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06 Februar 2007

Was ist Aufklärung nicht?

Jaja, im Jahr der Geisteswissenschaften liegt die Antwort nur ein Buch weit entfernt, bei Kant. Wer die Frage allerdings im Internet stellt, könnte auf die Idee kommen, unter der Adresse www.whatisenlightenment.de fündig zu werden, die Webpräsenz eines gleichnamigen Magazins (man wird durchgeleitet auf die Abkürzung www.wie.de). Hier wird Enlightenment aber mit "Erleuchtung" übersetzt, und alle Ingredienzien fragwürdiger Publikumsanmache sind gegeben, von der buntesten Aufmachung über Gratisangebote bis zur Nennung von Autoren mit Titel oder schmückenden Beiwörtern. Der Gründer des Magazins ist demnach ein "spiritueller Lehrer" und "anerkannter Autor". Woran bemisst sich die Anerkennung? Am Beifall der Anhänger natürlich. Die Webseite informiert: Andrew Cohen
gilt weithin als richtungsweisende Stimme auf dem Gebiet der evolutionären Spiritualität

Naja, man wäre ja schön blöd, wenn man in die Richtung, die man selbst erfunden hat, nicht auch weisen würde... Cohen also gründete 1992

das Magazin What is Enlightenment? und bahnt den Weg für einen innovativen spirituellen Journalismus, der an die klassischen Dialoge eines Sokrates erinnert. Seither bringt Cohen führende Denker der Gegenwart auf den Seiten von WIE zusammen und ruft sie zu einer höheren, wirklich zeitgemäßen Synthese der geistigen Wahrheiten des Ostens und der empirischen Erkenntnisse des Westens auf. Durch das Magazin wie auch durch seine Schriften erschafft Cohen einen neuen Kontext, in dem Erleuchtung als evolutionäre Aufgabe des Menschen gesehen wird.

Das Adjektiv "führend" verdient sich jeder, der Jünger hat, die er führt. Da kann auch der notorische Ken Wilber nicht weit sein, und tatsächlich: es wird sogar ein gemeinsames Buch angepriesen.

Wenn ich darüber nachdenke, warum mir das Magazin und die Webseite als Etikettenschwindel vorkommen, dann fällt mir auf, das Aufklärung in Kants Sinne eine Hilfe zur Selbsthilfe ist, eine Anleitung. Erleuchtung ist hingegen ein Schlag auf den Kopf, der von Außen kommt und einen grundlegend verändert. Wer aufgeklärt wird, bleibt er selbst, wer erleuchtet wird, ist womöglich nicht wiederzuerkennen.


PS
Ich selbst bin übrigens ein führender Philosoph, da ich Gespräche führe.

1 Kommentar:

  1. Anonym7/2/07

    führe mich! ;)

    Netter Artikel, die Schlussfolgerung gefällt mir.

    Nicht ohne Grund kommentiere ich deinen Beitrag, da ich mich auf meinem Blog mit den Ausläufern der Esoterik beschäftige und bin auch schon dem Namen Ken Wilbur und dem Enlightenment begegnet. Ein Tip zum Thema Esoterik (und Anthroposophie) ist eine Untersuchung von Erik Dilloo (dilloo.de). Vielleicht gibt es da noch andere, aber ihn habe ich via Internet gefunden.

    "Spiral Dynamics, die Theorie die alles erklärt" ist mein persönlicher Favorit und der deutlichste "Schlag auf den Kopf", so wie ich es sehe.

    Eine Welt voller Antworten muss für Menschen die Fragen stellen die Hölle sein.

    Don't Panik!

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