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07 Mai 2007

Dichtung und Wahrheit in der Literaturtheorie

Während ich die Frage, was fiktionale Gegenstände von nichtfiktionalen unterscheidet, nicht besonders spannend finde, weil ich das genau weiß, und die Frage, ob fiktionale Gegenstände "existieren", sinnlos, weil ich weiß, welche Daseinsform sie haben, finde ich die Frage nach der "objektiven Gültigkeit von Interpretationshypothesen" wichtig und spannend. Maria E. Reicher hat mit Fiktion, Wahrheit, Wirklichkeit einen Sammelband über die "philosophischen Grundlagen der Literaturtheorie" (Untertitel) herausgegeben, der 2007 bei mentis erschien. Der Band widmet sich genau den genannten Fragen sowie derjenige nach dem sprechakttheoretischen Status fiktionaler Rede, und alle vier Fragen bekommen zwei Stellungnahmen. Allerdings gibt es leider nur einen Originalbeitrag, alle anderen sind zum Teil sogar olle Kamellen. Searles Aufsatz etwa stammt von 1975, Peter van Inwagens Fiktionale Geschöpfe von 1977. Trotzdem ein lesenswerter Einblick in die analytisch geprägte Literaturtheorie. Man muss allerdings hinzufügen, dass die großenteils von Philosophen geführt wird, die offenbar wenig Kenntnis der sonstigen literaturtheoretischen Diskussion haben: so ist klar, warum eine Theorie der Fiktion wichtig ist für eine Theorie der Bedeutung überhaupt, aber weitaus weniger klar, welche Folgen eine Klärung des "ontologischen Status fiktionaler Gegenstände" denn für unser Literaturverständnis haben könnte. Darum finde ich auch die Sache mit der "Gültigkeit der Interpretationshypothesen" am spannendsten. Auch hier hätte der Band vielleicht von ein paar neuen Gedanken profitieren können, denke ich: so scheint es mir naheliegend, nicht wirklich den Intentionalismus als ernsthaften Theorie-Kandidaten ins Feld zu führen (Es ist wahr, dass Hamlet einen Ödipus-Komplex hatte, wenn der Autor dies so schreiben wollte), sondern es mal mit einem Kontextualistischen Ansatz zu probieren.

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