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28 Januar 2007

Verdiente Gnade?

Gerade denkt die politische Welt, unter anderem, über das Gnadengesuch des RAF-Terroristen Christian Klar nach, der seit 24 Jahren im Gefängnis sitzt (hier ein Artikel bei Spiegel Online, in dem auch die Äußerungen zu lesen sind, auf die ich Bezug nehme). Dazu möchte ich gar nichts sagen, aber zu den Äußerungen, die zur Begründung für pro und contra angeführt werden. Klaus Kinkel wird z.B. zitiert mit der These, 24 Jahre seien genug, Klar müsse die Chance zur Rückkehr in die Gesellschaft haben (Klar war zu einer Mindesthaft von 26 Jahren verurteilt worden). Genug wofür? Machen diese letzten beiden Jahre in dieser Hinsicht wirklich einen Unterschied?
Volker Kauder wird als einer der härtesten Gegner einer Begnadigung zitiert mit der Äußerung, es dürfe keine Gnade geben für diejenigen, "die gnadenlos Ehefrauen die Männer und Kindern die Väter weggemordet haben mit dem Ziel, unsere Demokratie zu zerstören". Außerdem findet er: "Gnade darf es für terroristische Verbrecher nicht geben, die sich in keinster Weise an der Aufklärung der erbarmungslosen RAF-Verbrechen beteiligt haben". Interessante Kriterien, finde ich. Folgt daraus, dass Kauder sich für Gnade erwärmen könnte, wenn die Terroristen sich nur Opfer ausgesucht hätten, die keine engeren Angehörigen haben? Warum lässt er hier weg, dass der Verlust des Lebens der Opfer selbst ein großes Übel war? Mir scheint, dass Kauder hier auf die Gefühle der Angehörigen schielt, deren Beifall er sich erhofft: sie bezieht er mit ein, und ihretwegen will er keine Gnade. -- Dass die Beteiligung an der Aufklärung da ins Gewicht fallen soll, will mir auch nicht einleuchten: was ist denn schon die Verweigerung der Verbrechensaufklärung gegen die Untat selbst?
Hans-Ludwig Zachert, Ex-BKA-Präsident, wird zitiert mit der Äußerung, Klar habe "keine Gnade verdient", weil er keine Reue empfinde.
Kann man sich Gnade verdienen? Ich denke nicht; denn die Idee des Verdienstes ist genau das Gegenteil von Gnade. Der hinter der Formulierung stehende Gedanke ist aber der, dass man sich der Gnade würdig erweisen muss: dass man an sich arbeiten muss, um auf Gnade hoffen zu dürfen. Ein ganz christliches Verständnis.

Über Brigitte Monhaupt, die auch noch in Haft sitzt, fasst Spiegel Online die Biographie so zusammen: sie sei eine "gebürtige Rheinländerin und frühere Philosophie-Studentin". Was sagt uns das über die Philosophie? Gebiert sie Terroristen?

27 September 2006

Im Ernstfall foltern? Rainer Trapp klärt, wie man mit Terroristen umgehen könnte

Dass zwischen Terroristen und ihren staatlichen Verfolgern ein Ungleichgewicht besteht in dem was sie dürfen bzw. sich herausnehmen, war hier schon Thema. Der Osnabrücker Philosoph hat sich jetzt des Themas angenommen in seinem Buch mit dem vielsagenden Titel Folter oder selbstverschuldete Rettungsbefragung? (Paderborn : mentis, 2006; der Link führt auch weiter zu einem Inhaltsverzeichnis als pdf). Ich muss zugeben, dass "Selbstverschuldete Rettungsbefragung" gleich viel netter klingt, weil es ja klarmacht, dass die Übeltäter selbst schuld sind, wenn sie gefoltert, äh, rettungsbefragt werden müssen. Trapps Buch ist jedenfalls ein gründlicher Beitrag zum Thema, der sich auch mit dem gern vertretenen moralischen Spagat von der moralischen Legitimation der Folter im Notfall unter Beibehaltung ihrer Rechtswidrigkeit auseinandersetzt. Trapp sucht zu zeigen, dass ein verantwortlicher Rechtsstaat die Anwendung von Gewalt gegenüber Tatverdächtigen vertreten darf, solange dies strengen Bedingungen genügt. Ob man seine Argumente dafür überzeugend findet, sollte man selbst prüfen. Dankenswert ist jedenfalls Trapps minutiöse Auflistung der bisher bekannten Argumente gegen die Folter in der Strafverfolgung -- und der Versuch ihrer Widerlegung. Denn ob man Gewaltanwendung nun für zu rechtfertigen hält oder nicht, kennen sollte man die Argumente schon.

15 Februar 2006

Moral und Politik: Dürfen von Terroristen gekaperte Flugzeuge abgeschossen werden?

Das Verfassungsgericht sagt, das Gesetz von 2005 sei verfassungswidrig, berichtet Spiegel Online heute. Und zwar, weil das gegen das Gebot verstößt, dass die Bundeswehr nicht im Innern zum Einsatz kommen dürfe (außer im Katastrophenfall). Außerdem hat es auch was mit der Menschenwürde zu tun: Menschen, die zur Rettung anderer getötet würden, würden "verdinglicht und entrechtlicht".
Politiker reagieren auf die Begründung Bundeswehreinsatz mit der Forderung nach einer Grundgesetzänderung, schließlich will man die Bundeswehr am liebsten auch zur Fußballweltmeisterschaft im Innern einsetzen. Grundgesetzänderung in 3 Monaten?
Was die Frage angeht, wie das Abwägen der Leben einzelner gegen viele zu behandeln ist, so ist die Frage verwandt mit der nach der Erlaubtheit von Folter zur Terror-Abwehr. Interessant ist hier für mich die Frage, ob Recht und Moral verschiedene Wege gehen müssen. Es erinnert auch an das alte Gedankenexperiment von Philippa Foot, das "Trolley Problem" und Judith Jarvis Thomsons Ergänzungen dazu über die Schwierigkeit, Töten und Sterben lassen zu unterscheiden.

19 Dezember 2005

Folter und Geheimdienste

Soll der deutsche Geheimdienst Erkenntnisse verwerten, die womöglich unter Folter erpresst worden sind? Peter Müller "schließt nicht aus", dass der Geheimdienst solche Informationen zur Gefahrenabwehr verwendet, auch wenn sie vor Gericht keinen Bestand hätten, teilt Spiegel online mit. Das klingt doch ganz pragmatisch, und es bedeutet im Klartext: Ich würde selbst nie foltern, und wenn andere das tun, dann ist das schlimm. Aber man wäre ja blöd, wenn man nicht die Erkenntnisse nutzen würde, die dabei herausspringen. Und da ist was wahres dran: man wäre wirklich blöd. Trotzdem ist zu fragen, ob diese Lösung nicht moralischer Faulheit entspringt. Wieviel ist das Bekenntnis gegen Folter wert, wenn man genau weiß, dass man diese bloß befreundeten Staaten zu überlassen braucht?
Ich spüre ein Unbehagen, wenn der (unser) Staat mit Terroristen und Fanatikern umgeht. Das hat damit zu tun, dass der Staat ihnen immer unterlegen ist: Die setzen ihr Leben ein. Womit kann man ihnen drohen? Wie kann man sie erreichen? Haben wir etwas vergleichbares dagegenzusetzen? Vermutlich nicht -- und womöglich liegt gerade darin die Überlegenheit unserer Gesellschaftsform.
Asymmetrie: Die sind bereit zu sterben, um ihr Ziel zu erreichen, die Vertreter des Staates nicht. Manche Staaten stellen so etwas wie Symmetrie wieder her, indem sie zumindest bereit sind zu töten -- oder was ihnen sonst so einfällt. Aber damit werden sie dem ähnlicher, was sie bekämpfen.
Und eine weitere Asymmetrie: Terroristen und Fanatiker sind immun gegen Irrtum in ihrem Tun. Wir hingegen irren. Deswegen gibt es ja ein langwieriges, regelgeleitetes System, um die Wahrheit herauszufinden z.B. in Gerichtsverhandlungen. Schon darum sollten wir die Regeln nicht aufgeben.