno nach ihrer Meinung zu „Wissen“ kommt, das er „gar nicht haben konnte“, weil es von dem seiner Zeit abweicht, bieten sie darüber allerdings gar keine Theorie an. Dass Sie und Benzin nahelegen, Bruno habe dieses „Wissen“ aus älteren Überlieferungen gehabt, erklärt nichts, denn es verschiebt das Problem zeitlich nur nach vorne.


GROSSE DENKER AUF DEN SCHEITERHAUFEN?

Dass Sie den „Disput lieben“, finde ich gut. Ich merke davon aber nichts. Sie tun nach Kräften das, was sie mir vorwerfen, nämlich ad hominem zu argumentieren, nicht ad rem. Das sei ihnen erlaubt, schließlich habe ich mir mit Ihnen auch einen Scherz erlaubt. Nur möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie in Ihrer Darstellung Ihre Opferrolle übertreiben. Wenn Sie gleich einleitend in ihren Kommentar feststellen, dass „schon Bruno“ sich mit Menschen herumschlagen musste, „die gegen seine Meinung waren und ständig unsachliche und argumentationslose Schmähschriften gegen diesen großen Denker verfassten. Als die nicht mehr fruchteten, wurde er gefoltert, inhaftiert und schließlich verbrannt.“ Sie stellen ganz richtig fest, dass man „uns nicht mehr verbrennen kann“, aber das verdeckt kaum die Implikation in ihrer Feststellung, dass man Sie trotzdem verbrennen wollte, wenn man könnte. Das ist lächerlich. Sie mögen sich verfolgt fühlen und nicht anerkannt von der akademischen Philosophie, das weiß ich nicht und kann es aus der Vehemenz Ihrer Antwort nur erahnen. All dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass ihre Situation der von Bruno überhaupt nicht ähnlich ist. Niemand bedroht Sie, niemand möchte Sie zwingen, ihre Meinung zu ändern, niemand möchte Sie zwingen zu schweigen. (Lustig finde ich, dass Sie nebenbei, durch dieselbe Analogisierung, sich und Benzin zu ‘großen Denkern’ erklären.)

Sie haben also schon „viele Artikel für bekannte Zeitschriften und sehr viele Bücher geschrieben!“ und zwar „weit, weit mehr“ als ich. Nie würden Sie jemanden beleidigen. Gut! Es freut mich, dass Sie so hehre moralische Prinzipien haben. Nun habe ich noch einmal nachgesehen, wo ich Sie denn beleidigt haben könnte.


BELEIDIGT?

Ich gebe zu, dass die Formulierung „Besserwisser“-Verlag abwertend ist. Wenn Sie diese stört, dann nehme ich sie zurück. Der sachliche Gehalt bleibt der gleiche: Der Ancient Mail-Verlag behauptet auf seiner Webseite, dass er Bücher anbietet, die einem sagen, wie die Geschichte wirklich verlaufen ist, und er behauptet implizit, dass Archäologen und Historiker „uns“ über den Lauf der Geschichte betrügen wollten. Für mich sind das Thesen, die der detaillierten Begründung bedürften. Können Sie dieser Darstellung zustimmen, oder ist das für Sie immer noch beleidigend?

Oh, ich schreibe, dass der Verlagsname mich misstrauisch macht. Tja, das ist so, das ist eine sachliche Feststellung über meine Gefühle beim Lesen des Verlagsnamens. Ist das für Sie beleidigend?

Über Benzin gebe ich das wieder, was aus Klappentext und Verlagshomepage hervorgeht. Daran kann ich nichts Beleidigendes erkennen. Ich schreibe, dass der „denkende Mensch“ nichts mit ihrer These anfangen kann von der Ahistorizität der Gedanken Brunos. Das impliziert natürlich, dass Sie und Benzin nicht denken. Ich glaube, Sie haben schon dafür gesorgt, dass wir da quitt sind, denn Sie richteten ja das schöne Bruno-Zitat über die „dummen Menschen“ an mich.

„Schon Bruno kannte die Eitelkeit der Philosophen“. Ich glaube, jetzt habe ich sogar noch einen gut. „Überheblichkeit und Eitelkeit“, also wirklich, Herr Vogl! Wo sind Ihre hehren moralischen Prinzipien („ad rem, ad rem“)? Ich entschuldige mich bei Ihnen, dass ich Sie dazu brachte, Sie zu vergessen!

03 März 2006

Ist Philosophie Wissenschaft?

Dazu äußerten sich der Konstanzer Philosoph Wolfgang Spohn und sein Berliner Kollege Holm Tetens (FU) auf dem 5. internationalen Kongress der Gesellschaft für Analytische Philosophie in Bielefled, 2003. Aber erst jetzt sind die Kongressakten erschienen (hg. von Christian Nimtz und Ansgar Beckermann, Paderborn: mentis, 2005). Spohns Überlegungen, die zum "ja" tendieren, sind auch als preprint (pdf) im Web; Tetens' leider nicht. Aber da seine drei Thesen in knackiger Kürze formuliert sind (S. 98) gebe ich sie hier wieder:
1. Die Philosophie zeichnet sich durch eine hochkontroverse Pluralität aus, es gibt in ihr kein verbindliches kanonisches Lehrbuchwissen.
2. Es gibt in der Philosophie streng genommen keine Arbeitsteilung, niemand kann für andere philosophieren.
3. Der professionelle akademische Philosoph ist in erster Linie und vor allem ein Lehrer für das Philosophieren.
Stimmt das? Tja, ich denke auch, dass sich die Philosophie durch "hochkontroverse Pluralität" auszeichnet, aber das heißt nicht, dass es nicht verbindliches Lehrbuchwissen gäbe -- nämlich aus der Geschichte der Philosophie. Ich denke, wer nicht ein bisschen was über Platon und Aristoteles, Descartes, Kant und Nietzsche weiß bzw. wer deren Texte nicht ein bisschen gelesen hat, kann nicht ernsthaft mitreden. Vorbildung ist schon eine Bedingung für's Geschäft. Die Kenntnis anderer philosophischer Texte ist dann eher schulenabhängig, und in die großen Alten aus dem Mittelalter und der Neuzeit vertiefen sich wohl in erster Linie die Philosophiehistoriker. Dass Philosophiegeschichte eine Wissenschaft sei, kann man wohlgemut behaupten, schließlich unterliegt sie den gleichen Standards von Wissenschaftlichkeit wie die historisch-philologische Forschung sonst auch.
Warum gibt es in der Philosophie keine Arbeitsteilung? Ich denke, das stimmt auch nicht. Richtig ist, natürlich, dass die Konzentration auf die großen und weniger großen genialen Gestalten der Philosophiegeschichte und Gegenwart zu einem stark an Persönlichkeiten gebundenen Blick auf die Philosophie führt. Und wenn Persönlichkeit das Philosophieren ausmacht, dann kann wirklich niemand "für den anderen" philosophieren. Aber Philosophiegeschichte lässt sich auch als (Erkenntnisfortschritt und) Diskursgeschichte schreiben, oder als Entwicklung von Positionen, und in dieser Sicht ist die Person des Philosophen unerheblich. Tetens' Genieposition hat eine positive und eine negative Seite für all diejenigen, die philosophieren: die positive ist, dass die Beschäftigung mit dem Kleinklein der Alltagsprobleme (Lösen von Gettier-Beispielen auf dem Weg zum Wissensbegriff etwa) keine notwenige Bedingung für den großen philosophischen Wurf ist. Die negative ist die, dass der große philosophische Wurf von großen Philosophen kommt -- und wer möchte schon von sich sagen, dass er einer ist?
Professionelle Philosophen sind Lehrer fürs Philosophieren? Dann bräuchten sie ja keine Bücher und Aufsätze mehr zu schreiben. Ich denke, dass Philosophen zum Erkenntnisfortschritt in ihren Interessensgebieten beitragen wollen. Und Philosophieren ist. Erkenntnisfortschritt suchen. Wenn der nur individuell ist, ist das zu wenig.