26 September 2008
Philosophiedidaktik und Wissenschaftstheorie
Martin Euringer vollzieht "metatheoretische Analysen zur Fachdidaktik Philosophie" in seinem neuen Buch Vernunft und Argumentation (seine Habil). Erschienen bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, Darmstadt 2008. -- Metatheorie klingt für mich ein bisschen abschreckend, wenn man an der Praxis interessiert ist, aber der Klappentext versichert, wer die Didaktiken besser verstehe, könne sie dann auch verbessern. Hilft einem das Buch also dabei, ein besserer Philosophielehrer zu werden? Vielleicht gibts einen Philosophielehrer, der dies mal prüfen will?
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Didaktik
22 September 2008
Populäre Irrtümer
Der Stern online bietet ein kleines Quiz zum Durchklicken an: Populärer Irrtümer der Kultur. Ich falle immer wieder auf so etwas herein.
Frage 7: Gibt es Einhörner?
Multiple Choice Antworten:
Laut Stern ist die richtige Antwort D!
Dann hätte ich eigentlich abbrechen sollen, habe aber noch Frage 8 angesehen.
Michelangelo verstand sich in erster Linie als:Kommentar überflüssig.
Aber nochmal zurück zum Einhorn. Die richtige Antwort ist D), weil man früher mal etwas gefunden hat, was man für Überbleibsel von Einhörnern gehalten hat? Oder meinen die: es gibt Einhörner, aber was man früher für die Hörner von Einhörnern gehalten hat, sind keine, so dass Stern aufgrund ganz neuer eigener wissenschaftlicher Erkenntnisse vermelden kann, es gab doch welche?
Frage 7: Gibt es Einhörner?
Multiple Choice Antworten:
Dann hätte ich eigentlich abbrechen sollen, habe aber noch Frage 8 angesehen.
Michelangelo verstand sich in erster Linie als:
Habe, eingedenk der Bauten in Florenz, C) angeklickt.
Stern aber meint:
Ihre Antwort "C: ...Architekt." war leider falsch.
Die richtige Antwort ist "B: ...Bildhauer".
Michelangelo Buonarroti (1475-1564) war Maler, Bildhauer, Architekt und Dichter. Er selbst verstand sich vor allem als Maler.
Aber nochmal zurück zum Einhorn. Die richtige Antwort ist D), weil man früher mal etwas gefunden hat, was man für Überbleibsel von Einhörnern gehalten hat? Oder meinen die: es gibt Einhörner, aber was man früher für die Hörner von Einhörnern gehalten hat, sind keine, so dass Stern aufgrund ganz neuer eigener wissenschaftlicher Erkenntnisse vermelden kann, es gab doch welche?
21 September 2008
Das Zwei-Götter-Argument
Müssen Meinungen propositionalen Gehalt haben? David Lewis versucht dies mit dem folgenden Beispiel zu widerlegen:
Inwiefern ist das ein Argument dafür, dass es Meinungen ohne propositionalen Gehalt gibt? Der Gedanke verläuft ungefähr so: Die Götter wissen jede Proposition. Sie könnten aber noch mehr wissen, nämlich wer sie sind, bzw. ob sie auf dem höchsten Berg leben. Über diesen Sachverhalt haben sie vielleicht eine Meinung. Diese kann dann keinen propositionalen Gehalt haben, weil alle Propositionen ja gewusst werden.
Wirkt auf mich zirkulär...
Mehr darüber in Neil Feit: Belief about the Self : a defense of the property theory of content. Oxford : Oxford University Press, 2008. Das Szenario und eine Diskussion darin S. 34ff.
Stellen wir uns zwei Götter vor. Sie bewohnen eine bestimmte mögliche Welt, und sie wissen genau, welche Welt das ist. Daher wissen sie jede Proposition, die wahr ist in dieser Welt. In dem Sinne, dass Wissen eine propositionale Einstellung ist, sind sie allwissend. Trotzdem kann ich mir vorstellen, dass sie in einem bestimmten Punkt unwissend sind: keiner von beiden weiß, welcher Gott er ist. Sie sind nicht exakt gleich. Einer lebt auf dem höchsten Berg und wirft mit Manna, der andere lebt auf dem kältesten Berg und schmeißt mit Blitzen. Keiner von beiden weiß, ob er auf dem kältesten oder dem höchsten Berg lebt und ob er mit Manna oder mit Blitzen wirft.
(D. Lewis, Attitudes De Dicto and De Se. Philosophical Review 87, 513-545).
Inwiefern ist das ein Argument dafür, dass es Meinungen ohne propositionalen Gehalt gibt? Der Gedanke verläuft ungefähr so: Die Götter wissen jede Proposition. Sie könnten aber noch mehr wissen, nämlich wer sie sind, bzw. ob sie auf dem höchsten Berg leben. Über diesen Sachverhalt haben sie vielleicht eine Meinung. Diese kann dann keinen propositionalen Gehalt haben, weil alle Propositionen ja gewusst werden.
Wirkt auf mich zirkulär...
Mehr darüber in Neil Feit: Belief about the Self : a defense of the property theory of content. Oxford : Oxford University Press, 2008. Das Szenario und eine Diskussion darin S. 34ff.
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David Lewis,
Gedankenexperiment,
Meinung,
Proposition
18 September 2008
Philosophie in D
Neulich hat Marion Hartig im Spiegel Online unter dem reißerischen Titel Gehen Deutschland die Denker aus? ein paar interessante Dinge niedergeschrieben; ein Kollege machte mich darauf aufmerksam.
Ich habe aus dem Artikel einiges gelernt. Nida-Rümelin etwa wird zitiert mit der Feststellung, "kein Fach" sei "so stark am Puls der Zeit" wie die Philosophie. Als Beleg werden dann drei Fragen angeführt: ist Folterandrohung in der Verbrechensbekämpfung erlaubt? Stammzellenforschung? Sterbehilfe? Glaubt man dem, besteht die Aktualität der Philosophie in der praktischen Ethik.
Carl Friedrich Gethmann, zur Zeit Präsident der DGPhil, wird ebenfalls befragt, und er findet, dass die deutschen Philosophen mit den Briten und Amerikanern "auf Augenhöhe" seien. Dies ist sicher eine Qualitätsbeurteilung; ich läse das gern mal umgemünzt in eine bibliometrische Untersuchung über die jeweilige Rezeption!
Gethmann heißt gut, dass sich das Fach neu orientiert habe. In den 60er Jahren seien "60% der Lehrstühle auf die Geschichte der Philosophie ausgerichtet" gewesen, "heute nur noch 20" (Prozent). Heißt das, dass eine systematische Unterrichtung der Studierenden in historischen Themen nur an philosophischen Seminaren stattfindet, die mindestens fünf Lehrstühle haben?
An deutschen Hochschulen gebe es etwa 150 Lehrstühle, wenn davon 20% historisch gewidmet sind, dann sind das 30 Lehrstühle für Philosophiegeschichte. Vielleicht meinte Gethmann aber auch nicht Lehrstühle, sondern Professuren, deren es etwa 330 gibt (sagt der Artikel). Und während in den letzten 12 Jahren die Studierendenzahlen von 24.000 auf 15.000 gesunken seien, sei die Zahl der Professoren nicht zurückgegangen. Was folgern wir aus diesen Zahlen?
Hat sich das Betreuungsverhältnis gebessert?
Auch die Zahlen selbst wirken etwas merkwürdig. Der Wissenschaftsrat hat in seiner Erhebung zur Lage der Geisteswissenschaften (pdf) in Deutschland, die ich schon mal kommentierte, zwischen 1990 und 2003 ein Schwanken um 20.000 Studierende zu verzeichnen (statistischer Anhang). Das "Wissenschaftliche Personal" ist zwischen 1997 und 2003 sogar leicht gestiegen, von 1097 auf 1127 (S. 138), Professuren gibt 1997 und 2003 299.
Ich habe aus dem Artikel einiges gelernt. Nida-Rümelin etwa wird zitiert mit der Feststellung, "kein Fach" sei "so stark am Puls der Zeit" wie die Philosophie. Als Beleg werden dann drei Fragen angeführt: ist Folterandrohung in der Verbrechensbekämpfung erlaubt? Stammzellenforschung? Sterbehilfe? Glaubt man dem, besteht die Aktualität der Philosophie in der praktischen Ethik.
Carl Friedrich Gethmann, zur Zeit Präsident der DGPhil, wird ebenfalls befragt, und er findet, dass die deutschen Philosophen mit den Briten und Amerikanern "auf Augenhöhe" seien. Dies ist sicher eine Qualitätsbeurteilung; ich läse das gern mal umgemünzt in eine bibliometrische Untersuchung über die jeweilige Rezeption!
Gethmann heißt gut, dass sich das Fach neu orientiert habe. In den 60er Jahren seien "60% der Lehrstühle auf die Geschichte der Philosophie ausgerichtet" gewesen, "heute nur noch 20" (Prozent). Heißt das, dass eine systematische Unterrichtung der Studierenden in historischen Themen nur an philosophischen Seminaren stattfindet, die mindestens fünf Lehrstühle haben?
An deutschen Hochschulen gebe es etwa 150 Lehrstühle, wenn davon 20% historisch gewidmet sind, dann sind das 30 Lehrstühle für Philosophiegeschichte. Vielleicht meinte Gethmann aber auch nicht Lehrstühle, sondern Professuren, deren es etwa 330 gibt (sagt der Artikel). Und während in den letzten 12 Jahren die Studierendenzahlen von 24.000 auf 15.000 gesunken seien, sei die Zahl der Professoren nicht zurückgegangen. Was folgern wir aus diesen Zahlen?
Hat sich das Betreuungsverhältnis gebessert?
Auch die Zahlen selbst wirken etwas merkwürdig. Der Wissenschaftsrat hat in seiner Erhebung zur Lage der Geisteswissenschaften (pdf) in Deutschland, die ich schon mal kommentierte, zwischen 1990 und 2003 ein Schwanken um 20.000 Studierende zu verzeichnen (statistischer Anhang). Das "Wissenschaftliche Personal" ist zwischen 1997 und 2003 sogar leicht gestiegen, von 1097 auf 1127 (S. 138), Professuren gibt 1997 und 2003 299.
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Deutschland
16 September 2008
Beabsichtigte Nebeneffekte
Bin über das Buch Experimental philosophy, hg. von Joshua Knobe und Shaun Nichols (Oxford : Oxford University Press) auf einen interessanten Aufsatz gestoßen. Auf die Webseite zur experimentellen Philosophie hatte ich hier schon hingewiesen.
Joshua Knobe veröffentlichte 2003 in Analysis 63, 190-193 einen Aufsatz (hier als pdf online) mit dem Titel Intentional action and side-effects in ordinary language. Darin beschäftigte er sich nicht mit der Frage, wie er den wohl Nebeneffekte von Handlungen beurteilen würde, sondern, mit den Methoden der experimentellen Psychologie, wie andere darauf reagieren. Er präsentierte seinen Probanden jeweils eines der beiden Szenarien:
A) ein Geschäftsmann entscheidet sich für eine bestimmte Handlung. Er weiß, dass diese Handlung zwei Folgen hat. 1. er wird ganz viel Geld verdienen, 2. die Handlung wird der Umwelt schaden. Doch während 1. ihm wichtig ist, ist 2. ihm egal.
B) ein Geschäftsmann entscheidet sich für eine bestimmte Handlung. Er weiß, dass diese Handlung zwei Folgen hat. 1. er wird ganz viel Geld verdienen, 2. die Handlung wird die Umweltbedingungen verbessern. Doch während 1. ihm wichtig ist, ist 2. ihm egal.
Die Probanden sollten entscheiden, ob der Nebeneffekt "2." jeweils absichtlich herbeigeführt worden war. Dabei zeigte sich für die Mehrheit der Antworten eine Asymmetrie: In Szenario A wurde überwiegend der Nebeneffekt des Schadens als absichtlich beurteilt, in Szenario B der Nebeneffekt des Nutzens überwiegend nicht. Woran liegts?
Die offensichtliche Antwort ist, dass schlechte (Neben-)Folgen stärker in Betracht gezogen werden als gute. Das scheint mir ohnehin auf der Hand zu liegen, weil wir auch ein asymmetrisches moralisches Vokabular haben. Man kann nämlich über schlechte Folgen sagen, dass man sie "in Kauf genommen" hat, während es bei guten keinen entsprechenden Ausdruck gibt. Vorausgesehene schlechte Folgen führen immer dazu, dass bei der Handlungsbegründung ein "obwohl" stehen muss: "Ich wollte dies, obwohl ..." Bei guten Folgen ist das gleichgültig, weil überhaupt kein moralisches Urteil der Handlung gefragt ist.
Joshua Knobe veröffentlichte 2003 in Analysis 63, 190-193 einen Aufsatz (hier als pdf online) mit dem Titel Intentional action and side-effects in ordinary language. Darin beschäftigte er sich nicht mit der Frage, wie er den wohl Nebeneffekte von Handlungen beurteilen würde, sondern, mit den Methoden der experimentellen Psychologie, wie andere darauf reagieren. Er präsentierte seinen Probanden jeweils eines der beiden Szenarien:
A) ein Geschäftsmann entscheidet sich für eine bestimmte Handlung. Er weiß, dass diese Handlung zwei Folgen hat. 1. er wird ganz viel Geld verdienen, 2. die Handlung wird der Umwelt schaden. Doch während 1. ihm wichtig ist, ist 2. ihm egal.
B) ein Geschäftsmann entscheidet sich für eine bestimmte Handlung. Er weiß, dass diese Handlung zwei Folgen hat. 1. er wird ganz viel Geld verdienen, 2. die Handlung wird die Umweltbedingungen verbessern. Doch während 1. ihm wichtig ist, ist 2. ihm egal.
Die Probanden sollten entscheiden, ob der Nebeneffekt "2." jeweils absichtlich herbeigeführt worden war. Dabei zeigte sich für die Mehrheit der Antworten eine Asymmetrie: In Szenario A wurde überwiegend der Nebeneffekt des Schadens als absichtlich beurteilt, in Szenario B der Nebeneffekt des Nutzens überwiegend nicht. Woran liegts?
Die offensichtliche Antwort ist, dass schlechte (Neben-)Folgen stärker in Betracht gezogen werden als gute. Das scheint mir ohnehin auf der Hand zu liegen, weil wir auch ein asymmetrisches moralisches Vokabular haben. Man kann nämlich über schlechte Folgen sagen, dass man sie "in Kauf genommen" hat, während es bei guten keinen entsprechenden Ausdruck gibt. Vorausgesehene schlechte Folgen führen immer dazu, dass bei der Handlungsbegründung ein "obwohl" stehen muss: "Ich wollte dies, obwohl ..." Bei guten Folgen ist das gleichgültig, weil überhaupt kein moralisches Urteil der Handlung gefragt ist.
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Empirie,
Experiment,
Psychologie
12 September 2008
Neue Reprints
Bisher ist mir der Adlibri-Verlag nicht aufgefallen. Eine kurze Googelei findet nur die Einträge in den Branchenverzeichnissen; eine Webpräsenz scheint es nicht zu geben.
Adlibri veröffentlicht neuerdings Reprints von philosophischen Titeln. Angekündigt sind z.B. Max Müller, Philosophische Anthropologie (war mal bei Alber in den 70er Jahren), oder Wilhelm Perpeet: Ästhetik im Mittelalter (war auch mal bei Alber), oder Otto F. Bollnow, Studien zur Hermeneutik 1 (war auch mal bei Alber).
[Update 13.10.] Titel des Postings geändert, klang zu negativ. -- Inzwischen habe ich erfahren, dass Adlibri eine Lizenzvereinbarung mit Alber hat über die Veröffentlichung von ein paar Titeln getroffen hat (wobei die Rechte an Perpeets Werk wieder bei der Erbin liegen). Adlibri ist dabei wohl auf Alber zugekommen.
Adlibri veröffentlicht neuerdings Reprints von philosophischen Titeln. Angekündigt sind z.B. Max Müller, Philosophische Anthropologie (war mal bei Alber in den 70er Jahren), oder Wilhelm Perpeet: Ästhetik im Mittelalter (war auch mal bei Alber), oder Otto F. Bollnow, Studien zur Hermeneutik 1 (war auch mal bei Alber).
[Update 13.10.] Titel des Postings geändert, klang zu negativ. -- Inzwischen habe ich erfahren, dass Adlibri eine Lizenzvereinbarung mit Alber hat über die Veröffentlichung von ein paar Titeln getroffen hat (wobei die Rechte an Perpeets Werk wieder bei der Erbin liegen). Adlibri ist dabei wohl auf Alber zugekommen.
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Reprint
10 September 2008
Darf man Wikipedia zitieren?
Natürlich darf man, auch als Wissenschaftler/in. Die Frage ist a), was man damit sagen will und b), ob man richtig zitiert. B) lasse ich hier mal weg; dass es Versionen von Artikeln gibt, gilt ja auch für die Stanford Encyclopedia. Und für die Frage a) weise ich auf Lisa Spiros Untersuchung, wo wie oft Wikipedia tatsächlich zitiert wird.
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