Ferdinand von Bismarck hat sicher nicht nur mir einen Brief geschrieben darüber, wie sehr er in Sorge ist, weil Deutschland "nach links driftet". Seltsame Sätze stehen in dem Brief. So meint er, die SED-Nachfolgepartei erziele "in ganz Deutschland Wahlergebnisse, von denen Honecker & Co niemals auch nur zu träumen gewagt hätten". Hhm, mal vergleichen. Bei der letzten Bundestagswahl 8,7%, bei der letzten Landtagswahl in einem ostdeutschen Bundesland 25,2% in Sachsen-Anhalt. In der DDR gab es bekanntlich eine Einheitsliste, wo man nur mit Ja stimmen konnte. Das taten 1986 z.B. 99,4%, bei einer Wahlbeteiligung von 99,74%. Also: von so einem schlechten Wahlergebnis wie in den letzten Jahren für die Linke könnten Honecker und Co natürlich nur alpträumen, lebten sie noch.
Aber ernsthaft. Von Bismarck argumentiert in seinem Werbebrief, dass D nach links drifte, weil die Jugend nicht gut genug politisch informiert sei; er schreibt vom "PISA-Elend in Politik und Geschichte". Im Unterricht würden nämlich "der Terror kommunisticher Gewaltherrschaft verschwiegen und verharmlost", während der des 3. Reichs erläutert würde, und aus dieser Asymmetrie können die Linken "politisches Kapital schlagen". "Dazu dürfen wir nicht länger schweigen".
Aber von Bismarck will gar nicht, dass ich selbst dazu was sage. Er will nur, dass ich mich "informiere", indem ich die bekannte rechte Wochenzeitschrift Junge Dingsbums probelese -- denkt er, ich wäre einer der unbedarften Jugendlichen, die laut einer von ihm zitierten Umfrage von 2006 Adenauer für einen DDR-Politiker hielten? Und wie kann das Probelesen ein "wichtiger Beitrag" sein gegen die politische Entwicklung? Wie verhindere ich mit dem Probelesen, dass da die Linken "die Diskurshoheit in unserem Vaterland" bekommen?
Da ich diese Argumentation nicht nachvollziehen kann, mag ich auch nicht zur geforderten Handlung schreiten. Allerdings frage ich mich, woher die Rechten meine Adresse haben. Vielleicht hat Robert Spaemann sie ihnen gegeben? Oder T-Mobile?
08 Oktober 2008
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Bei DDR-Wahlen gab es zwar eine Einheitsliste, aber darauf konnte man durchaus mit Nein stimmen: indem man die nicht gewünschten Kandidaten durchstrich. Deshalb erschienen auch Gegenstimmen in den amtlichen Wahlergebnissen.
AntwortenLöschenDas würde ich als Erklärung dafür nehmen, warum die Zustimmung nicht 100% ist. Aber dieses "mit nein stimmen" fand ja dann offenbar nur wenig Anwendung, oder nicht?
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