Ich frage mich das eigentlich nie. Aber die Antworten von anderen interessieren mich schon. Hans Jörg Sandkühler hat soeben ein Suhrkamp-Taschenbuch mit neckisch invertiertem Titel Philosophie, wozu? herausgegeben. In seinem Vorwort macht er "exogene" und "endogene" Fragegründe aus. Exogen heißt, dass z.B. die Bildungspolitik daher kommt und fragt: Wozu brauchen wir Euch Philosophen eigentlich? Endogen heißt, dass die Philosophen darauf mit der Frage antworten: "Ja wozu?"
"Neu ist", meint Sandkühler, "der Außendruck, der aus der Fixierung auf vereinseitigt ökonomische Nützlichkeitsparameter entsteht". Es geht also gar nicht um die Philosophie als Tätigkeit, sondern um die Philosophie als Institution einer Gesellschaft, welche für ihren Erhalt auch der Unterstützung der Gesellschaft bedarf und daher sich im Rechtfertigungszwang sieht.
Ich habe gerade nur in den ersten Beitrag von Günter Abel reingelesen. Der scheint mir allerdings etwas vom Wunschdenken bestimmt. Er meint, dass die Philosophie eine bestimmte Aufgabe wahrnehmen muss und dass die Wahrnehmung dieser Aufgabe institutionalisiert werden muss: "[Die Philosophie] muss im öffentlichen Raum deutlich machen, dass genuin philosophische Tugenden wie konsistentes Argumentieren, Reflexionsvermögen, Kommunikations- und Diskurskompetenzen nicht nur für alle Wissenschaften, sondern für zukunftsfähige Gesellschaften grundlegend sind". Sind das nicht selbstverständliche wissenschaftliche Tugenden, sei man nun Philosoph oder nicht? Doch, meint auch Abel: "Für die besten Köpfe der universitären Lehr- und Forschungsaktivitäten ist dies ohnehin eine intellektuelle Selbstverständlichkeit".
Naja, lassen wir den Bereich soft skills. Abel meint auch, der Philosophie dankbar sein zu müssen, dass sie "lebens-, überlebens-wichtige" Fragen bearbeitet. Welche könnten das sein? Zum Beispiel: "Wie ist es zu denken, dass organische Lebewesen, wie wir es sind, über geistige Fähigkeiten, über Bewusstsein, Selbstbewusstsein, eine Innenwelt und ein subjektives Erleben verfügen? Was meinen wir mit und worin bestehen Freiheit, Rationalität, Vernunft, Gerechtigkeit? Wie kann ich 'richtig' leben? Was bedeutet und wie stellen wir uns als endliche Geister zu Tod und Sterben?"
Wenn ich diese kleine Fragensammlung so lese (Abel hat noch ein paar mehr), legen sich mir zwei Bemerkungen unausweichlich nahe: 1. Worauf bezieht sich die Kategorie "überleben"? Damit kann Abel nicht den Einzelnen meinen, dem für sein Überleben sicher herzlich egal ist, wie Bewusstsein zu denken ist. Aber ist das nicht auch der Gesellschaft egal?
2. Eine Disziplin, die davon lebt oder gar sich selbst so versteht, dass sie zu keinen endgültigen Antworten kommt, braucht vielleicht noch etwas mehr zu ihrer Rechtfertigung als die Tatsache, dass sie überhaupt bestimmte Fragen stellt. Sie muss auch deutlich machen, worin ihre vorläufigen Antworten wichtig sind. Ich sehe nämlich nicht auf Anhieb, wie eine philosophische Reflexion z.B. von Rationalität mir dabei hilft, mich in diesem oder jenem konkreten Fall zu handeln bzw. mich zu entscheiden. Oder wie irgendeine Antwort auf die Frage, wie "wir" uns als "endliche Geister" zum Sterben stellen, beim Leben hilft.
Philosophie ist für den Einzelnen vielleicht Leidenschaft, für eine Gesellschaft ist sie Luxus: nämlich das Infragestellen und Reflektieren des Bestehenden. Das ist wie mit der Ethik: deren Funktion ja eigentlich das Verbieten von Handlungen ist, für die man hinreichend durch außermoralische Gründe motiviert wäre. Eine Gesellschaft leistet sich erst dann Ethikkommissionen (und hört auf sie), wenn sie sich das Zaudern und die moralischen Skrupel ebenfalls leisten kann, nicht weil sie überhaupt eine moralische ist, sondern weil sie, genau wie reiche Leute großzügig sein können, nicht überall auf die Effizienz sehen muss.
10 März 2008
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