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25 November 2008

Logik im Alltag: Heute: Die Argumentation der Werbetreibenden Industrie

Gerade bei heise gesehen, und Wert, in der Mittagspause gebloggt zu werden: Die Wirtschaftsverbände sind gegen eine Datenschutzreform, die ein paar Änderungen vorsieht beim Umgang mit Werbung. Z.B. soll, so der Vorschlag, bei der Weitergabe von Adressdaten "zur Nutzung durch Drittfirmen" das ausdrückliche Einverständnis der Betroffenen nötig sein. Und es soll nicht mehr erlaubt sein, dass ein Unternehmen die Bereitstellung einer Leistung sich von einem Verbraucher zusammen mit der Weitergabe seiner Daten genehmigen lässt.
Heise fasst auch zusammen, was die Verbände dagegen haben. Erstens seien Arbeitsplätze in Gefahr. Zweitens würden Verbrauchern "pauschal Informationen über maßgeschneiderte Angebote vorenthalten". Drittens würde ohnehin die illegale Nutzung von Kundendaten weitergehen. Viertens sei der Wert der Werbung von der "überwiegenden Mehrheit der Bürger" seit langem akzeptiert. Bitkom fasst das so zusammen: die vorgeschlagenen Maßnahmen seien weder erforderlich noch angemessen und somit unverhältnismäßig.

Hhm. Eine seltsame Verbindung von Gedankengängen! Die Grundidee der Argumentation der Wirtschaftsverbände ist, dass die Neuregelung die bisherige Praxis behindert, dass also mit der Neuregelung weniger geworben würde als bisher, die Leute aber Werbung bekommen wollen. Dann leuchtet es ein, dass die Verbände auf die Idee kommen, dass die folgenden Thesen als Argumente gegen die Neuregelung funktionieren.
1. Arbeitsplätze sind in Gefahr. -- Wodurch denn? Ich sehe da zwei Möglichkeiten, nämlich a), dass die Arbeitsplätze der Unternehmen in Gefahr sind, die ihre Produkte so nicht mehr bewerben dürften, weil sie dann keine oder weniger verkaufen. b), dass die Arbeitsplätze der werbetreibenden Unternehmen in Gefahr sind, weil sie dann keine Werbung mehr verkaufen. Beides scheint mir nicht sehr wahrscheinlich, weil ja Unternehmen auch noch andere Möglichkeiten der Werbung haben, mit denen sie a) Verbraucher erreichen und b) Werbeunternehmen beauftragen können.
2. Verbrauchern würden Informationen vorenthalten. -- In diesem Sinne von "vorenthalten" gibt es eine Menge Informationen, die mir vorenthalten werden! Hier wirkt die Prämisse, Verbraucher würden die Information wollen bzw. sie würden sie wollen wollen, wenn sie wüssten, dass es sie gäbe. Stimmt das? Außerdem ist es lustig, wenn für das, was einen an Werbung erreicht, das Wort "Information" benutzt wird. Das ist ja nur in der engen Definition richtig, die allein das physische Stück als Textträger oder den Telefonanruf oder sonstwas betrachtet. Betrachtet man den Verbraucher als Informationsmanager, der ordnen und bewerten muss, was ihn jeden Moment an Information erreicht, dann ist Werbung in der Regel das Gegenteil von Information, weil sie um Aufmerksamkeit buhlt, die man besser den wichtigen Dingen widmete.
3. Illegale Nutzung geht weiter. -- Tolles Argument: Weil die illegale Nutzung ohnehin weitergeht, soll die jetzige legale Praxis nicht beschränkt werden, heißt ja wohl: die Werbung, die den Verbraucher erreicht, beruht ohnehin großenteils auf dem illegalen Adressenhandel. Denn nur so wird ja zum Argument, dass da was weitergeht! Hier übersehen die Verbände nämlich, dass ich als Verbraucher gar nicht erkennen kann, ob die mich erreichende Werbung auf illegalem oder legalem Adresshandel beruht. Würde durch eine Gesetzänderung eine Einschränkung darin erreicht, wieviel Werbung mich erreicht, dann wäre das toll, finde ich. Nun könnten die Verbände argumentieren, dass es gemein wäre, wenn mich dann nur noch die illegale Werbung erreichen würde: dann würden ja die ehrenhaft handelnden Unternehmen benachteiligt. Ja, stimmt schon: so wie Käufer gegenüber Dieben "benachteiligt" werden, weil sie einen Preis bezahlen müssen. Aber trotzdem würde niemand auf den Gedanken kommen zu sagen: Geklaut wird immer, also brauchen ab heute alle nix mehr zu bezahlen.
(Es ist selbstverständlich, dass man mit einer Gesetzesänderung keine Wirkung auf das illegale Verhalten erzielt (es sei denn, dass man das Illegale durch die Änderung legal werden lässt).)
4. Werbung ist akzeptiert. -- Haha. Es mag Leute geben, die auf Direktmarketing in irgendeiner Weise positiv reagieren. Aber wie man in jedem Lehrbuch zum Direktmarketing nachlesen kann, sind die Antwortquoten sehr sehr gering. Und das kann ja wohl nur bedeuten, dass das "maßgeschneiderte" Angebot den Verbrauchern in der Regel am ... vorbei geht. Werbung ist in etwa so akzeptiert wie Regenwetter: Leute tragen einen Schirm, um so wenig wie möglich davon abzukriegen.

Das wäre doch das Tolle am "Opt-in": dass Verbraucher die Möglichkeit bekommen, explizit zu sagen, dass Sie Werbung bekommen wollen. Das Wirtschaftsverbände gerade dies fürchten, wiewohl es Ihnen ermöglichen würde, die Adressen von Leuten zu handeln, die offen sind für Werbung, zeigt doch nur, dass sie nicht an ihr eigenes Gerede "Werbung ist akzeptiert" glauben, sondern damit rechnen, dass dann niemand mehr sich für Direktwerbung interessiert.

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