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31 März 2008

Warum moralisch sein?

Kann man zum Thema noch was neues sagen? Nachdem Kurt Bayertz bei UTB einen Sammelband mit klassischen Positionen herausgegeben und selbst eine Monographie geschrieben hat, die bei Beck erschien, habe ich hier nichts mehr zum Thema erscheinen sehen. Das Dilemma der Frage ist das folgende: Jeder außermoralische Grund für das Moralischsein verweist auf die höhere Autorität anderer Werte (Religion ist die klassischste Variante); jeder moralische Grund für das Moralischsein setzt die Anerkennung der Moral voraus.
Die meisten derjenigen, die eine Antwort versuchen, probieren heute den ersten Weg, weil das Moralische nicht mehr die gleiche Selbstverständlichkeit besitzt wie noch vor 100 Jahren. Die zweitklassischste Position nach dem Verweis auf göttliche Gebote zur Begründung von moralischem Handeln ist der Eigennutz. Ich entsinne mich eines Seminars in Göttingen, bei dem Dietmar von der Pfordten als Seminarleiter die von ihm provokativ gedachte These vertrat, alles Handeln sei letztlich eigennützig, das sei psychologisch gar nicht anders möglich. Auch altruistisches Handeln sei eigennützig wegen dem Gefühl der Befriedigung, dass es dem Handelnden verschaffe. (Man denke sich Mutter Theresa im moralischen Orgasmus.)
Dass dabei der Begriff des Eigennutzes entweder inhaltsleer wird oder einer empirischen Überprüfung zugänglich (wie lässt sich denn das Gefühl der Befriedigung messen?), schien ihn nicht zu stören.
Jetzt ist gerade ein Buch erschienen, dass Paul Bloomfield herausgegeben hat: Morality and Self-Interest (Oxford : Oxford University Press, 2008). Anders als der Titel vermuten lässt, geht es in der Hälfte der Aufsätze um "Morality without self-interest". Mir scheint jedenfalls, dass dies die Kernfrage des Problems "Warum moralisch sein?" ist: wie man sich zum Eigennutz verhält.

3 Kommentare:

  1. Anonym18/2/09

    Das Argument von von der Pfordten hat seinen historischen Hintergrund, jedenfalls einen bekannten, in der Replik von Nietzsche auf Schopenhauer, wie man in dem Band: Diskurs: sittliche Lebensformen, hg. von Oelmüller, Dölle und Piepmeier sehr schön nachlesen kann.
    Dort wird zuerst auf sehr wenig Raum Schopenhauers Mitleidsethik dargestellt und danach Nietzsches Kritik daran.

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  2. Anonym1/3/09

    Selbstzerstörerische, altruistische Ameisen ohne Gefühle gibt es unter: http://sciencenow.sciencemag.org/cgi/content/full/2008/923/1

    Bin darauf über einen philosophischen Blog gestolpert - hoffe, dass das einigermaßen seriös ist (und hoffentlich nicht schon längst bekannt).

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  3. Danke für den Link. AAAS ist die American Association for the Advancement of Science: also viel seriöser geht's nicht :-)

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