Es handelt sich um Paul Natorp, Philosophie -- ihr Problem und ihre Probleme : Einführung in den kritischen Idealismus, hg. und mit einer Einleitung von Karl-Heinz Lembeck. - Göttingen, Edition Ruprecht, 2008.
Natorp ist einer der Philosophen der Marburger Schule des Neukantianismus -- eine philosophiegeschichtliche Episode Anfang des 20. Jahrhunderts, die vielleicht nicht ganz unwichtig war, aber deren Ausstrahlung auf die Gegenwart doch eher gering ist. Trotzdem hat jetzt Frau Reinhilde Ruprecht das Werk in ihrer Edition Ruprecht neu zugänglich gemacht. Ich hatte bisher angenommen, dass die Edition Ruprecht was mit Vandenhoeck und Ruprecht zu tun habe, so wie die edition suhrkamp mit Suhrkamp, aber das ist wohl ein Irrtum, auch wenn Edition Ruprecht aus Göttingen kommt wie V&R.
Was erwartet man bei einem "unveränderten Nachdruck"? Dass das original Druckbild gleich bleibt und auch die Seitenzahlen, dass also der alte Satz komplett übernommen wurde. Tatsächlich wurde aber wohl der alte Text gescannt und mit OCR erfasst und dann neu aufs Papier gebracht, wie man auch an den hässlichen künstlichen Kursiven sehen kann -- d.h. es ist keine "unveränderte" Neuauflage, sondern eine Neuausgabe. Aber immerhin haben die sich die Mühe gemacht, die alten Seitenzahlen und Seitenumbrüche mit anzugeben, so dass man also diese Neuausgabe wie die alte benutzen kann.
Ohnehin frage ich mich, welche Wirkung mit der Mitteilung "5. Auflage" beabsichtigt ist -- die 4. stammt von 1929 (und erschien bei Vandenhoeck und Ruprecht -- gibt es also doch eine Verbindung zwischen den beiden Verlagen?). Kaufen wir das jetzt, weil das ja ein so erfolgreicher Titel ist?
22 Oktober 2008
18 Oktober 2008
Was Philosophiestudierte können
Gibt es sowas eigentlich auch auf deutsch? Eine Zusammenstellung der Dinge, die man gelernt hat bzw. haben sollte, wenn man Philosophie studiert hat -- vom Arbeitsmarkt aus betrachtet? Eine Zusammenstellung der Quality Assurance Agency for Higher Education. Wenn man das liest, kann es eigentlich kein besseres Fach als Philosophie geben! Da ist man dann bestens gerüstet für den Arbeitsmarkt, auch wenn man hin und wieder "non-vocatonal courses" besucht hat. Den Ausdruck habe ich übrigens aus einem andern englischen Highlight, nämlich der Broschüre "Where next? Unlocking the potential of your philosophy degree" (pdf). Die sagt genau, worauf es ankommt: "There are plenty of career opportunities for philosophy graduates, but often in roles that bear no obvious relation to the study of philosophy, so you need to be able to demonstrate sound personal transferable skills, which emplyers value." Das ganze klingt wunderbar positiv. So gibt es z.B. zum Thema Fähigkeiten der "Business and / or organisation awareness" den Hinweis: "Although this set of skills seems to be purely related to work experience, as a philosophy student you are very well equipped to build up this type of knowledge". Soll heißen: "Weiste zwar nicht nach nem Philosophiestudium, musste dann eben so rauskriegen. Aber bist ja nicht doof."
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16 Oktober 2008
Pflanzen, moralphilosophisch betrachtet
Sollte man Pflanzen als Subjekte in seine moralischen Überlegungen mit einbeziehen? Viele Auseinandersetzungen z.B. mit Umweltzerstörung haben den Menschen im Mittelpunkt und beziehen sich auf ihn. Die Argumentation läuft dann so: Wir sollten die Umwelt nicht zerstören, weil wir /unsere Kinder etc. dann zukünftig in einer zerstörten Umwelt leben müssen.
Bei Tieren hat sich inzwischen, scheint mir, nicht nur dank der unermüdlichen Tätigkeit von Tierrechtsaktivisten, die Ansicht durchgesetzt, dass sie an sich und als Selbstzweck moralische Faktoren sind. Aber wie ist das mit Pflanzen? Man möchte zunächst erst mal wissen, mit Thomas Nagel: How is it like to be a plant? Wenn wir z.B. Leidensfähigkeit als Ausgangspunkt moralischer Überlegungen nehmen, dann wird es schwierig mit Pflanzen, weil einerseits zwar sich Schaden und Zerstörung bei ihnen genau aufzeigen lassen, andererseits ein Leiden aber nicht. Zu sagen, dass eine Pflanze "leidet" oder Schmerzen hat, scheint mir Anthropologisierung in hohem Maße. Kommt man aus dieser Falle heraus?
In der Schweiz hat die "Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im Außerhumanbereich" über das Thema nachgedacht und einen Bericht verfasst, hier als pdf. Sie gehen von der Betrachtung der Pflanzen um ihrer Selbst willen aus. Das ist mit großer Ernsthaftigkeit vorgetragen und in den 20 Seiten der Broschüre mit bunten Bildern attraktiv veröffentlicht. Da finden sich Zitate wie dieses aus den "Schlussfolgerungen":
Was ist ein vernünftiger Grund? Kind mit Stock schlägt Blume den "Kopf" ab, aus Spaß: vernünftiger Grund? Ist nicht überhaupt das Reden von einem Kopf eine unzulässige Anthropologisierung, weil der Begriff "Köpfen" ja vorgibt zu wissen, wie es ist, eine Pflanze zu sein?
Interessant an dem Bericht, dass er Mehrheits- und Minderheitsmeinung in der Kommission gleichermaßen festhält und weitergibt.
Bei Tieren hat sich inzwischen, scheint mir, nicht nur dank der unermüdlichen Tätigkeit von Tierrechtsaktivisten, die Ansicht durchgesetzt, dass sie an sich und als Selbstzweck moralische Faktoren sind. Aber wie ist das mit Pflanzen? Man möchte zunächst erst mal wissen, mit Thomas Nagel: How is it like to be a plant? Wenn wir z.B. Leidensfähigkeit als Ausgangspunkt moralischer Überlegungen nehmen, dann wird es schwierig mit Pflanzen, weil einerseits zwar sich Schaden und Zerstörung bei ihnen genau aufzeigen lassen, andererseits ein Leiden aber nicht. Zu sagen, dass eine Pflanze "leidet" oder Schmerzen hat, scheint mir Anthropologisierung in hohem Maße. Kommt man aus dieser Falle heraus?
In der Schweiz hat die "Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im Außerhumanbereich" über das Thema nachgedacht und einen Bericht verfasst, hier als pdf. Sie gehen von der Betrachtung der Pflanzen um ihrer Selbst willen aus. Das ist mit großer Ernsthaftigkeit vorgetragen und in den 20 Seiten der Broschüre mit bunten Bildern attraktiv veröffentlicht. Da finden sich Zitate wie dieses aus den "Schlussfolgerungen":
Die Kommissionsmitglieder halten einen willkürlich schädigenden Umgang mit Pflanzen einstimmig für moralisch unzulässig. Zu einem solchen Umgang zählt z.B. das Köpfen von Wildblumen am Wegrand ohne vernünftigen Grund.
Was ist ein vernünftiger Grund? Kind mit Stock schlägt Blume den "Kopf" ab, aus Spaß: vernünftiger Grund? Ist nicht überhaupt das Reden von einem Kopf eine unzulässige Anthropologisierung, weil der Begriff "Köpfen" ja vorgibt zu wissen, wie es ist, eine Pflanze zu sein?
Interessant an dem Bericht, dass er Mehrheits- und Minderheitsmeinung in der Kommission gleichermaßen festhält und weitergibt.
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Schweiz
14 Oktober 2008
Braucht die Philosophie Open Access?
Auf jeden Fall braucht sie bei uns etwas mehr Bewusstsein davon, was Open Access ist und wo man sinnvollerweise so veröffentlichen kann. Heute ist Open-Access-Tag, initiiert von SPARC, Students for Free Culture und PLoS. Und wo kann eine Philosophin, ein Philosoph sinnvollerweise ...? Tja, auf den Hochschulschriftenservern. In der einen oder anderen OA-Zeitschrift. Bei de Gruyter kann man OA veröffentlichen z.B. in den Kant-Studien, wenn man ein erkleckliches Sümmchen dafür bezahlt. Und sonst? Denn dass man seine Texte selbst online stellt, ist lobenswert, hilft aber nicht beim Gefunden- und Gelesenwerden. Brauchen wir also einen Philosophie- OA-Server?
[Update] Mehr zu Open Access im Allgemeinen bei Archivalias Beitrag zum OA-Tag.
[Update] Mehr zu Open Access im Allgemeinen bei Archivalias Beitrag zum OA-Tag.
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Open Access
10 Oktober 2008
Die Wahrheit über Heidegger
Nee, Heidegger über die Wahrheit. Christoph Martel hat mit Heideggers Wahrheiten : Wahrheit, Referenz und Personalität in Sein und Zeit. - Berlin u.a. : de Gruyter, 2008 (Quellen und Studien zur Philosophie ; 87) ein sehr gut lesbares Buch über das im Untertitel genannte Thema vorgelegt. Ich war dabei, als Christoph zum ersten Mal seine Ideen zum Thema vortrug, 1999 in Prof. Carls Kolloquium in Göttingen, und freue mich nun zu sehen, dass so ein ansehnliches Buch daraus geworden ist. Christoph zeigt, was an Erkenntnisgewinn dabei herauskommt, wenn jemand mit analytischer Schulung und der Vermutung, dass der behandelte Philosoph auch etwas Sinnvolles zu sagen hat, sich dem Inbegriff der Kontinentalphilosophie annimmt -- sozusagen das Gegenteil von Russells berühmter Nichtachtung der Heideggerschen Philosophie. Anders ausgedrückt: Man kann durchaus Heidegger lesen und verstehen. Und braucht das Ziel nicht aufzugeben, ihn ohne Heideggerismen zu interpretieren. Daher denke ich, dass auch solche, die mit Heidegger nichts anfangen können, das Buch mit Gewinn lesen werden!
08 Oktober 2008
Honeckers Traumergebnis
Ferdinand von Bismarck hat sicher nicht nur mir einen Brief geschrieben darüber, wie sehr er in Sorge ist, weil Deutschland "nach links driftet". Seltsame Sätze stehen in dem Brief. So meint er, die SED-Nachfolgepartei erziele "in ganz Deutschland Wahlergebnisse, von denen Honecker & Co niemals auch nur zu träumen gewagt hätten". Hhm, mal vergleichen. Bei der letzten Bundestagswahl 8,7%, bei der letzten Landtagswahl in einem ostdeutschen Bundesland 25,2% in Sachsen-Anhalt. In der DDR gab es bekanntlich eine Einheitsliste, wo man nur mit Ja stimmen konnte. Das taten 1986 z.B. 99,4%, bei einer Wahlbeteiligung von 99,74%. Also: von so einem schlechten Wahlergebnis wie in den letzten Jahren für die Linke könnten Honecker und Co natürlich nur alpträumen, lebten sie noch.
Aber ernsthaft. Von Bismarck argumentiert in seinem Werbebrief, dass D nach links drifte, weil die Jugend nicht gut genug politisch informiert sei; er schreibt vom "PISA-Elend in Politik und Geschichte". Im Unterricht würden nämlich "der Terror kommunisticher Gewaltherrschaft verschwiegen und verharmlost", während der des 3. Reichs erläutert würde, und aus dieser Asymmetrie können die Linken "politisches Kapital schlagen". "Dazu dürfen wir nicht länger schweigen".
Aber von Bismarck will gar nicht, dass ich selbst dazu was sage. Er will nur, dass ich mich "informiere", indem ich die bekannte rechte Wochenzeitschrift Junge Dingsbums probelese -- denkt er, ich wäre einer der unbedarften Jugendlichen, die laut einer von ihm zitierten Umfrage von 2006 Adenauer für einen DDR-Politiker hielten? Und wie kann das Probelesen ein "wichtiger Beitrag" sein gegen die politische Entwicklung? Wie verhindere ich mit dem Probelesen, dass da die Linken "die Diskurshoheit in unserem Vaterland" bekommen?
Da ich diese Argumentation nicht nachvollziehen kann, mag ich auch nicht zur geforderten Handlung schreiten. Allerdings frage ich mich, woher die Rechten meine Adresse haben. Vielleicht hat Robert Spaemann sie ihnen gegeben? Oder T-Mobile?
Aber ernsthaft. Von Bismarck argumentiert in seinem Werbebrief, dass D nach links drifte, weil die Jugend nicht gut genug politisch informiert sei; er schreibt vom "PISA-Elend in Politik und Geschichte". Im Unterricht würden nämlich "der Terror kommunisticher Gewaltherrschaft verschwiegen und verharmlost", während der des 3. Reichs erläutert würde, und aus dieser Asymmetrie können die Linken "politisches Kapital schlagen". "Dazu dürfen wir nicht länger schweigen".
Aber von Bismarck will gar nicht, dass ich selbst dazu was sage. Er will nur, dass ich mich "informiere", indem ich die bekannte rechte Wochenzeitschrift Junge Dingsbums probelese -- denkt er, ich wäre einer der unbedarften Jugendlichen, die laut einer von ihm zitierten Umfrage von 2006 Adenauer für einen DDR-Politiker hielten? Und wie kann das Probelesen ein "wichtiger Beitrag" sein gegen die politische Entwicklung? Wie verhindere ich mit dem Probelesen, dass da die Linken "die Diskurshoheit in unserem Vaterland" bekommen?
Da ich diese Argumentation nicht nachvollziehen kann, mag ich auch nicht zur geforderten Handlung schreiten. Allerdings frage ich mich, woher die Rechten meine Adresse haben. Vielleicht hat Robert Spaemann sie ihnen gegeben? Oder T-Mobile?
01 Oktober 2008
Welche Philosophiezeitschriften sind die wichtigsten?
Immerhin hätte ich jetzt eine Antwort auf die Frage, welche Zeitschriften die Australasian Association of Philosophy (AAP) für die wichtigsten hält. Ausgangspunkt ist offenbar, wenn ich den vorsichtigen Brief des Geschäftsführers richtig verstehe, die Aufforderung des Australian Research Council, ein solches Ranking zu erstellen, was dann vermutlich Ausgangspunkt sein dürfte für verschiedene institutionelle Folgen: z.B. Beurteilung der Forschungsleistung, Vergabe von Geldern etc.
Die AAP hat die Zeitschriften in 4 Kategorien eingeteilt: A*, A, B, C. Außerdem gibt's noch nicht gewertete, weil die Begutachter nicht alle Zeitschriften kennen.
Von den 31 A* eingestuften Zeitschriften ist nur eine aus dem deutschsprachigen Raum:
Kant-Studien
Von den 94 A eingestuften Zeitschriften sind 11 aus dem deutschsprachigen Raum -- wenn ich mich nicht verzählt habe:
Archiv für Geschichte der Philosophie
Facta philosophica
Fichte-Studien
Grazer philosophische Studien
Heidegger-Studien
Nietzsche-Studien
Neue Zeitschrift für Systematische Theologie und Religionsphilosophie
Philosophische Rundschau
Studia Leibnitiana
Theologie und Philosophie
Zeitschrift für Philosophische Forschung
Ist das die Creme der deutschsprachigen Zeitschriften?
Hm. Wo ist die AZP? Wo DZPhil? Ich vermisse auch das Archiv für Begriffsgeschichte und Philosophia naturalis. Dafür wundere ich mich ein bisschen über die Facta philosophica in dieser Liste und die Neue Zeitschrift ... Naja. Klar muss sich meine Innenansicht etwas vom australischen Blick auf die Verhältnisse unterscheiden, oder?
Den Hinweis auf das Ranking fand ich bei The Brooks Blog. Andern Links folgend sah ich, dass die European Science Foundation offenbar schon vor zwei Jahren mal ein solches Ranking vorgenommen hatte, beschrieben von Gualtiero Piccinini. Allerdings sind die Links nicht mehr zugänglich.
Die AAP hat die Zeitschriften in 4 Kategorien eingeteilt: A*, A, B, C. Außerdem gibt's noch nicht gewertete, weil die Begutachter nicht alle Zeitschriften kennen.
Von den 31 A* eingestuften Zeitschriften ist nur eine aus dem deutschsprachigen Raum:
Kant-Studien
Von den 94 A eingestuften Zeitschriften sind 11 aus dem deutschsprachigen Raum -- wenn ich mich nicht verzählt habe:
Archiv für Geschichte der Philosophie
Facta philosophica
Fichte-Studien
Grazer philosophische Studien
Heidegger-Studien
Nietzsche-Studien
Neue Zeitschrift für Systematische Theologie und Religionsphilosophie
Philosophische Rundschau
Studia Leibnitiana
Theologie und Philosophie
Zeitschrift für Philosophische Forschung
Ist das die Creme der deutschsprachigen Zeitschriften?
Hm. Wo ist die AZP? Wo DZPhil? Ich vermisse auch das Archiv für Begriffsgeschichte und Philosophia naturalis. Dafür wundere ich mich ein bisschen über die Facta philosophica in dieser Liste und die Neue Zeitschrift ... Naja. Klar muss sich meine Innenansicht etwas vom australischen Blick auf die Verhältnisse unterscheiden, oder?
Den Hinweis auf das Ranking fand ich bei The Brooks Blog. Andern Links folgend sah ich, dass die European Science Foundation offenbar schon vor zwei Jahren mal ein solches Ranking vorgenommen hatte, beschrieben von Gualtiero Piccinini. Allerdings sind die Links nicht mehr zugänglich.
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