"Mit der vorliegenden Arbeit vertrete ich die These, dass es sich in Platons Parmenides vor allem um das Nichtseiende handelt."
Finde nur ich das witzig?
29 April 2009
21 April 2009
Olaf Breidbach sucht die Ordnung
Rezension zu Olaf Breidbach: Neue Wissensordnungen : Wie aus Informationen und Nachrichten kulturelles Wissen entsteht. - Frankfurt am Main : Suhrkamp, 2008. - (Edition Unseld ; 10)
Die Rezension erschien in Buch und Bibliothek 61 (2009) 4, S. 281-282.
Die Bücher der im letzten Jahr gestarteten „Edition Unseld“ sind dünn und billig, sie zielen damit auf ein größeres Publikum. Anspruchsvoll streben die ersten Bände der Edition danach, den Lesern die Welt zu erklären, oder kantischer noch, die Bedingungen einer solchen Welterklärung zu diskutieren.
In diese Kategorie fällt auch der Band von Olaf Breidbach über die „Neuen Wissensordnungen“, der eben nicht bestimmtes Wissen vermitteln möchte, sondern das Wissen für sich als kulturelles und historisches Phänomen in den Blick nimmt. Das lässt eigentlich – für Bibliothekare als Arbeiter an oder in der Wissensordnung zumal – interessante Lektüre erwarten. Doch dürfte es auch außerhalb unseres Berufsstandes nicht allzu viele Leser geben, die Honig aus dem Büchlein saugen können, weil der Jenaer Professor für die Geschichte der Naturwissenschaften mehr Mühe auf die Ausbreitung seines reichen Materials denn auf seine Aufbereitung verwandt hat. In welcher Form sich das bemerkbar macht, dazu komme ich gleich. Zunächst zum Inhalt.
Das Buch wird regiert von zwei Grundgedanken, die Breidbach verschiedentlich wiederholt. Der erste steckt auch im Titel: Information und Wissen sind nicht dasselbe, sondern Wissen entsteht erst aus Information, und zwar durch Interpretation und Reflexion. Wissen ist „interpretierte Information“ (S. 12, 168 u.ö.). Die zweite betrifft das Wesen der Interpretation: eine neue Information kann nur interpretiert werden, indem man sie in Beziehung setzt zu dem, was schon gewusst wird, also indem man sie in das „Netz“ seines Wissens einbezieht – und dies führt notwendig dazu, dass das Netz sich verändert. Wissensordnung muss man dynamisch verstehen, nicht statisch! Das Buch versucht zu erklären, was diese beiden Gedanken bedeuten und welche Folgen sie haben dafür, wie Wissensordnung zu modellieren wäre.
Dem ersten Gedanken nähert man sich vielleicht am einfachsten über einen Vergleich mit der platonischen Wissensauffassung, die als Diskussionsfolie auch noch die zeitgenössische Erkenntnistheorie regiert.
Für Platon bedeutet etwas zu wissen, eine „wahre, gerechtfertigte Meinung“ über etwas zu haben. „Wissen“ findet damit zwar im Kopf eines wissenden Subjekts statt, aber seine Überprüfung kann außerhalb geschehen, indem man fragt: Ist es wahr? Lässt sich eine Rechtfertigung dafür angeben? Interessanterweise impliziert diese platonische Definition auch eine bestimmte Weise, wie der Kosmos allen möglichen Wissens zusammenzudenken wäre: er kann ja nur als allen möglichen wahren Sätzen bestehen. Hätte man diese, käme es nur darauf an, sie in die rechte Beziehung zu einander zu setzen.
Breidbach nennt solche Zusammenstellung die „absolute“ Konzeption einer „Wissensordnung“, und sie hat sich voll entfaltet im wissenschaftlichen Gottvertrauen des Barock. Sie ist naiv, weil sie sich darauf verlässt, dass sich das Wissen von selbst ordnet. Dafür liegt mir das bibliothekarische Beispiel nahe: Wer Klassifikationen verwendet, weiß schon, dass dies Einordnen nicht immer klappt. Solch Einordnen von etwas ‘Gewusstem’ ist stets ein bewusster Akt, weil dafür Entscheidungen nötig sind, und diese Entscheidungen betreffen stets auch die Frage, ob das, was da gerade klassifiziert wird, überhaupt schon einen Platz in der Ordnung hat – oder ob man ihm einen neuen schaffen muss. Aus letzterem erhöbe sich gleich die nächste Frage: Muss nun vielleicht auch an anderer Stelle der Klassifikation geändert werden, um der neuen Klasse gerecht zu werden? Die eine neue zu klassifizierende Information führt also möglicherweise zu tieferen Änderungen der Klassifikation. Oder abstrakter, außerhalb meines Beispiels, formuliert: Information zu interpretieren bedeutet, sie „auf den Gesamtkontext der schon verfügbaren Informationen zu beziehen“ (S. 127). Das Neue, wird es eingeordnet, verändert die Ordnung. Nur dann kann auch die Gesamtheit des Wissens größer sein als die Summe der Einzelinformationen: weil die Interpretationsleistung hinzutritt.
Breidbach legt Wert darauf, dass das Interpretieren von Informationen seinerseits keineswegs voraussetzungsfrei ist, sondern nur angemessen verstanden werden kann als Reflex der historischen Situation und des kulturellen Umfeldes, indem es geschieht. Zudem müssen die Verfahren des Interpretierens bzw. der Bewertung von Informationen selbst als Ausdruck praktischen Wissens und damit als Teil der Wissensordnung beschrieben werden: ganz schön kompliziert!
Leider trägt das Buch für den bibliothekarischen Leser wenig aus. Das hat damit zu tun, dass Breidbach zwar hin und wieder sich mit den ‘materiellen Repräsentanten’ einer Wissensordnung beschäftigt oder sie als Beispiele heranzieht, wie eben Klassifikation oder Enzyklopädie. Aber das eigentliche Geschehen der Wissensordnung ist für ihn abstrakt im „Erfahrungs-, Sprach- und Handlungsraum“ (S. 149) der Kultur zu suchen. Mehr als die Frage, wie die Dynamik des Wissens ihren angemessenen Niederschlag in den Werkzeugen der Wissensaufbereitung (z.B. in Datenbanken) finden könnte oder sollte, reizt ihn das Nachdenken darüber, wie sich die Dynamik des Wissens neurobiologisch, systemtheoretisch oder computertechnisch „modellieren“ lässt. Überlegungen zu solchen Modellen dürften allerdings nur für wenige Leser zum Verständnis des Gesamtthemas beitragen, zumal Breidbach sich zur Darstellung der jeweiligen Fachsprache bedient.
Ohnehin hat Breidbach es versäumt, auf die Zielgruppe der Edition Unseld – den interessierten und gebildeten Laien – Rücksicht zu nehmen. Er präsentiert einen Wildwuchs der Gedanken und Beispiele, der Theorien und Fachsprachen, in häufig assoziativ erscheinender Folge und mit Teilwiederholungen, deren Funktion sich nicht immer erschließt. So findet sich eine definitorisch klingende Formulierung wie „Wissen ist ...“ an die zwanzig Mal im Buch; es bleibt aber dem Leser überlassen, ob oder wie er die verschiedenen Formulierungen unter einen Hut bringt.
Breidbachs Inhaltsverzeichnis bietet ebenfalls keine Orientierung, sondern ist eine Liste aus wenig aussagekräftigen Einzelbegriffen: 75 Einträge bestehen aus einem Wort, 5 aus zweien, und es sind Worte wie „Beschreibungen“, „Zentrierungen“ oder „Kultivierungen“ (letzterer muss gleich für zwei Abschnitte herhalten). Hier hätte man dem Autor den Mut gewünscht, seinen Stoff für den Leser stärker zu reduzieren und aufzubereiten. Ich würde Interessierten jedenfalls eher David Weinbergers weniger anspruchsvolle, dafür ansprechendere und mehr an unserer Praxis orientierte, gut gelaunte kleine Kultur- und Handlungsgeschichte der Wissensordnung Everything is miscellaneous (in deutscher Übersetzung: Das Ende der Schublade) zur Lektüre empfehlen.
Die Rezension erschien in Buch und Bibliothek 61 (2009) 4, S. 281-282.
Die Bücher der im letzten Jahr gestarteten „Edition Unseld“ sind dünn und billig, sie zielen damit auf ein größeres Publikum. Anspruchsvoll streben die ersten Bände der Edition danach, den Lesern die Welt zu erklären, oder kantischer noch, die Bedingungen einer solchen Welterklärung zu diskutieren.
In diese Kategorie fällt auch der Band von Olaf Breidbach über die „Neuen Wissensordnungen“, der eben nicht bestimmtes Wissen vermitteln möchte, sondern das Wissen für sich als kulturelles und historisches Phänomen in den Blick nimmt. Das lässt eigentlich – für Bibliothekare als Arbeiter an oder in der Wissensordnung zumal – interessante Lektüre erwarten. Doch dürfte es auch außerhalb unseres Berufsstandes nicht allzu viele Leser geben, die Honig aus dem Büchlein saugen können, weil der Jenaer Professor für die Geschichte der Naturwissenschaften mehr Mühe auf die Ausbreitung seines reichen Materials denn auf seine Aufbereitung verwandt hat. In welcher Form sich das bemerkbar macht, dazu komme ich gleich. Zunächst zum Inhalt.
Das Buch wird regiert von zwei Grundgedanken, die Breidbach verschiedentlich wiederholt. Der erste steckt auch im Titel: Information und Wissen sind nicht dasselbe, sondern Wissen entsteht erst aus Information, und zwar durch Interpretation und Reflexion. Wissen ist „interpretierte Information“ (S. 12, 168 u.ö.). Die zweite betrifft das Wesen der Interpretation: eine neue Information kann nur interpretiert werden, indem man sie in Beziehung setzt zu dem, was schon gewusst wird, also indem man sie in das „Netz“ seines Wissens einbezieht – und dies führt notwendig dazu, dass das Netz sich verändert. Wissensordnung muss man dynamisch verstehen, nicht statisch! Das Buch versucht zu erklären, was diese beiden Gedanken bedeuten und welche Folgen sie haben dafür, wie Wissensordnung zu modellieren wäre.
Dem ersten Gedanken nähert man sich vielleicht am einfachsten über einen Vergleich mit der platonischen Wissensauffassung, die als Diskussionsfolie auch noch die zeitgenössische Erkenntnistheorie regiert.
Für Platon bedeutet etwas zu wissen, eine „wahre, gerechtfertigte Meinung“ über etwas zu haben. „Wissen“ findet damit zwar im Kopf eines wissenden Subjekts statt, aber seine Überprüfung kann außerhalb geschehen, indem man fragt: Ist es wahr? Lässt sich eine Rechtfertigung dafür angeben? Interessanterweise impliziert diese platonische Definition auch eine bestimmte Weise, wie der Kosmos allen möglichen Wissens zusammenzudenken wäre: er kann ja nur als allen möglichen wahren Sätzen bestehen. Hätte man diese, käme es nur darauf an, sie in die rechte Beziehung zu einander zu setzen.
Breidbach nennt solche Zusammenstellung die „absolute“ Konzeption einer „Wissensordnung“, und sie hat sich voll entfaltet im wissenschaftlichen Gottvertrauen des Barock. Sie ist naiv, weil sie sich darauf verlässt, dass sich das Wissen von selbst ordnet. Dafür liegt mir das bibliothekarische Beispiel nahe: Wer Klassifikationen verwendet, weiß schon, dass dies Einordnen nicht immer klappt. Solch Einordnen von etwas ‘Gewusstem’ ist stets ein bewusster Akt, weil dafür Entscheidungen nötig sind, und diese Entscheidungen betreffen stets auch die Frage, ob das, was da gerade klassifiziert wird, überhaupt schon einen Platz in der Ordnung hat – oder ob man ihm einen neuen schaffen muss. Aus letzterem erhöbe sich gleich die nächste Frage: Muss nun vielleicht auch an anderer Stelle der Klassifikation geändert werden, um der neuen Klasse gerecht zu werden? Die eine neue zu klassifizierende Information führt also möglicherweise zu tieferen Änderungen der Klassifikation. Oder abstrakter, außerhalb meines Beispiels, formuliert: Information zu interpretieren bedeutet, sie „auf den Gesamtkontext der schon verfügbaren Informationen zu beziehen“ (S. 127). Das Neue, wird es eingeordnet, verändert die Ordnung. Nur dann kann auch die Gesamtheit des Wissens größer sein als die Summe der Einzelinformationen: weil die Interpretationsleistung hinzutritt.
Breidbach legt Wert darauf, dass das Interpretieren von Informationen seinerseits keineswegs voraussetzungsfrei ist, sondern nur angemessen verstanden werden kann als Reflex der historischen Situation und des kulturellen Umfeldes, indem es geschieht. Zudem müssen die Verfahren des Interpretierens bzw. der Bewertung von Informationen selbst als Ausdruck praktischen Wissens und damit als Teil der Wissensordnung beschrieben werden: ganz schön kompliziert!
Leider trägt das Buch für den bibliothekarischen Leser wenig aus. Das hat damit zu tun, dass Breidbach zwar hin und wieder sich mit den ‘materiellen Repräsentanten’ einer Wissensordnung beschäftigt oder sie als Beispiele heranzieht, wie eben Klassifikation oder Enzyklopädie. Aber das eigentliche Geschehen der Wissensordnung ist für ihn abstrakt im „Erfahrungs-, Sprach- und Handlungsraum“ (S. 149) der Kultur zu suchen. Mehr als die Frage, wie die Dynamik des Wissens ihren angemessenen Niederschlag in den Werkzeugen der Wissensaufbereitung (z.B. in Datenbanken) finden könnte oder sollte, reizt ihn das Nachdenken darüber, wie sich die Dynamik des Wissens neurobiologisch, systemtheoretisch oder computertechnisch „modellieren“ lässt. Überlegungen zu solchen Modellen dürften allerdings nur für wenige Leser zum Verständnis des Gesamtthemas beitragen, zumal Breidbach sich zur Darstellung der jeweiligen Fachsprache bedient.
Ohnehin hat Breidbach es versäumt, auf die Zielgruppe der Edition Unseld – den interessierten und gebildeten Laien – Rücksicht zu nehmen. Er präsentiert einen Wildwuchs der Gedanken und Beispiele, der Theorien und Fachsprachen, in häufig assoziativ erscheinender Folge und mit Teilwiederholungen, deren Funktion sich nicht immer erschließt. So findet sich eine definitorisch klingende Formulierung wie „Wissen ist ...“ an die zwanzig Mal im Buch; es bleibt aber dem Leser überlassen, ob oder wie er die verschiedenen Formulierungen unter einen Hut bringt.
Breidbachs Inhaltsverzeichnis bietet ebenfalls keine Orientierung, sondern ist eine Liste aus wenig aussagekräftigen Einzelbegriffen: 75 Einträge bestehen aus einem Wort, 5 aus zweien, und es sind Worte wie „Beschreibungen“, „Zentrierungen“ oder „Kultivierungen“ (letzterer muss gleich für zwei Abschnitte herhalten). Hier hätte man dem Autor den Mut gewünscht, seinen Stoff für den Leser stärker zu reduzieren und aufzubereiten. Ich würde Interessierten jedenfalls eher David Weinbergers weniger anspruchsvolle, dafür ansprechendere und mehr an unserer Praxis orientierte, gut gelaunte kleine Kultur- und Handlungsgeschichte der Wissensordnung Everything is miscellaneous (in deutscher Übersetzung: Das Ende der Schublade) zur Lektüre empfehlen.
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Anz, Lauer und schon wieder Jochum über Open Access
Thomas Anz interviewt Gerhard Lauer zum Thema Open Access und sog. Heidelberger Appell auf www.literaturkritik.de. Habe das Interview erfreut über Lauers ruhige und differenzierte Antwort gelesen, und war auch von Anz' Fragestil ganz angetan. Und dann gesehen dass Uwe Jochum einen Leserbrief geschrieben hat. Musste ich gleich selbst einen schreiben, dessen Text ich hier wiedergebe:
Sehr geehrter Herr Anz,
vielen Dank für das Interview. Schön, dass mit Herrn Lauer mal ein Geisteswissenschaftler zu Wort kommt, der die Open Access Bewegung verstanden hat und auch zu den jüngsten Veröffentlichungen rund um den sogenannten "Heidelberger Appell" Substanzielles zu sagen weiß.
Dass Herr Jochum als Mitinitiator die Dinge anders sieht, ist ja klar. Dass er mit gezinkten Karten spielt, war zu erwarten. Nehmen Sie seine beiden Verweise auf das "Nachrechnen" mit den Links auf die beiden Texte, die zeigen sollen, dass die Open Access-Veröffentlichung nicht das billigere Publikationsmodell sei. Im "Was Open Access kostet"-Text vergleicht er die von ihm erhobenen Kosten der DVjs mit PLoS. Die DVjs ist eine geisteswissenschaftliche deutsche Zeitschrift, PLoS eine internationale aus dem STM-Bereich. Warum vergleicht er nicht mit einer renommierten OA-Veröffentlichung aus dem Geisteswissenschaftlichen Bereich? Z.B. mit "Philosopher's Imprint", eine Philosophie-Zeitschrift, die kürzlich in Brian Leiters vielgelesenem Philosophieblog Leiterreports von den Lesern unter die 10 wichtigsten Philosophie-Zeitschriften überhaupt gezählt wurde. Philosopher's Imprint nimmt keine Gebühren von den Autoren. Also: Philosopher's Imprint ist OA und -- für die UBs -- billiger als die DVjs.
Aber natürlich wählt sich jeder seine Beispiele so, wie es ihm passt, und das gilt auch für meins. Trotzdem hat Jochum geschummelt, weil er suggeriert, die Herausgeber von DVjs und PLoS würden etwa die gleichen Leistungen erbringen. Wie hoch ist z.B. die Ablehungsquote der DVjs? Wieviele Beiträge müssen redaktionell versorgt werden, um 24 Beiträge im Jahr zu veröffentlichen? BioMedCentral, ein Open Access-Anbieter im STM-Bereich, hat da mal 2007 Zahlen veröffentlicht. Die müssen schon ganz andere Mengen bewältigen.
Und Jochum hat geschummelt, wenn er so tut, als würden Autoren nichts bezahlen. Bei der DVjs vielleicht nicht, aber mit denen konkurriert PLoS ja auch nicht. Bei STM-Zeitschriften ist es durchaus üblich, dass ein Autor für die Veröffentlichung einen seitenabhängigen Preis bezahlen muss -- ohne dass danach die Zeitschrift OA zur Verfügung steht.
Also: Vergleicht man die DVjs mit mancher geisteswissenschaftlichen OA-Zeitschrift, ist sie teurer für eine UB. Vergleicht man sie mit einer biomedizinischen OA-Zeitschrift, ist der Vergleich schief.
Der zweite, "Katzengold"-genannte Text, handelt von Nationallizenzen, und er schummelt ebenfalls. Da nimmt Jochum z.B. eine Kostenschätzung von 1990 her, was die Kosten des Digitalisierens angeht, und kommt damit 2008 zum Schluss, die Gesamtdigitalisierung aller Bücher würde heute 40 Mrd. Euro kosten. Zum Vergleich: ein Digitalbild hat 2003, also 10 Jahre nach der von Jochum zitierten Schätzung, in meiner UB 5,- € gekostet, jetzt kostet es 25 Cent, also 1/20. Die anderen Zahlen in dem Artikel werden ähnlich haarsträubend berechnet; mit Open Access hat das aber nichts zu tun. Da hat Jochum bloß auf die UB Yale verwiesen, die aus dem institutionellen Abo von Biomed Central ausgestiegen ist. Jochum hat hier übrigens die Fakten falsch wiedergegeben. Die UB von Yale ist da aus der Finanzierung ausgestiegen, aber nicht die Uni; weiterhin nutzen Wissenschaftler von Yale die Publikationsmöglichkeiten von Biomed Central. Nachzulesen hier: http://blogs.openaccesscentral.com/blogs/bmcblog/entry/yale_and_open_access_publishing.
Auch beim zweiten Punkt möchte man Matth. 7,3 zitieren, wenn Jochum den "autoritativen Sprachgestus" der Entgegnung der Wissenschaftsförderinstitutionen beklagt, während er und Reuß in schon einigen Feuilletonveröffentlichungen über "Enteignung" reden; Reuß kann man zitieren mit dem Wort vom "staatsmonopolistischen Verwertungskreislauf", den er heraufdräuen sieht, zugleich mit der wissenschaftspolitischen "Machtergreifung". Meine Herren, geht's nicht ein bisschen weniger aufgeregt?
Jochum hat offenbar auch das Google Books Settlement nicht zur Kenntnis genommen oder nicht verstanden, denn nur so kann er schreiben, dass Google sich "Inhalte umstandslos aneignen" würden. Das stimmt schlicht nicht. Ja, die haben erst gescannt und dann gefragt. Verwerflich. Stimme ich zu. Aber auf dem Stand sind wir nicht mehr. Bitte genauer hinsehen.
Bemerkenswert finde ich auch die oft wiederholte Klage, die Anzeige von Büchern bei Google Books würde die Autoren hindern, weiteren Nutzen aus ihren Werken zu ziehen, insbesondere wenn es sich um lange vergriffene Werke handelt, für deren Nachdruck sich kein Verlag interessiert. Wer gelesen werden möchte, dem hilft das Google Books Programm, überhaupt gefunden zu werden! Wobei ich selbstverständlich der Meinung bin, dass jeder selbst wählen können soll, ob er gefunden werden möchte oder nicht. Aber wer, wie Jochum ja vielleicht, seine Nutzungsrechte am eigenen Buch komplett an einen Verlag übergeben hat, der muss ohnehin es diesem überlassen, sich darum zu kümmern.
Auch das Lux-Interview hat Jochum nicht richtig gelesen. Lux sagt, dort, "unsere Kunden wollen nichts bezahlen" -- damit sind die Kunden der Bibliotheken gemeint. Und dass Bibliotheken im besten Fall ihre Leistungen kostenlos zur Verfügung stellen, darin sind wir uns wohl einig! Der Interviewer übersetzt das aber in "Free Culture - dann können die Verleger doch einpacken". Das heißt, er antwortet so, als habe Frau Lux gesagt: Wir wollen alles umsonst. Ich will Jochum da keinen bösen Willen unterstellen; die Kommentare im Börsenblatt zeigen, dass auch die mitlesenden Verlagsvertreter und Buchinteressierten das großenteils erstmal so verstanden haben. Aber von einem Philologen, einem Freund des Wortes, wird man etwas genauere Lektüre -- und auch genaueres Denken! -- erwarten dürfen.
Freundliche Grüße,
...
Eigentlich müsste man den Jochumschen Behauptungen wieder genauer nachgehen. Insbesondere irritierend finde ich diese "Rechenbeispiele", wo also die Kosten der DVjs mit denen eines PLoS-Journals verglichen werden.
Sehr geehrter Herr Anz,
vielen Dank für das Interview. Schön, dass mit Herrn Lauer mal ein Geisteswissenschaftler zu Wort kommt, der die Open Access Bewegung verstanden hat und auch zu den jüngsten Veröffentlichungen rund um den sogenannten "Heidelberger Appell" Substanzielles zu sagen weiß.
Dass Herr Jochum als Mitinitiator die Dinge anders sieht, ist ja klar. Dass er mit gezinkten Karten spielt, war zu erwarten. Nehmen Sie seine beiden Verweise auf das "Nachrechnen" mit den Links auf die beiden Texte, die zeigen sollen, dass die Open Access-Veröffentlichung nicht das billigere Publikationsmodell sei. Im "Was Open Access kostet"-Text vergleicht er die von ihm erhobenen Kosten der DVjs mit PLoS. Die DVjs ist eine geisteswissenschaftliche deutsche Zeitschrift, PLoS eine internationale aus dem STM-Bereich. Warum vergleicht er nicht mit einer renommierten OA-Veröffentlichung aus dem Geisteswissenschaftlichen Bereich? Z.B. mit "Philosopher's Imprint", eine Philosophie-Zeitschrift, die kürzlich in Brian Leiters vielgelesenem Philosophieblog Leiterreports von den Lesern unter die 10 wichtigsten Philosophie-Zeitschriften überhaupt gezählt wurde. Philosopher's Imprint nimmt keine Gebühren von den Autoren. Also: Philosopher's Imprint ist OA und -- für die UBs -- billiger als die DVjs.
Aber natürlich wählt sich jeder seine Beispiele so, wie es ihm passt, und das gilt auch für meins. Trotzdem hat Jochum geschummelt, weil er suggeriert, die Herausgeber von DVjs und PLoS würden etwa die gleichen Leistungen erbringen. Wie hoch ist z.B. die Ablehungsquote der DVjs? Wieviele Beiträge müssen redaktionell versorgt werden, um 24 Beiträge im Jahr zu veröffentlichen? BioMedCentral, ein Open Access-Anbieter im STM-Bereich, hat da mal 2007 Zahlen veröffentlicht. Die müssen schon ganz andere Mengen bewältigen.
Und Jochum hat geschummelt, wenn er so tut, als würden Autoren nichts bezahlen. Bei der DVjs vielleicht nicht, aber mit denen konkurriert PLoS ja auch nicht. Bei STM-Zeitschriften ist es durchaus üblich, dass ein Autor für die Veröffentlichung einen seitenabhängigen Preis bezahlen muss -- ohne dass danach die Zeitschrift OA zur Verfügung steht.
Also: Vergleicht man die DVjs mit mancher geisteswissenschaftlichen OA-Zeitschrift, ist sie teurer für eine UB. Vergleicht man sie mit einer biomedizinischen OA-Zeitschrift, ist der Vergleich schief.
Der zweite, "Katzengold"-genannte Text, handelt von Nationallizenzen, und er schummelt ebenfalls. Da nimmt Jochum z.B. eine Kostenschätzung von 1990 her, was die Kosten des Digitalisierens angeht, und kommt damit 2008 zum Schluss, die Gesamtdigitalisierung aller Bücher würde heute 40 Mrd. Euro kosten. Zum Vergleich: ein Digitalbild hat 2003, also 10 Jahre nach der von Jochum zitierten Schätzung, in meiner UB 5,- € gekostet, jetzt kostet es 25 Cent, also 1/20. Die anderen Zahlen in dem Artikel werden ähnlich haarsträubend berechnet; mit Open Access hat das aber nichts zu tun. Da hat Jochum bloß auf die UB Yale verwiesen, die aus dem institutionellen Abo von Biomed Central ausgestiegen ist. Jochum hat hier übrigens die Fakten falsch wiedergegeben. Die UB von Yale ist da aus der Finanzierung ausgestiegen, aber nicht die Uni; weiterhin nutzen Wissenschaftler von Yale die Publikationsmöglichkeiten von Biomed Central. Nachzulesen hier: http://blogs.openaccesscentral.com/blogs/bmcblog/entry/yale_and_open_access_publishing.
Auch beim zweiten Punkt möchte man Matth. 7,3 zitieren, wenn Jochum den "autoritativen Sprachgestus" der Entgegnung der Wissenschaftsförderinstitutionen beklagt, während er und Reuß in schon einigen Feuilletonveröffentlichungen über "Enteignung" reden; Reuß kann man zitieren mit dem Wort vom "staatsmonopolistischen Verwertungskreislauf", den er heraufdräuen sieht, zugleich mit der wissenschaftspolitischen "Machtergreifung". Meine Herren, geht's nicht ein bisschen weniger aufgeregt?
Jochum hat offenbar auch das Google Books Settlement nicht zur Kenntnis genommen oder nicht verstanden, denn nur so kann er schreiben, dass Google sich "Inhalte umstandslos aneignen" würden. Das stimmt schlicht nicht. Ja, die haben erst gescannt und dann gefragt. Verwerflich. Stimme ich zu. Aber auf dem Stand sind wir nicht mehr. Bitte genauer hinsehen.
Bemerkenswert finde ich auch die oft wiederholte Klage, die Anzeige von Büchern bei Google Books würde die Autoren hindern, weiteren Nutzen aus ihren Werken zu ziehen, insbesondere wenn es sich um lange vergriffene Werke handelt, für deren Nachdruck sich kein Verlag interessiert. Wer gelesen werden möchte, dem hilft das Google Books Programm, überhaupt gefunden zu werden! Wobei ich selbstverständlich der Meinung bin, dass jeder selbst wählen können soll, ob er gefunden werden möchte oder nicht. Aber wer, wie Jochum ja vielleicht, seine Nutzungsrechte am eigenen Buch komplett an einen Verlag übergeben hat, der muss ohnehin es diesem überlassen, sich darum zu kümmern.
Auch das Lux-Interview hat Jochum nicht richtig gelesen. Lux sagt, dort, "unsere Kunden wollen nichts bezahlen" -- damit sind die Kunden der Bibliotheken gemeint. Und dass Bibliotheken im besten Fall ihre Leistungen kostenlos zur Verfügung stellen, darin sind wir uns wohl einig! Der Interviewer übersetzt das aber in "Free Culture - dann können die Verleger doch einpacken". Das heißt, er antwortet so, als habe Frau Lux gesagt: Wir wollen alles umsonst. Ich will Jochum da keinen bösen Willen unterstellen; die Kommentare im Börsenblatt zeigen, dass auch die mitlesenden Verlagsvertreter und Buchinteressierten das großenteils erstmal so verstanden haben. Aber von einem Philologen, einem Freund des Wortes, wird man etwas genauere Lektüre -- und auch genaueres Denken! -- erwarten dürfen.
Freundliche Grüße,
...
Eigentlich müsste man den Jochumschen Behauptungen wieder genauer nachgehen. Insbesondere irritierend finde ich diese "Rechenbeispiele", wo also die Kosten der DVjs mit denen eines PLoS-Journals verglichen werden.
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16 April 2009
Schopenhauer-Kierkegaard-Symposion in Kopenhagen
und zwar am 24.-26. April 2009, im Kierkegaard Research Centre, Kopenhagen, Vartov, Farvergade 27. Programm hier. Vielleicht ein bisschen kurzfristig, die Einladung :-). Für die Teilnahme am Essaywettbewerb der Gesellschaft reicht's aber noch; 1.500,- € Preisgeld für die besten 20 oder weniger Seiten zum Thema "Schopenhauers Einfluss auf die bildenden Künste", bis zum 30. September 2009. Hinweise auf der gleichen oben verlinkten Seite der Schopenhauer-Gesellschaft.
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Kongress,
Schopenhauer
15 April 2009
Gene sollte man nicht patentieren können
Die Überschrift müsste eigentlich lauten: "Gene kann man nicht patentieren". Das Problem ist, dass das Recht manchmal seltsame Wege nimmt. Aktueller Anlass: Beim Europäischen Patentamt liegt ein Patentantrag vor, gegen den heute die Antragsfrist zuende ging (hier der Bericht der Süddeutschen). Es gab mehr als 5.000 Einwendungen, und Hoffnung macht auch die Statistik, die ich eben im Radio hörte: Zwei Drittel der mit Einwendungen bedachten Anträge werden beschränkt oder kommen nicht durch.
Worum geht's? Eine Firma will ein Gentestverfahren patentieren lassen, das das Gen erkennt, mit dem Schweine dick werden. Und die damit verbundenen Auswahlmöglichkeiten als Schweinezuchtverfahren. Während das Europäische Patentamt die Folgen des Patents so bewertet, dass nur die Lizenzgebühren zahlen müssten, die das Auswahlverfahren der Firma (plus Chemietest) verwenden, befürchten Kritiker, dass schließlich alle, die überhaupt Schweine mit dieser Gensequenz züchten, zahlen müssten, also dass das Nutzungsrecht an den mit dem patentierten Verfahren erkannten Genen an die Firma überginge.
Ich denke, dass die Patentierung einer Generkennungstechnik kein Problem ist, aber die Patentierung eines Gens natürlich schon. Dabei ist für mich unerheblich, ob der Buchstabe des Patents dies aussagt oder nicht; wichtig ist, wie die Wirkung ist. Dummerweise kann man das als juristischer Laie kaum selbst beurteilen; nichtmal die Juristen sagen ja korrekt voraus, wie die Anwendung einer Rechtsnorm durch Gerichte ausfallen wird. Ob also die Demonstration heute unnötige Panikmache ist oder die letzte Möglichkeit, die Notbremse zu ziehen, weiß ich nicht. Aber in Situationen, in denen die Informationen zum Urteil nicht hinreichen, ist es wohl besser, der vorsichtigeren Einschätzung zu folgen!
Worum geht's? Eine Firma will ein Gentestverfahren patentieren lassen, das das Gen erkennt, mit dem Schweine dick werden. Und die damit verbundenen Auswahlmöglichkeiten als Schweinezuchtverfahren. Während das Europäische Patentamt die Folgen des Patents so bewertet, dass nur die Lizenzgebühren zahlen müssten, die das Auswahlverfahren der Firma (plus Chemietest) verwenden, befürchten Kritiker, dass schließlich alle, die überhaupt Schweine mit dieser Gensequenz züchten, zahlen müssten, also dass das Nutzungsrecht an den mit dem patentierten Verfahren erkannten Genen an die Firma überginge.
Ich denke, dass die Patentierung einer Generkennungstechnik kein Problem ist, aber die Patentierung eines Gens natürlich schon. Dabei ist für mich unerheblich, ob der Buchstabe des Patents dies aussagt oder nicht; wichtig ist, wie die Wirkung ist. Dummerweise kann man das als juristischer Laie kaum selbst beurteilen; nichtmal die Juristen sagen ja korrekt voraus, wie die Anwendung einer Rechtsnorm durch Gerichte ausfallen wird. Ob also die Demonstration heute unnötige Panikmache ist oder die letzte Möglichkeit, die Notbremse zu ziehen, weiß ich nicht. Aber in Situationen, in denen die Informationen zum Urteil nicht hinreichen, ist es wohl besser, der vorsichtigeren Einschätzung zu folgen!
08 April 2009
De Philosophia
Ist das griechische Schrift?
Das ist griechisch-lookalike für Kinder.
Allerdings scheint es ein paar Philosophieinteressierten so sehr gefallen zu haben, dass sie dies für ihre Zeitschrift benutzten. Es gibt ein Graduate Journal für Philosophie an der Uni Ottawa, das heißt De Philosophia. Auf der Webseite sieht man den Namen mit dieser Grafik geschrieben:
Die korrekte Transkription des Wortes ins Deutsche wäre Rheilo?orheid. Die hässliche S-Rune ist gar kein griechischer Buchstabe, aber da haben ja schon Goscinny und Uderzo gedacht, es sähe so aus.
Das ist griechisch-lookalike für Kinder.
Allerdings scheint es ein paar Philosophieinteressierten so sehr gefallen zu haben, dass sie dies für ihre Zeitschrift benutzten. Es gibt ein Graduate Journal für Philosophie an der Uni Ottawa, das heißt De Philosophia. Auf der Webseite sieht man den Namen mit dieser Grafik geschrieben:
Die korrekte Transkription des Wortes ins Deutsche wäre Rheilo?orheid. Die hässliche S-Rune ist gar kein griechischer Buchstabe, aber da haben ja schon Goscinny und Uderzo gedacht, es sähe so aus.
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Was wissen Sie über Open Access?
Wissen, das ist - Gettier-Fälle etc. beiseite - "wahre, gerechtfertigte Meinung". Wenn man liest, was Reuß, Jochum und Co über Open Access schreiben, kommt man zu dem Eindruck, dass es ihnen genügt, ihre Meinung zu rechtfertigen -- ob sie wahr ist, scheint sie nicht zu interessieren. Dabei braucht die Rechtfertigung doch "truth-tracking"-Eigenschaften und ist nicht bloß ein Sprechakt, der schon Erfolg hat, wenn man bloß das rhetorische Muster der Begründung zitiert. Die Inhalte müssen auch stimmen!
Warum dieses Wort zum Mittwoch? Weil Uwe Jochum in der FR einen Kommentar "Im Namen der Freiheit" hat veröffentlichen dürfen (aufmerksam geworden via Immateriblog via Archivalia). Die Freiheit, die Jochum dabei ausübt, ist die der Meinungsäußerung, eine ganz bemerkenswerte Freiheit wie ich finde, angesichts der Tatsache, dass der Konstanzer Bibliothekar damit sich gegen die erklärte Meinung seines Dienstherrn, den Rektor der Uni Konstanz und seiner Chefin Petra Hätscher ausspricht. Beide sind nämlich Unterzeichner der Göttinger Erklärung von 2004, in der es heißt:
Das Urheberrechtsbündnis setzt sich dafür ein,
Jochum findet es bemerkenswert, dass die Pressemitteilung der Wissenschaftsorganisationen nicht von Personen unterzeichnet ist. Er nennt das "anonymes Verwaltungskollektiv". Lustig. Dieser Vorwurf hat zwei Funktionen: zum Einen soll er den sogenannten Heidelberger Appell aufwerten, der ja namentliche Unterzeichner hat. Denn Namen sind gut, "anonyme" Organisationsvertreter sind schlecht, meint Jochum. Zum andern soll er das hier "Verwaltungshandeln" genannte als unpersönlich (= un'menschlich') kennzeichnen. Dies passt sich in das mythische Narrativ des Freiheitskampfes ein, das Reuß etc. implizit bemühen. So macht er uns klar, wer die Bösen sind. Allerdings geht das wieder mal an der Wahrheit vorbei, denn der sogenannte Heidelberger Appell richtete sich ja gegen eine den Wissenschaftsorganisationen unterstellte Forderung. Das heißt, Reuß' und Jochums Appell wurde von den Organisationen beantwortet, die in ihm angesprochen sind! Wie kann er das denen nun zum Nachteil auslegen oder gar symbolisch finden?
Spielkamp verweist auf die Unterzeichner der verschiedenen Open Access-Initiativen, in der genügend Namen stünden, sowohl von Personen als auch von Institutionen. Auch die Reaktionen auf die Artikel in den Leserbriefspalten der Zeitungen sind großenteils namentlich gezeichnet. Dass es wirklich Personen gibt, die Open Access gut finden, muss Jochum doch klar sein! Und warum die Wissenschaftsorganisationen Open Access gut finden sollten, wenn die Wissenschaftler, die durch sie vertreten wären, dass überwiegend nicht täten, muss Jochum auch erst mal erklären. -- Ach nein, besser nicht; das einzige Erklärungsmuster, das dem gerecht würde, ist die Verschwörungstheorie.
Jochum hat Spielkamp geantwortet, im Kommentar zu dessen Blogbeitrag; und wie oft merkt man auch hier: wem die Argumente ausgehen, der wird erstmal persönlich und beleidigend. Ist ein bisschen traurig, das zu beobachten. Die üblichen rhetorischen Tricks bemüht Jochum weiter, so nennt er den TAZ-Artikel von Walther "missverständlich", wo jeder leicht sehen konnte, dass der schlicht falsch war. "Missverständlich" bedeutet, dass einige Leute, die ihn glauben, danach eine falsche Meinung über die Welt haben, während andere eine wahre haben (weil ihre Interpretation besser ist). "Falsch" bedeutet, dass alle Leute, die ihn glaubten, danach falsche Meinungen über die Welt haben. Zum Glück sind das wohl nicht so viele.
Auch seinen Hinweis auf das "kontextbezogene"Argumentieren kann man eigentlich nur lächerlich finden. Diese Art von Kontextualisierung ist eine Immunisierung gegen Argumente:
Warum dieses Wort zum Mittwoch? Weil Uwe Jochum in der FR einen Kommentar "Im Namen der Freiheit" hat veröffentlichen dürfen (aufmerksam geworden via Immateriblog via Archivalia). Die Freiheit, die Jochum dabei ausübt, ist die der Meinungsäußerung, eine ganz bemerkenswerte Freiheit wie ich finde, angesichts der Tatsache, dass der Konstanzer Bibliothekar damit sich gegen die erklärte Meinung seines Dienstherrn, den Rektor der Uni Konstanz und seiner Chefin Petra Hätscher ausspricht. Beide sind nämlich Unterzeichner der Göttinger Erklärung von 2004, in der es heißt:
Das Urheberrechtsbündnis setzt sich dafür ein,
[g]eeignete rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um die digitale Bereitstellung des Wissens nach dem Open Access-Prinzip national, europäisch und global zu fördern. Dazu gehört die Realisierung folgender Maßnahmen:
[...]
- Maßnahmen der wissenschaftlichen Einrichtungen und öffentlichen Forschungsförderinstitutionen zu unterstützen, die die bei ihnen beschäftigten bzw. durch sie geförderten Wissenschaftler verpflichten, ihre aus öffentlichen Mitteln finanzierten Arbeiten in OA-Repositories bereitzustellen, unbeschadet ihrer Möglichkeit, parallel dazu eine Veröffentlichung über andere Publikationsformen ihrer Wahl vorzunehmen.
Jochum findet es bemerkenswert, dass die Pressemitteilung der Wissenschaftsorganisationen nicht von Personen unterzeichnet ist. Er nennt das "anonymes Verwaltungskollektiv". Lustig. Dieser Vorwurf hat zwei Funktionen: zum Einen soll er den sogenannten Heidelberger Appell aufwerten, der ja namentliche Unterzeichner hat. Denn Namen sind gut, "anonyme" Organisationsvertreter sind schlecht, meint Jochum. Zum andern soll er das hier "Verwaltungshandeln" genannte als unpersönlich (= un'menschlich') kennzeichnen. Dies passt sich in das mythische Narrativ des Freiheitskampfes ein, das Reuß etc. implizit bemühen. So macht er uns klar, wer die Bösen sind. Allerdings geht das wieder mal an der Wahrheit vorbei, denn der sogenannte Heidelberger Appell richtete sich ja gegen eine den Wissenschaftsorganisationen unterstellte Forderung. Das heißt, Reuß' und Jochums Appell wurde von den Organisationen beantwortet, die in ihm angesprochen sind! Wie kann er das denen nun zum Nachteil auslegen oder gar symbolisch finden?
Spielkamp verweist auf die Unterzeichner der verschiedenen Open Access-Initiativen, in der genügend Namen stünden, sowohl von Personen als auch von Institutionen. Auch die Reaktionen auf die Artikel in den Leserbriefspalten der Zeitungen sind großenteils namentlich gezeichnet. Dass es wirklich Personen gibt, die Open Access gut finden, muss Jochum doch klar sein! Und warum die Wissenschaftsorganisationen Open Access gut finden sollten, wenn die Wissenschaftler, die durch sie vertreten wären, dass überwiegend nicht täten, muss Jochum auch erst mal erklären. -- Ach nein, besser nicht; das einzige Erklärungsmuster, das dem gerecht würde, ist die Verschwörungstheorie.
Jochum hat Spielkamp geantwortet, im Kommentar zu dessen Blogbeitrag; und wie oft merkt man auch hier: wem die Argumente ausgehen, der wird erstmal persönlich und beleidigend. Ist ein bisschen traurig, das zu beobachten. Die üblichen rhetorischen Tricks bemüht Jochum weiter, so nennt er den TAZ-Artikel von Walther "missverständlich", wo jeder leicht sehen konnte, dass der schlicht falsch war. "Missverständlich" bedeutet, dass einige Leute, die ihn glauben, danach eine falsche Meinung über die Welt haben, während andere eine wahre haben (weil ihre Interpretation besser ist). "Falsch" bedeutet, dass alle Leute, die ihn glaubten, danach falsche Meinungen über die Welt haben. Zum Glück sind das wohl nicht so viele.
Auch seinen Hinweis auf das "kontextbezogene"Argumentieren kann man eigentlich nur lächerlich finden. Diese Art von Kontextualisierung ist eine Immunisierung gegen Argumente:
Jochum: "OA-Befürworter zeigen sich namentlich nicht!"Muss ich mir merken. "Kontextbezogenes Argumentieren". Beliebige Äußerungen werden wahr, indem man die Kontexte willkürlich definiert, in denen sie gelten sollen. "Alle Autos werden von VW gebaut!" - "Moment mal, da fährt gerade ein Mercedes vorbei." - "Ja, aber ich bezog mich nur auf diesen Golf, der hier vor mir steht."
Spielkamp: "Aber das haben sie doch schon, da und dort!" zeigt Liste
Jochum: "Korrekt, aber ich bezog mich nur auf das eine einzige Schriftstück, in dem sie es nicht haben! Man nennt das kontextbezogenes Argumentieren, eine Kunst, die sie offensichtlich erst noch lernen müssen!"
Tags:
Jochum,
Open Access
07 April 2009
Kongresse
Auf idw gesehen: Die GAP weist nochmal auf ihren Kongress im September hin; er hat eine eigene Webseite (www.gap7.de) mit der Möglichkeit der Online-Anmeldung.
In Oslo kann man im August nächsten Jahres über die Philosophie der Computerspiele nachdenken: www.gamesphilosophy.org. Call for papers läuft noch bis zum 1. Juni.
In Oslo kann man im August nächsten Jahres über die Philosophie der Computerspiele nachdenken: www.gamesphilosophy.org. Call for papers läuft noch bis zum 1. Juni.
06 April 2009
Bemerkungen zur Argon-Audimax-Reihe
Der Argon-Verlag hat, zusammen mit der Frankfurter Rundschau, eine Reihe von "Hörbüchern" zur Einführung in Philosophen herausgebracht. Das sind von Sprechern gelesene Aufsätze bekannter Verfasser; so z.B. von Uwe Dreisholtkamp über Derrida aus dem WBG-Band "Philosophen der Gegenwart". Als Zugabe ist ein pdf mit tabellarischem Lebenslauf und Angaben zu Derridas Werken auf dem Datenträger. Eine echte CD ist es leider nicht: zwar spielt der CD-Player das ab, aber die Tracks lassen sich nicht ohne weiteres rippen und auf den eigenen MP-3-Player kopieren. Sehr schade, denn solche Einführungen sind klassischerweise etwas zum Nebenbei-Hören - dafür wünsche ich mir die Möglichkeit zur Formatkonversion.
Hhm, gerade ein bisschen in die Amazon-Rezensionen zur ganzen Reihe reingesehen: dort wird moniert, die Texte seien zu kompliziert zum Hören und zur Einführung.
Hhm, gerade ein bisschen in die Amazon-Rezensionen zur ganzen Reihe reingesehen: dort wird moniert, die Texte seien zu kompliziert zum Hören und zur Einführung.
Tags:
Analytische Philosophie,
Einführung,
Hörbuch
04 April 2009
Wie illustriert man Spinozas Humanismus?
Selten fällt mir ein Buch auf, weil es ein gutgemachtes Titelbild hat. Aber bei Douglas J. Den Uyls Buch über God, Man & Well being : Spinoza's modern humanism (New York u.a. : Lang, 2008) musste ich unwillkürlich lächeln:
(Leider habe ich keine größere Version des Titelbildes finden können.)
(Leider habe ich keine größere Version des Titelbildes finden können.)
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