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25 August 2006

Planetendefinitionen

Pluto ist kein Planet, na und.
Als Planet soll in Zukunft nur mehr gelten, was
  • die Sonne umläuft auf einer kreisähnlichen Bahn,
  • annähernd kugelförmig ist
  • und ein bisschen freien Raum um sich hat.
Pluto fällt da raus, wegen des 3. Kriteriums. Spiegel online titelt in dem oben verlinkten Artikel, Pluto sei "kein Planet mehr" -- aber ist er je einer gewesen? Denn offenbar entsprach er ja noch nie dieser Definition. Ich finde dieses "nicht mehr" erstaunlich, denn wir verwenden es normalerweise, wenn sich das besprochene selbst verändert: und nicht, wenn die Rede darüber sich ändert.

Natürlich hätten die Planeten auch so bleiben können, wie sie waren: Man hätte das Planetentum einfach extensional definieren müssen: Planet ist jedes Element der Menge {Merkur, Venus, Erde, Mars ..... Pluto}. Dafür wären natürlich auch keine zusätzlichen Planeten nötig gewesen. Aber die Naturwissenschaften haben etwas gegen derartige Definitionen, und warum das so ist, liegt ja auf der Hand. Geisteswissenschaftler tun sich da leichter. Z.B. kenne ich keine intensionale Definition von Literatur, die allen Texten gerecht wird, die ich für Literatur halte (wenn man diese Definition zugleich noch einigermaßen einfach haben möchte und nicht als unendliche Konjunktion von Eigenschaften).

16 August 2006

Ortega y Gasset und Madrid

Wer sich für José Ortega y Gasset interessiert, wird am mehrpfündigen Ausstellungskatalog El Madrid de Ortega nicht vorbeikommen. Die Ausstellung fand vom 23. Mai bis zum 23. Juni in Madrid statt. Der bilderreiche, sorgfältig zusammengestellte Band wurde von José Lasaga herausgegeben und kostet 50 €. Er bietet ein Kaleidoskop von Eindrücken aus dem Leben und Umfeld Ortegas -- die zugehörige Website zeigt einige Kostproben und ist ebenfalls schön gemacht.

Wer ist der Größte?

Gerade liegt der fünfte und letzte Band von John Shands Central Works of Philosophy vor mir, er ist 2006 bei Acumen erschienen und behandelt Quine and after. Die Sammlung enthält neue Essays über zentrale Werke und ist damit ein Mittelding aus Einführung und Nachschlagewerk, näher bei einer Einführung allerdings, weil man für "Quine and after" gerade mal auf 14 Werke kommt, die besprochen werden. Bei fünf Bänden und einer ähnlichen Quote umfasst das Gesamtwerk demnach rund 70 "zentrale Werke", naja. Der erste Band heißt "Ancient and medieval" und erledigt damit von den im Vorwort angekündigten 2.500 Jahren Philosophiegeschichte schon mal 4 Fünftel. Band 2 widmet sich dem 17. und 18. Jahrhundert, Band 3 dem 19., Band 4 heißt "Moore to Popper". Shand hat sich also nicht gescheut, zu kanonisieren, besonders, was das 20. Jahrhundert angeht. Man fragt sich, welche deutschen Philosophen vor seinen Augen Gnade gefunden haben. Im 5. Band: keiner. Wir haben Essays über Quine, Strawson, Rawls, Nozick, Dummett, Rorty, Davidson, Kripke, Putnam, Williams, Nagel, Lewis, Charles Taylor und McDowell. Dessen Mind and World ist von 1994 und damit das neueste aufgenommene Werk.
Wie steht es mit Band 4? Enthält Essays über "Moore, Russell, and Wittgenstein, as well as Carnap, Ayer, James, Husserl, Heidegger, Sartre, Merleau-Ponty, Ryle, and Popper".

Gegen diese Auswahl kann man sicher manche Einwände erheben... Jedem werden andere einfallen. Mir jedenfalls scheint Volpis Großes Werklexikon der Philosophie eine lohnendere Anschaffung!

15 August 2006

Apportieren

Der Kollege mspro hat mir ein Stöckchen zugeworfen, um zu testen, ob ich alle seine Einträge lese. Er will wissen, ob ich noch an was anderes denke als an Philosophie. Tue ich, ständig. Z.B. alle 30 Sekunden an... Aber doch nicht öffentlich!

WARUM BLOGGST DU?
Um mich selbst zu verwirklichen. Um ewig zu leben (sofern das Problem der Langzeitarchivierung gelöst wird und die DNB Blogs sammelt): Wer schreibt, der bleibt. Um Einfluss zu nehmen.

SEIT WANN BLOGGST DU?
Die Frage lässt sich durch einen Blick ins Archiv klären.

SELBSTPORTRÄT:
Wenn ich mein privates Ich öffentlich machen wollte, würde ich ein anderes Blog schreiben.

WARUM LESEN DEINE LESER DEIN BLOG?
Wenn sie es nicht wissen, wer dann?

WELCHES WAR DIE LETZTE SUCHMASCHINENANFRAGE, MIT DER JEMAND AUF DEINE SEITE KAM?
Ich komme langsam dahinter, was diese Fragen sollen: Werbung machen für noch mehr kleine modische Buttons ... ich hatte gehofft, was da ist, würde reichen!

WELCHER DEINER BLOGEINTRÄGE BEKAM ZU UNRECHT ZU WENIG AUFMERKSAMKEIT?
Über Giordano Bruno, die Urzelle, und große Denker: Schade, wenn eine Antwort ins Leere geht. Zumal, wenn die Besprochenen andernorts eifrig weiter ablästern.

DEIN AKTUELLES LIEBLINGSBLOG?
Ich lese zu wenige, um eines zu haben. Die, die ich lese, lese ich gern.

WELCHES BLOG HAST DU ZULETZT GELESEN?
Prägnanz.

WIEVIELE FEEDS HAST DU IM MOMENT ABONNIERT?
5. Was sagt das über mich?

AN WELCHE VIER BLOGS WIRFST DU DAS STÖCKCHEN WEITER UND WARUM?
Philosophie etc., weil ich mir wünsche, dass es weiterläuft.

Das sind nicht vier? Ist mir gar nicht aufgefallen.

14 August 2006

Der Sinn des Lebens

Dass jeder sich den Sinn seines Lebens selber geben müsse, das würde ich darauf sagen. Will Durant, Historiker und Philosoph, näherte sich der Frage 1930 ein wenig anders: mit einer Umfrage unter den Geistesgrößen seiner Zeit. Durant fasste diese zusammen und machte ein Buch daraus, das 1932 erschien und -- glaubt man dem Klappentext der Neuausgabe -- bald vergessen war. Jetzt ist es neu aufgelegt, präsentiert mit dem obligatorischen Zweidrittelhimmel als Umschlagbild vorne und dem Sonnenauf- oder untergang hinten, in einem Verlag namens promethean press (offenbar gibt es mindestens zwei Verlage, die so heißen). Neben ausführlichen Briefen der verschiedensten Leute liest man auch die knappen Antworten der Skeptiker; so habe G. B. Shaw nur geantwortet:
How the devil do I know?
Has the question itself any meaning?
Der Klappentext teilt noch etwas mehr zur Entstehung mit. Will Durant war gerade im Garten beim Laubrechen, als ein gutgekleideter junger Mann auf ihn zutrat und ihm mit ruhiger Stimme sagte, wenn Durant ihm nicht sofort einen guten Grund nennen würde, warum er es nicht tun sollte, würde er sich jetzt umbringen. Durant habe ihm eine Reihe von Gründen genannt, und der Mann habe auf dem Absatz kehrt gemacht und ward nicht mehr gesehen. Na, so eine Geschichte würde mich auch beschäftigen!

Antworten, die für andere gültig sind, müssen auf deren Kontext Rücksicht nehmen können. Wenn der Fragende z.B. gerade seine ganze Familie durch einen Autounfall verloren hätte, wäre die Antwort, der Sinn des Lebens sei zu lieben und geliebt zu werden, riskant, weil sie den Fragenden direkt an seinen Verlust erinnert. Welchen Sinn des Lebens braucht man?

13 August 2006

Günter Grass' Gebrauchtwagen

Dass nach Grass' Bekenntnis er sei als 17jähriger Mitglied der Waffen-SS gewesen, die Öffentlichkeit aufschreien würde, erstaunt nicht. Was hier in Anschlag gebracht wird, ist das augenscheinliche Missverhältnis zwischen Tun und Empfehlen. Grass gibt (gab) sich als moralische Autorität, hat aber selbst in der Jugend gesündigt. Wie soll man dazu stehen?
Nicht so wie Martin Walser jedenfalls. Der beobachtet zwar richtig das Reflexhafte der Reaktionen, das scheint ihm aber zu genügen: eine ihrerseits oberflächliche Antwort (wahrscheinlich freut sich Walser einfach, das er mal Grass an die Seite treten kann).
Grass' SS-Vergangenheit scheint von manchen als persönliche Kränkung erlebt zu werden, die seine moralische Autorität schätzten. Sie sind beleidigt, weil sie ihm geglaubt oder seinen Äußerungen früher einen besonderen Stellenwert eingeräumt haben. Spiegel online zitiert Joachim Fest mit der Äußerung, er wolle von Grass nun nicht einmal mehr einen Gebrauchtwagen kaufen. (Ja, das zeigt, dass Grass wirklich als moralische Instanz diskreditiert ist, wenn man nun nicht einmal mehr einen Gebrauchtwagen von ihm kaufen kann.)
Und moralische Autorität, stellt sich heraus, besteht nicht etwa darin, dass man das Richtige sagt, fordert, empfiehlt. Sondern darin, dies schon immer und unveränderlich als das Richtige erkannt zu haben. Damit führt die moralische Autorität in eine religiöse Dimension, weil sie ein Verhaltensmuster erlaubt, das auch im Umgang mit göttlichen Geboten erwünscht ist: die unreflektierte Übernahme.
Jetzt fordert Grass' Bekenntnis zur Reflexion seiner Äußerungen heraus. Stimmen sie noch? Müssen wir jetzt genauer hinsehen? Wie unbequem!

Ein zweites religiöses Deutungsmuster zeigt sich: Vorher war Grass ein Heiliger, Nobelpreis und Ehrenbürgerwürde von Danzig sind die äußeren Zeichen. (Soll Grass beides zurückgeben? Vielleicht äußert er sich dazu noch öffentlich. Sein eigenes moralisches Empfinden beschäftigt sich bestimmt damit.) Dass Heilige (wie z.B. Aurelius Augustinus) Sünder gewesen sein können, bevor sie Anhänger der 'richtigen Moral' wurden, deutet vor allem auf den etablierten Weg vom einen Status zum anderen: man darf nicht heimlich zum Heiligen werden, sich nicht selbst taufen, nicht für sich abschwören. Alle müssen mitkriegen, ab wann man moralisch untadelig leben möchte.

11 August 2006

Nachdenken über den Tod

Von einem der alten Griechen (Epikur?) ist mir die Anekdote erinnerlich, der Tod sei kein Übel für dem Menschen: "denn wo ich bin, ist der Tod nicht, und wo der Tod ist, bin ich nicht". Ob der Tod ein Übel ist, ist allerdings nur eine der Fragen, die sich einem Philosophen stellen können, wenn auch anscheinend die meistgestellte (vgl. den Eintrag death in der Stanford Encyclopedia of Philosophy). Spannend finde ich auch, ob es eine Pflicht zu sterben geben kann bzw. gibt und wie die Begriffsgeschichte des Todes aussieht (auch wenn klar scheint, was der Tod ist, hat sich doch die Vorstellung davon gewandelt, was stirbt, sprich: was der Mensch ist). All dies und mehr beschäftigt Vincent Barry in seinem Buch Philosophical thinking about death and dying (Belmont: Thomson, 2007(!)). Eine gute Ergänzung zu Jay F. Rosenbergs Klassiker Thinking cleary about death (1983).

03 August 2006

Leibniz' China-Briefe neu ediert

1990 erschien eine erste, inzwischen vergriffene Ausgabe von Leibniz' Briefen an Jesuitenpatres in Peking. Damals war das ein erster Einblick in eine bis dahin außer den an den Handschriften arbeitenden Spezialisten völlig unbekannten Teil des Werkes. In einer komfortablen, schön gebundenen mehrsprachigen Neuausgabe (als Band 548 der Philosophischen Bibliothek) macht jetzt der Meiner-Verlag den Zugang zu diesen Quellen wieder leicht; Rita Widmaier vom Leibniz-Archiv Hannover, die auch an der historisch-kritischen Leibniz-Ausgabe arbeitet, hat diese Edition betreut.
Zwischen 1689-1714 gingen Briefe hin und her. Für Leibniz, den"größten Sinophilen seiner Zeit" lässt sich nun der "hohe Stellenwert" Chinas "in seinem Denken" (so die Einleitung) besser beurteilen. Dabei steht der Kontakt mit dem Patres selbstredend auch im Zeichen der Mission, also einer gottgefälligen Verwestlichung. Die 70 Briefe können mit ihrer sehr interessanten historischen Konstellation den unterschiedlichsten Interpretationsinteressen Ansatzpunkte bieten...

02 August 2006

Computer und Philosophie

North American Computing and Philosophy Conference, August 10-12, 2006

For more information about The International Association for Computing and Philosophy and its conferences, please visit http://www.iacap.org.

To view information and video from last year's North American Computing and Philosophy conference, please visit http://oregonstate.edu/groups/cap/2005/program.html.