Jawohl! Und weil das so ist, sagt es auch der Wissenschaftsrat. Der hat in einer kürzlich (27.1.) verabschiedeten Erklärung zur Situation der Geisteswissenschaften in Deutschland (pdf) festgestellt, dass diese eigentlich auf gutem Niveau gepflegt werden, die "stellenweise noch gepflegte Krisenrhetorik" sei "deplaziert und ungeeignet", zu Verbesserungen zu führen.
Unis, an denen Geisteswissenschaften überhaupt gelehrt werden, sollten fünf Kernbereiche pflegen, deren 4. nennt der WR "Erkenntnis / Ethik / Religion". Da verstecken sich die großen Fragen drin. Übrigens haben die Geisteswissenschaften innerhalb der Uni ihren originären institutionellen Rahmen, darum kann der WR auch keine Ausweitung der Forschung außerhalb der Uni empfehlen. Das ist wohl der alte Humboldtsche Bildungsgedanke. Wenn die Orientierungswissenschaften schon Orientierung geben, dann sollen sie sie bitteschön auch gleich weitergeben. Temporär dürfen Unimitarbeiter aber von der Lehre entlastet werden, und von Verwaltungsaufgaben auch.
Der Arbeitsmarkt bietet übrigens "gute Chancen", weil 5 Jahre nach Abschluss immerhin 73% der Absolventen eine feste Stelle haben. Bei den übrigen Fächern sind es 89%, und das betrachtet der WR als "Annäherung".
Die Philosophie gehört zu den Disziplinen, die der WR exemplarisch mit untersucht. Einige Feststellungen im Bericht können schon verblüffen. So meint der WR, dass, auch wenn Englisch die herausragende Wissenschaftssprache geworden ist, in der Philosophie wie in der Germanistik "herausragende Forschung ohne Kenntnis der deutschsprachigen Forschungsliteratur nicht betrieben werden kann". Das liege, im Unterschied zu den Altertumswissenschaften, wo es etwas mit der Geschichte der Disziplin zu tun habe, "in der Natur der Gegenstände" (S. 16). Tja, das leuchtet ein für die Germanistik, wo die Gegenstände ja auch auf Deutsch sind, aber in der Philosophie? Oder wird hier bloß das Bild der Philosophiegeschichte als Stärke der deutschen Universitätsphilosophie wiederholt?
Der WR meint, dass man Veröffentlichungen nicht einfach auf englisch abliefern könne, die deutsche Sprache sei "ein Konstituens von Denkstilen und damit Voraussetzung von intellektueller Vielfalt". Ich stelle mir vor, dass eine solche These einer Überprüfung zugänglich ist; und die würde mich auch sehr interessieren!
EIN PAAR ZAHLEN
Interessant ist auch der statistische Anhang. Daraus geht hervor, dass die Zahl der Studierenden des Faches von 1990 bis 2003 etwa so um 20.000 geschwankt hat. Dabei ist die Zahl der Studierenden der Geisteswissenschaften aber von 260.000 auf 360.000 gestiegen. Entsprechend sank der prozentuale Anteil von 7,7% auf 5,5%. Am meisten zugelegt haben Germanistik und Anglistik von den großen Fächern und die Bibliothekswissenschaft / Publizistik von den kleinen. -- Hätten Sie gedacht, dass es mehr Musikwissenschaftler als Philosophen (unter den Studierenden) gibt?
Die Zahl der Studienanfänger ist in der Philosophie allerdings nach anfänglichem Rückgang wieder gestiegen, von rd. 2350 (1990) auf 2.000 (1993) bis 2.900 (2003). Da könnte man, wenn man die Studiendauer nicht berücksichtigt, auf die Idee kommen, dass die Zahl der Abbrecher zugenommen haben muss... Aber das kann nicht stimmen, denn die Zahl der Abschlüsse hat auch zugenommen, von 315 (1990) auf 830 (2003). -- Bei einer angenommenen durchschnittlichen Studienzeit von, seien wir großzügig, zwölf Semestern, müsste man ja aus der Zahl der Studienbeginner und derjenigen der Abschließer die Abbruchquote ausrechnen können.
A propos Studienabbruch. Die Schwundbilanz der Sprach- und Kulturwissenschaften (unter diese ist in der Tabelle die Philosophie mit gefasst) spricht für sich. Abbruch und Studienplatzwechsel sind mit "Zuwanderung" verrechnet, die Schwundbilanz beträgt trotzdem 47% (2002), schon gesunken gegenüber 1999 (55%). Wenn also von den übriggebliebenen 53% nach 5 Jahren 73% der Absolventen eine feste Stelle haben, dann heißt das, dass 38% von denjenigen, die mal ein geisteswissenschaftliches Studium begonnen haben, schließlich auf einer festen Stelle landen (dabei bleiben jetzt die unberücksichtigt, die ihr Studium abbrechen, weil ihnen eine feste Stelle angeboten worden ist). Bei den Naturwissenschaften beträgt die Schwundbilanz 39%, so dass sich als gleicher Wert (feste Stelle nach begonnenem Studium) etwas über 50% ergibt. Die Medizin hat 2003 die tollste Schwundquote, nämlich 0%.
30 Januar 2006
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