Ich finde es einen interessanten Gedanken, die Sprachlichkeit gerade darin zu begründen, dass es zunächst nicht verständlich ist -- aber so würde ich es sicher nicht ausdrücken. Das scheint doch das Unverständliche ein bisschen hoch zu hängen. Eher weiter kommt man vielleicht mit der Beobachtung, dass Musik -- wie Sprache -- zuweilen den Eindruck erweckt, man habe sie verstanden. Diesen Eindruck kann man behalten, er wird durch das Weiterhören nicht beschädigt, selbst wenn man sich in Wirklichkeit darin irrt, dass man die Musik versteht.Der Irrtum ist meiner Meinung nach darin begründet, dass Sprache seit jeher als primär akustische gedacht wird.
Aber dass Musik aber vielleicht doch sprachliche Eigenschaften hat, sieht man
eben an der Tatsache, dass Musik eben nicht a priori verständlich ist, oder
vielleicht überhaupt verständlich sein kann. Da braucht man gar nicht bis zu
John Cage gehen, das fängt schon bei meinen Eltern an, die meinen Musikgeschmack
nicht "verstehen". Auch indische oder orientalische Musik klingt für ungeübte
Ohren zunächst eine Ansammlung falscher Töne.
Es gibt also doch eine gewisse Idiomazität in der Musik, das kann man nicht
leugnen.
Als Beleg eine Beobachtung des ehemaligen Göttinger Musikethnologen Brandtl: Er war mal bei einem Konzert einer afrikanischen Jazzband in einem Frankfurter (?) Musikkeller. Die Musik der Schwarzafrikaner war so swingend, dass das Publikum anfing, dazu zu tanzen. Mitten im Stück brachen die Spieler jedoch ab und baten darum, nicht mehr zu tanzen. Der Anblick der Tänzer würde sie stören, weil die Tänzer falsch tanzten. Die Erklärung: Europäische Ohren nehmen die tiefen Töne als Maß für den Rhythmus. Die Afrikaner richteten sich hingegen nach dem Schlagzeug, dass in mittlerer Höhe gespielt wurde. Die Tänzer betonten also die falsche "Eins" im Takt. Es wäre ihnen nie aufgefallen...
Bin nun zweieinhalb Wochen still. Gutes neues Jahr!
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