Dafür enthält die eben genannte Anthologie immerhin eine übersetzte Wiedergabe des Geschehens rund um die Dissertation, wie Leibniz es notiert:
"Ich erkannte, dass ich bei früher Erlangung des Doktorgrades als einer der ersten ein Mitglied der Fakultät werden und mein sicheres Glück machen würde. Doch gerade damals entstand ein heftiger Streit, weil einige allein zum Doktor gemacht werden wollten, und hierfür die Jüngeren auszuschließen und auf einen späteren Promotionstermin zu verdrängen suchten. Sie fanden die Gunst bei der Mehrheit aus der Fakultät. Als ich das Kunststück meiner Nebenbuhler bemerkte, änderte ich meine Pläne und beschloss, meinen Aufenthaltsort zu wechseln, und die mathematischen Disziplinen zu studieren. Ich meinte, dass es eines jungen Mannes unwürdig sei, wie angenagelt an einem bestimmten Ort klebenzubleiben."
Leibniz wechselt von Leipzig nach Altdorf und reicht dort wenig später eine andere juristische Dissertation ein:
"Als ich öffentlich disputierte, führte ich die Erörterung mit einer solchen Leichtigkeit und legte meine Gedanken mit einer solchen Geistesklarheit dar, dass nicht nur die Zuhörer über die neuartige und insbesondere bei einem Rechtsgelehrte ungewohnte Akribie sich wunderten, sondern auch die, die eigentlich opponieren sollten, öffentlich bekannten, sie seien hervorragend zufriedengestellt worden."
Hubertus Busche (aus dessen Einleitung zu den Frühen Schriften auch diese Übersetzung stammt) erläutert dazu , die "scharfsinnige Analyse und Lösungsstrategie" von De Casibus gelte "Rechtsfällen, deren Konstellation einen unafhebbaren sachlogischen Widerspruch" enthalte, "und sie bringt Leibniz bei den Rechtsgelehrte auch anderer Universitäten so viel Ruhm, dass ihm gleich nach der feierlichen Promotion am 22. Februar 1667 eine Professur in Altdorf angeboten" wurde.
Gibt's Forschungsliteratur zu De Casibus... ?
Die Antwort ist nicht ganz einfach, denn eine genaue Recherche müsste die Schrift kennen, um beurteilen zu können, ob allgemein gehaltene Titel etwas darüber enthalten können. So gibt es eben eine ganze Reihe von Werken der Forschung, die sich mit Leibniz' Position zum Naturrecht auseinandersetzen, aber ob es in De Casibus... auch um das Naturrecht geht, weiß ich nicht. Daher kann ich jetzt hier nur ein paar Titel auflisten, die ich so gefunden habe.
- Georges Kalinowski: La logique juridique de Leibniz. In: Studia Leibnitiana 9 (1977) 2, 168-189.
- Hanina Ben-Menahem: Leibniz on hard cases. In: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie. 79 (1993) 2, 198-215.
- André Robinet: Loi naturelle et loi positive dans l’architectonique archaique de l’oeuvre de Leibniz. In: La notion de nature chez Leibniz, hg. von Martine de Gaudemar, Stuttgart : Steiner, 1995 (ISBN 3515066314) (Studia leibnitiana Sonderhefte ; 24). 159-170.
- Höck, J[ohann] K[arl]: Ein Bonmot von Leibnitz. In: Neuer literar. Anzeiger. München. 2 (1807), S. 253-254. (Auch in: Höck, Miscellen. Gmünd: Ritter, 1815, S. 61.)
- Hans Peter Schneider: Justitia Universalis : Quellenstudien zur Geschichte des ‘christlichen Naturrechts’ bei Gottfried Wilhelm Leibniz. S. 348f.
- Markku Roinila: Leibniz on rational decision making (Philosophical studies from the University of Helsinki ; 16) Vantaa 2007, S. 237ff. (hier pdf)
- Marcelo Dascal: Leibniz’ two-pronged dialectic, S. 37-72 in : Leibniz: What kind of rationalist, hg. von Dascal, Springer 2008
ebenda: Pol Boucher: Leibniz: What kind of legal rationalism?, S. 231-249.
- Bayart, A.: Leibniz et les antinomies en droit. In: Revue internationale de philosophie 20 1966 (H. 67-77) 257-263
- Berlioz, Dominique: Jurisprudence, résolution des controverses et philosophie. In: Nihil sine ratione: Mensch, Natur und Technik im Wirken von G. W. Leibniz ; Vorträge ; Berlin, 10. - 14. September 2001 / VII. Internationaler Leibniz-Kongreß. Hrsg. von Hans Poser ; Nachtr.-Bd. - Hannover: Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Gesellschaft, 2002. - S. 150 - 157. - ISBN 3-9808167-0-2
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