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19 November 2007

Boris Groys?

Ein Buch, das den Namen des Autors im Titel trägt und als Illustration ein Foto des Autors, ist ja wohl ein Egotrip, jedenfalls wenn der Autor noch lebt. Boris Groys veröffentlicht 2007 das Buch Groysaufnahme : philosophische Gedanken zum Kino. Der erste Teil sind Kurzglossen, je zwei Seiten, zu bestimmten Filmen. Das Philosophische im Untertitel macht neugierig. Na, mal sehen, was er zu diesem und jenem zu sagen hat.
Über Die another day (S. 26-27) wundert sich Groys, dass im Hollywood-Kino nie Arbeit zu sehen ist. Groys charakterisiert den üblichen Bond-Showdown als Eindringen des "vorbildlichen Konsumenten" Bond in den Ort des Verbrechens, "und das sind in der Regel riesige Fabriken, wo Menschen konzentriert und systematisch arbeiten, wirklich beschäftigt sind". Und die macht er natürlich kaputt, womit er die Arbeit quasi aus der Welt des Films exorziert.
Nach meinem Verständnis von Arbeit ist Arbeit das, was man beruflich tut. Bond ist Geheimagent, also rettet er beruflich die Welt. Der ganze Film zeigt ihn bei der Arbeit. Bond ist ein prototypischer Kapitalist, indem sich bei ihm die Arbeit schlecht vom Privatleben trennen lässt (was man ja auch daran sieht, dass er oft dienstlich mit Frauen ins Bett geht).
Über Delicatessen (S. 44-45) ist Groys fasziniert von der Frau, die groteske Machinationen aufbaut für ihren Selbstmord. "Im Endeffekt haben alle diese Maschinen nicht richtig funktioniert, und sie bleibt am Leben". Groys meint, dass die Maschinen die Metapher für die moderne Welt sind, und dass wir von Maschinen umgeben sind, die uns am Leben erhalten, aber keine haben, die uns den Tod bringt.
Da geht das Theoriepferd mit ihm durch, auch wenn Groys hier den individuellen im Unterschied zum Massentod etwa im Krieg meint. Abgesehen davon, dass diese Aussage über den Film nicht stimmt: der letzte Selbstmordversuch führt zum Erfolg. (Das Klingeln ihres Mannes erzeugt einen Funken, der das Gas entzündet, welches das ganze Stockwerk in die Luft jagt.)
Über Kill Bill schreibt Groys (S. 86-87), dass der Film "die Amerikaner als Opfer der Globalisierung" zeige, weil diese sich so verhalten wollten und so geschickt sein wollten wie Japaner und Chinesen: "Ihr ehrliches Bemühen, mit dem Schwert richtig umzugehen, mit einer leichten Handbewegung jemanden leicht zu töten, gelingt aber nicht ganz. Denn ihre Körper und ihre Haltung passen nicht ganz ins gewünschte Bild." Hhm. Uma Thurman spielt vermutlich keine Amerikanerin, und sie metzelt auch nicht 100 Asiaten nieder in Teil 1. Groys findet auch, dass dieses Misslingen dieselbe "Atmosphäre der Peinlichkeit" erzeugt, die er schon aus früheren Tarantino-Filmen kennt, wo "provinzielle Gangster sich übermäßig anstrengen, so cool wie nur möglich auszusehen". Groys meint auch, dass man heutzutage nicht mehr als Held geboren werde, wie z.B. noch Batman(!). "Stattdessen geht man in die lange und mühsame Lehre, um die Dinge zu lernen, die man braucht, um seine Heldentaten zu vollbringen. Ein solcher Lernprozess ist nicht individualistisch-amerikanisch, sondern östlich-bürokratisch." Ja, es stimmt: der Lernprozess ist ein Klischee des Karatefilms. Aber der klassische Karatefilm à la Karate-Kid ist ur-amerikanisch-individualistisch, weil er zugleich sagt, dass man alles werden kann, was man will.
Ach ja. Groys hat ganz andere Filme gesehen. Aber sein Buch mit den vielen Fotos von ihm zeigt ohnehin nur, was sein Titel auch sagt, dass er nämlich in allem und jedem nur sich selbst sieht.

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