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27 November 2006

Keine radikal falsche Übersetzung?

Ian Hacking kenne ich vor allem als Autor eines Reclam-Bändchens zur Philosophie der Naturwissenchaften. Jetzt ist beim Züricher Chronos-Verlag eine Aufsatzsammlung namens Historische Ontologie erschienen, welche Gelegenheitsarbeiten des inzwischen in Frankreich lehrenden Philosophen versammelt und von Joachim Schulte ins Deutsche gebracht wurde. Gleich ins Auge fiel mir der Aufsatz "Radikale Fehlübersetzung - hat es das je gegeben?" In dem Aufsatz untersucht Hacking drei gern angeführte Beispiele für eine radikale Fehlübersetzung, und zeigt, dass sie wohl 'Moderne Legenden' sind. Das gräbt Quines zwar apriorisch vorgetragener, aber gern mit diesen Beispielen wiedergegebener Theorie von der Unbestimmtheit der Übersetzung das Wasser ab.
Hacking gibt einleitend zu, dass er die erste Geschichte auch schon erzählt hat:
Bei Cooks Entdeckungsreise hätten seine Matrosen ein junges Känguruh gefangen. Weil sie nicht wussten, was das war, befragten sie die Eingeborenen, deren Antwort "Känguruh" sie als Namen des Tiers interpretierten. Viele Jahre später habe man entdeckt, dass "Känguruh" aber keineswegs ein Tiername sei, sondern bedeute "Was habt Ihr gesagt?"

Hacking zeigt, dass diese und zwei weitere solcher Geschichten schlicht falsch sind. Die Fakten, die gegen die Känguruh-Geschichte sprechen, sind zwei: erstens ist von Cooks Reise dokumentiert, welche Wörter sie bei den Eingeborenen eingesammelt haben, und die Art und Weise, wie sie eingesammelt wurden. Die verzeichneten Wörter wurden sorgfältig geprüft. Und zweitens landete Cook in einer Gegend, in der ein bestimmter Dialekt gesprochen wurde. Ein späteres Wörterbuch dieses Dialekts enthält ein Wort, das dort gan(g)urru wiedergegeben ist -- und das bekannte Tier bezeichnet. Hackings zweites Beispiel ist noch ein wenig ausführlicher und gilt einer Geschichte, die auch in einem Gespräch zwischen Putnam und Quine wiedergegeben wird: dass der französische Naturforscher Sonnerat, als er Madagaskar besuchte, auf seine Frage nach einem Lemur "Was ist das?" die Antwort "Da läuft er" ("Indri") erhalten habe, was er für den Namen des Tieres hielt und was von da an der Name des Tieres geblieben sei. Hacking zeigt, dass diese Geschichte ganz falsch ist: Das fragliche Tier war längst bekannt und bei den französischen Einwanderern der Gegend auch gezähmt; kaum vorstellbar, dass man den Namen nicht gekannt habe. Hacking kann ein Wort im fraglichen Dialekt identifizieren, das infrage kommt; wie beim Känguruh beruht die Unfähigkeit späterer Forscher, das Wort zu verifizieren, wohl auf einer schlechten Umschrift der jeweiligen Aussprache.

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