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18 Mai 2008

SWD: "Persistenz"

Die DNB hat schon einmal ein Schlagwort namens "Persistenz " ansetzen wollen. Ich habe seinerzeit (Sept. 2006) dagegen protestiert. Nun sehe ich, dass die DNB das Buch Persistence, hg. von Christian Kanzian (Heusenstamm : ontos, 2008), mit der Kette s. Persistenz, s. Philosophie, f. Aufsatzsammlung verschlagwortet hat, ergänzend eine zweite s. Dauer, s. Ontologie. Ist das sinnvoll?

2006 hatte ich Anstoß genommen an der philosophischen Ansetzung von "Persistenz". Da war als Quelle angegeben "W philos. Begriffe", leider keine Definition (kann man nicht die Redaktionen verpflichten, neue Schlagwörter mit Definitionen zu versehen?).
Ich hatte die Definition im angegebenen Werk überprüft. Es gibt dort keinen Eintrag "Persistenz", wohl aber "persistent": "lat., 'beharrend', unveränderlich; dazu _Persistenz_, die Beharrlichkeit (siehe dort), Unveränderlichkeit." Bin also dem Verweis gefolgt zu "Beharrlichkeit / Beharrungsvermögen, auch Trägheit (lat. vis inertiae); die Eigenschaft der Körper, im Zustand der Ruhe oder einer gleichförmigen geradlinigen Bewegung unverändert zu bleiben, bis dieser Zustand durch das Einwirken irgendeiner Kraft geändert wird, nach dem von I. Newton und G. Galilei aufgestellten Beharrungsgesetz ..." Klingt für mich ganz nach dem vertrauten Phänomen der Trägheit.

B 2005 definiert "Beharrungsvermögen" (im Artikel Trägheit, 1. Absatz: Physik): "Beharrungsvermögen, die Eigenschaft jedes massebehafteten Körpers, dem Versuch einer Änderung der Größe oder Richtung seines Bewegungszustands einen Widerstand entgegenzusetzen (Trägheitskraft). Der Inbegriff dieses Widerstands ist die träge Masse. Da nach dem einsteinschen Gesetz die Energie der Masse äquivalent ist (Masse-Energie-Äquivalenz), kommt auch jeder Energie eine Trägheit zu". Gibt auch ein Schlagwort "Trägheit" in der SWD, für den als Synonym "Beharrungsvermögen" angegeben ist. Scheint mir also, als sei das, was "Persistenz " laut seiner Quelle ausdrücken sollte, vollständig durch "Trägheit" ausgedrückt! Fragt sich, was für ein Buch damit beschlagwortet wurde.
Im Katalog der DNB findet man: Persistence through time, and across possible worlds / Jiri Benovsky (Heusenstamm u.a. : Ontos, 2006). Inhalt:
"How do ordinary objects persist through time and across possible worlds ? How do they manage to have their temporal and modal properties ?

Langer Rede kurzer Sinn: Das Schlagwort wurde mit einer bestimmten Definition neu angesetzt, die seiner konkreten Verwendung überhaupt nicht entspricht, dafür ist die Definition aber äquivalent mit der eines schon existierenden Schlagwort, nämlich "Trägheit".
Gemeint ist, scheint mir anhand der Buchbeschreibung, eher etwas im Sinne von "Beständigkeit" über Raum und Zeit (perdurance), als besonderer Typ von Identität. Beständigkeit gibts bisher nicht als Schlagwort; da käme auch komplizierend hinzu, dass es die mittelalterliche Tugend der 'Constantia' gibt, die konventionell mit 'Beständigkeit' übersetzt wird.

Das neue Buch, das Kanzian herausgegeben hat, fällt inhaltlich in dieselbe Kategorie: es hat mit Dauer und Identität zu tun (aus dem Vorwort): "The problem of persistence is as old as the tradition of systematic ontology: How can we explain that the middle-sized standard objects of everyday's life like tables, cats or human beings are regarded normally as remaining 'the same', even if they change their properties and their material constitutents?"

Ist das nun mit "s. Persistenz" richtig verschlagwortet? Die Quellenangabe in der Definition dort weist auf M, 1. und 2. Absatz (die SWD-Notation ordnet als Sachgebiete 5.3: Sozial-, Kultur- und Völkerpsychologie und 27.4: Allgemeine Pathologie zu). Ich habe den Meyer hier nicht zur Verfügung, aber die Erfahrung lehrt, dass die Definition im Brockhaus in neueren Ausgaben identisch sind (zuweilen verschiebt sich die Absatznummerierung). B 2005 online hat zwei Absätze zur "Persistenz", der erste ist "Chemie": "Stabilität chemischer Verbindungen in der Umwelt", der zweite "Medizin": "Fortbestehen einer fetalen Entwicklungsstufe ..." Mir scheint, dass dieses Verständnis von Persistenz nicht zum Buch passt! Und das wird auch nicht besser, wenn man diese "Persistenz" um das Schlagwort "Philosophie" ergänzt.

Ich halte dies für einen strukturellen Fehler der SWD, der sich auch an anderen Stellen zeigt. Die Verwendung eines Schlagworts entspricht oft nicht der Definition in der angegebenen Quelle, und es ist mir häufig nicht klar, welche Freiheiten man in der Schlagwortvergabe sich sinnvollerweise nehmen sollte. Warum den DNB-Kollegen das Schlagwort "Persistenz" hier richtig erscheint, ist klar: schließlich ist das auch das englische Wort im Titel der beiden Veröffentlichungen. Aber müsste man nicht die Definition des Schlagwortes dafür ändern?






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