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29 Mai 2009

Über Ciceros De Fato -- wie man eine Diss im elektronischen Nirvana versenkt

Elektronische Dissertationen sollten auf einem Hochschulschriftenserver liegen: das ist für mich der Inbegriff von Zugänglichkeit. Dies hat sich aber noch nicht bis nach Spanien herumgesprochen, wo wir für das SSG häufiger auf CD-ROM veröffentlichte Dissen bekommen. Und in die Schweiz, genauer: nach Bern, anscheinend auch nicht.

Das Schweizer Buch 10/2008 hat diesen Titel angezeigt:
31 NB 001532710
Calanchini, Paola Rosa. – Cicero: "De Fato" (Über das Schicksal)
[Elektronische Ressource] : Übersetzung und Kommentar / Paola
Rosa Calanchini. – [S.l.] : [s.n.], 2007. – 1 CD-ROM ; 12 cm
Titel von CD-ROM. – Diss. phil.-hist. Bern. – CWK

Der liegt jetzt gerade vor mir. Versucht man die CD zu "öffnen", wird man schon misstrauisch: alle Dateien liegen in einem Ordner, der noch neben anderem "Apple Mac" im Titel führt. Das Dateiformat darin ist dann "cwk" (was den letzten Teil der bibliographischen Beschreibung erklärt). Wie kann man, bitteschön, wenn man auch nur ein bisschen gelesen werden will, für das elektronische Veröffentlichen ein solches Format wählen?
Frau Calanchini arbeitet anscheinend an einem Schweizer Gymnasium; ich habe ihr eine Email geschrieben; mal sehen, was passiert. Nach einigen Foren soll das Programm, das CWK-Dateien produziert, auch ".doc"-Dateien produzieren können. So eine könnte ich dann immerhin selbst in ein pdf umwandeln...

21 Mai 2009

Die Deutschen sind für und gegen Internetsperren

Dass die Ergebnisse von Umfragen davon abhängen, wie gefragt wird, ist sicher keine neue Beobachtung. Aber in Zeiten zunehmender Abhängigkeit der Politik von unterstellten Meinungen und Stimmungen der Bevölkerung ist es doch eine deutliche Warnung, wenn in einer stark in den Medien beachtete Frage dasselbe Umfrageunternehmen infratest dimap innerhalb von einer Woche zu dem Ergebnis kommt, 92% der Deutschen seien für Internetsperren (als Mittel im Kampf gegen die Kinderpornographie), 90% der Deutschen aber dafür dagegen. So berichtet Heise. Und zitiert auch gleich die beiden unterschiedlichen Formulierungen der Umfragenfrage, die diese abweichenden Ergebnisse zur Folge hatten. Die zeigen, dass die Ergebnisse durchaus miteinander vereinbar sind, wenn man sie richtig versteht. Sie sind nämlich eigentlich wenn-dann-Fragen: Wenn die gesetzlichen Maßnahmen gegen die Sperrung von Kinderpornographieseiten im Internet ein wirksames Mittel bei der Bekämpfung der Kinderpornographie sind, sind sie dann dafür? 92% meinen Ja.
Wenn die gesetzlichen Maßnahmen ... unwirksam sind, sind sie dann dafür? 90% meinen Nein.

Erinnert mich ein bisschen an eine Kurzgeschichte von Philipp K Dick, The mold of Yancy.

11 Mai 2009

Die Turing-Tests des Internet?

Captchas sollen das tun, was auch der Turing-Test will: prüfen, ob vor dem Kommunikationsgerät ein Programm oder ein Mensch sitzt. So könnte man doch die Gemeinsamkeit auf den Punkt bringen. Allerdings gibt es einen Unterschied: die Entscheidung, ob ein Mensch oder eine Maschine die Antwort eingegeben hat, wird beim Captcha von einer Maschine getroffen. Daher muss das Captcha, scheint mir, eine sehr viel bessere Vorstellung davon haben, was eine menschliche Leistung ist. Alle Captchas, denen ich bisher begegnet bin, kranken daran, dass sie diese Leistung nur ein bisschen jenseits der Leistungsfähigkeit von Maschinen positionieren. Wenn ich zum Beispiel das Ergebnis einer Rechenaufgabe wie "8 + 10 =" eingeben soll, dann frage ich mich, wieso das SPAM-Bots nicht schaffen sollten. Auch die Blogger-Captchas vom Schlage "Welches Wort ist auf dem Bild dargestellt?: Crwjlf" sind eigentlich eine Beleidigung, da es klarerweise kein Wort ist, die Antwort "keines" aber keinen Erfolg bringt. Kreativität ist nicht gefragt, d.h. das Menschliche wird beim Captcha gerade darin gesehen, dass die Regeln besonders gut befolgt werden, ob die Antwort nun in einer Erkennungsleistung oder in der Beantwortung einer Frage / Rechenaufgabe liegt.

Rostocker Phänomenologische Manuskripte

Michael Großheim von der Uni Rostock gibt die Rostocker Phänomenologischen Manuskripte heraus. Bisher 3 Hefte in 2008 zwischen 20 und 42 Seiten. Im Augenblick sehr versteckt gedruckt veröffentlicht -- möglicherweise sind diese "Werkstattberichte" im Newsletter der Gesellschaft für Neue Phänomenologie angekündigt. Bezug jedenfalls über die GNP.

Warum nicht Open Access auf dem Dokumentenserver der Uni Rostock? Habe Großheim letzte Woche per Email gefragt; mal sehen, ob noch eine Antwort kommt.

Philosophie-Einführung mit Filmen

Klingt zunächst wie ein interessantes Buch: Introducing philosophy through film: key texts, discussions and film selections, hg. von Richard Fumerton und Diane Jeske, Malden: Wiley-Blackwell 2010 (!). Tatsächlich handelt es sich um eine einführende Anthologie, die mehr oder weniger klassische Texte enthält, z.B. Ausschnitte aus Descartes Erster Meditation (englisch) oder Nozicks The experience machine (aus Anarchy, State, and Utopia), gegliedert in 7 Teile: von Philosophical Argumentation bis zu Philosophy of Religion. Zu jedem dieser 7 Teile werden Filme genannt; zu Teil 4 Ethik, Abschnitt A "Konsequentialismus" z.B. u.a. die Filme "Dirty Harry", "Saving Private Ryan" oder "Titanic". Am Ende des Teils 4A gibt es dann drei Seiten mit Fragen à la "Torture was used against an evil person in the movie Dirty Harry. Can you imagine a situation in which it might be legitimate to torture eve innocent people? Does the answer depend on which of the ethical theories presented is correct?" Das scheint mir ein bisschen zu wenig Film in so einem dicken Buch mit diesem Titel. Dem Vorwort ist zu entnehmen, dass die Herausgeber ursprünglich vorhatten, eine DVD mit relevanten Szenen beizufügen, aber an den Rechten gescheitert seien. Schade.

Darwin und Foucault ...

zusammenzudenken scheint mir so naheliegend zu sein, dass man sich wundert, dass vorher keiner drauf gekommen ist. Denn beide blicken auf die Geschichte als planlose Veranstaltung. Philipp Sarasin, der Schweizer Historiker, legt nun das gleichnamige Buch mit dem Untertitel "Genealogie und Geschichte im Zeitalter der Biologie" vor. Die TAZ wusste schon 2007 davon und schreibt, Sarasin wolle den Einfluss des einen auf den andern "freilegen". In der FAZ veröffentlichte Petra Gehring eine skeptische Rezension.

08 Mai 2009

Wie Jochum das Digitale teuer rechnet

Inzwischen habe ich mir mal die Mühe gemacht, Jochums "Katzengold. Eine Kritik der Nationallizenzen"-Artikel (pdf) zu lesen. Der schwirrt ja auf den Textkritik-Seiten herum und gilt denen als "Nachrechnen" der Kosten des Digitalen, sei's nun Open Access oder nicht. Die Argumentation spricht für sich, oder eher gegen sich. Jochum "prüft" 3 "Elemente, aus denen die Nationallizenzen ihren legitimatorischen Impetus beziehen: die Ökonomie, die Wissenschaftspolitik und die Kulturpolitik". Ein paar Anmerkungen zum Punkt Ökonomie, also da, wo man rechnen muss.

Jochum fährt erstmal die Kosten des wissenschaftlichen Bibliothekswesens auf: laut DBS für 2006 hätten die Wissenschaftlichen Bibliotheken 793 Mio Euro gekostet, davon seien 548 Mio Euro für Personal und Gebäude ausgegeben worden und die restlichen 245 Mio Euro für Medien (Jochum schreibt "Bücher und Medien", aber für mich sind Bücher auch Medien). Sieht nach viel aus?

Dem stellt Jochum die Kosten für's Digitale gegenüber. Weil er keine konkreten Zahlen hat, bemüht er sich, "plausibel abzuschätzen". Er meint, man müsste als Kostenfaktoren einbeziehen:
  1. die Kosten für die Datennetze auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene
  2. die hard- und softwarekosten, die von den Netzteilnehmern aufzubringen sind
  3. die Kosten für die Bereitstellung der Inhalte.
Also. Wie berechnet man die Kosten für die Datennetze? Jochum rechnet: Es gab laut DBS 248 wissenschaftliche Bibliotheken in Deutschland, die wohl ebensovielen wissenschaftlichen Einrichtungen zugehören würden, die ihrerseits Rechenzentren unterhalten müssten, die die Kosten für die materielle Infrastruktur auch tragen. Diese Rechenzentren hätten, plausibel geschätzt, 30 Mitarbeiter, und 1 Mitarbeiter sei, plausibel geschätzt, 40.000 € wert. Das gäbe Personalkosten von 1,2 Mio Euro pro Rechenzentrum; und da Gesamtkosten zu 2/3 Personalkosten sind, könnte man von Gesamtkosten von 1,8 Mio € ausgehen, pro Jahr pro Rechenzentrum. Bei 248 Rechenzentren also Kosten von 446,4 Mio €.
Über die Zahlen will ich nicht rechten, obwohl sie großzügig bemessen sind: Jochum tut so, als seien 30 Mitarbeiter gering geschätzt, da Konstanz als kleine Uni 25 Mitarbeiter im Rechenzentrum habe, Köln als größte aber 55. Aber wieviele von den 248 Institutionen sind wohl überhaupt so groß wie die Uni Konstanz? Fachhochschulen, PHs, Regionalbibliotheken ... Lassen wir das.
Mich interessiert doch, warum Jochum die von ihm geschätzten Gesamtkosten der IT-Infrastruktur hier berechnet, wenn es um die Nationallizenzen geht. Er tut dasselbe bei den Hardwarekosten (Punkt 2) oben: Er schätzt, dass es 100.000 Wissenschaftler und 100.000 sonstige Rechnerbenutzer (Sekretärinnen etc.) gibt in den Institutionen, deren Rechnerausstattung mit 700,- € angesetzt wird, die daher zusammen 14 Mio € kosten würden, wenn man die Rechner alle 5 Jahre ersetzt. Soll man wirklich die Arbeitsplatzrechner so anrechnen, als würden sie ausschließlich zum Servern im Web und zur Lektüre der neuesten wissenschaftlichen Texte verwendet?
Am besten finde ich noch Jochums 3. Punkt: die Kosten für die Inhalte. Was die DFG ausgegeben hat (für die Nationallizenzen), das ist ja nur die Spitze des Eisbergs, sagt Jochum. Die TIB habe 1990 mal schätzen lassen, was die Digitalisierung ihres Bestandes kosten würde, und kam da auf 330 bis 530 Mio DM, und 13 bis 33 Mio DM jährliche laufende Kosten. Wie rechnet Jochum diese Zahlen ins Jahr 2009 hoch, um herauszubekommen, was die Digitalisierung aller konventionellen Medien aller deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken heute kosten würde? Er rechnet die Inflation nicht rein und verzichtet dafür darauf, Rabatte und Synergieeffekte durch die größere Menge rauszurechnen. Er vermerkt, dass für eine Berechnung natürlich nur jedes Werk einmal digitalisiert werden müsste, nicht jedes Exemplar in jeder Bibliothek. Und kommt dann auf eine oberste Kostengrenze der Digitalisierung von 40 Mrd. €, wenn man das billigste Angebot (von 1990) zur Berechnung heranziehe.
So, er berücksichtigt also die Inflation nicht. Das muss der Leser wohl als Zugeständnis betrachten. Hat er berücksichtigt, dass die Preise gefallen sind seit 1990? Nein, hat er nicht.
Hat er berücksichtigt, dass diese 40 Mrd.-Summe, wenn sie stimmen würde, eine Einmalaufwendung wäre? Nein, hat er nicht. Wo er sonst Wert darauf legt zu trennen zwischen Anschaffung und laufenden Kosten. Und hat er die in Beziehung gesetzt zu den Kosten für die Medien überhaupt? Oder sagen wir, dass Digitalisierung doppelt teuer ist, weil man ja erstmal das konventionelle Medium erwerben musste?
Und hat er die Kosten in Beziehung gesetzt zum damit möglichen Fortschritt in der Forschung (Geschwindigkeit, neue Anwendungen), der auch etwas wert ist? Nein, hat er nicht. Das einzige, was er getan hat, ist ein paar Zahlen zu schätzen, als Rohmaterial in einem Fall mit eklatant veralteten Zahlen (konnte man ihm in Konstanz keine neueren geben?), deren Plausibilität zu postulieren und dann so zu tun, als hätte die Zahl was mit seiner Frage zu tun.

Neues Angebot philosophischer E-Journals

George Leaman vom Philosophy Documentation Center hat mich auf deren neues Angebot Philosophyonline www.philosophyonline.org hingewiesen. Man kann sich dort ohne weiteres einen simplen Testlogin erstellen und hat dann 7 Tage Zeit das Angebot zu prüfen. Laut Testinfo soll das Volltextangebot auf 3 bestimmte Zeitschriften beschränkt sein, das war bei mir aber nicht der Fall: die Volltextsuche durchsuchte anscheinend alle im Volltext angebotenen Zeitschriften, und ich hatte auch vollen Zugriff auf jeden Artikel, der mich interessierte. Ich schrieb Leaman dazu:

I just tried your new site with the personal trial access -- I am impressed by the fastness and searchability of the presentation of content. The html view is good enough for me; the printout looks fine.

I tried to export some citations to my citation manager. I suggest that two formats should be added, RIS and BibTeX. (They are quite common.) I wondered why the URL of the available articles is not part of the exported data -- this would be an improvement.

I'm curious about pricing of the service -- do you have any plans about that? What factors will influence the cost?
Viele der Aufsätze werden nur als HTML geboten, nicht als pdf (wie man das sonst von JSTOR oder anderen kennt), aber die HTML-Präsentation ist, jedenfalls was ich gesehen habe, voll seitenkonkordant.

Das Angebot wird in Erfurt auf dem Bibliothekartag vorgestellt.

07 Mai 2009

Management by Sokrates

Die Werbung spricht davon, dass Philosophie und Wirtschaft ins Gespräch gebracht würde, aber es dürfte eher darauf hinauslaufen, dass Philosophie der Wirtschaft dient: Michael Niehaus, Roger Wisniewski: Management by Sokrates, Cornelsen Skriptor.

06 Mai 2009

Die Philosophie in Italien -- im Spiegel ihrer Zeitschriften

Piero Di Giovanni hat bei FrancoAngeli eine dreibändige Aufsatzsammlung namens La Cultura Filosofia Italiana attraverso le Riviste 1945-2000 herausgegeben; ich habe hier gerade den zweiten Band (Mailand 2008). Der erste Band erschien wohl schon 2006. Ich wünschte, so etwas würde es für Deutschland geben: die ganze Zeitgeschichte der Philosophie wird darin lebendig.

05 Mai 2009

Pascal's Wette



Veröffentlicht von Andrès Diplotti hier in seinem Cartoon-Weblog Flea Snobbery unter einer Creative Commons Attribution-Noncomercial-Share Alike 3.0 Unported License.

Neu: Philosopher’s Digest

http://www.philosophersdigest.com/
Zusammenfassung von Aufsätzen und Auseinandersetzung mit deren Argumenten aus einigen englischsprachigen Philosophie-Zeitschriften: tolles Ding!
Das beste daran: in Blog-Form, daher mit den Blog-Bequemlichkeiten wie Kommentarmöglichkeit und RSS, um auf dem Laufenden zu bleiben.

04 Mai 2009

Kierkegaard-Rezeption in Deutschland

Wer sich für Kierkegaard interessiert, wird die bei Ashgate erschienene Sammlung zur Kierkegaard-Rezeption begrüßen: Kierkegaard's International Reception, hg. von Jon Stewart, 3 Bände. Der 1. Band behandelt Northern and Western Europe und enthält folgerichtig einen umfangreichen (über 100 Seiten!) Artikel über die Rezeption in Deutschland (und Österreich) von Heiko Schulz. Der ist damit fast so lang wie der Artikel über die Rezeption in Dänemark. Inhaltsverzeichnis (pdf) hier.