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11 Juni 2007

Pascals Wette

Pascals Wette (Pascal's Wager) ist sicher eines der bekanntesten "Argumente" für den Glauben, und ebenso zahlreich sind die Analysen und Widerlegungen. Pascal hatte gemeint, einen rationalen Grund für den Glauben angeben zu können: es sei rational zu glauben, weil man im Falle von Gottes Existenz "unendlich viel" gewinne, nämlich ewige Glückseligkeit, während man im Falle seiner Nichtexistenz nichts verliere. Ein Ungläubiger hingegen käme im Falle von Gottes Existenz in die Hölle. Man möge also lieber auf die Existenz Gottes setzen. Dagegen ist eingewandt worden, dass immerhin ein paar Religionen miteinander im Wettbewerb stehen, man also auf den falschen Gott setzen könnte; gewichtiger aber noch der Einwand, dass man sich nicht entscheiden kann zu glauben (und dass Gott womöglich keine Gläubigen will, die nur vom Kopf her glauben).
Ich schaue immer mal in einen Aufsatz oder ein Buch, um zu sehen, ob da noch was mir Neues drinsteht. In W. Donald Hudsons A philosophical approach to religion (Macmillan 1974) ist auch ein Kapitel über Religion und Rationalität. Hudson hält es für möglich, dass "one can put oneself in the way of acquiring religious belief", um Pascals Wette einzugehen. Ein aristotelischer Gedanke: der Übung der religiösen Praxis würde irgendwann auch der Glaube folgen: Gewöhnung macht den Charakter. Glaube unterläge zwar so nicht der rationalen Kontrolle, aber den Weg dahin einzuschlagen, schon. Hudson fragt dann:
"But the question arises, in the light of what has just been said: is it morally right to put oneself in the way of belief, if one thinks that there is a low degree of probability that such a belief is true?"
Interessanter Begriff von Moral: objektivistisch, als Maßstab könnte so etwas wie "sich selber treu sein" im Hintergrund stehen. Die Frage beantwortet Hudson dann selbst, indem er implizit einen anderen Begriff von Moral anbietet: es könne nichts unmoralisch daran sein, sich in einer Frage zu entscheiden, deren Für und Wider man nicht entscheiden kann: jede Antwort sei erlaubt. Ich denke, diese Antwort verkennt die Frage. Die Frage lautet ja eigentlich: soll man sich verbiegen?

4 Kommentare:

  1. Ich weiß nicht, ob man das so eng sehen darf. Ich glaube, Religion war schon immer auch ein großer Supermarkt.

    So hat sich das Christentum vor allem auch deswegen durchgesetzt, weil es eine Art Riot-Religion war (wie jede Echatologie), die unterdrückten Völkern (also beinahe allen) halt gab.

    Der Protestantismus hatte den Vorteil, dass man sich nicht von seiner Schuld freikaufen musste. War also schlicht billiger.

    Und ich würde sagen, dass der Monotheismus vor allem auch eine Komplexititätsreduktion darstellte, die von den spirituell Überforderten gerne aufgenommen wurde.

    Klar, ist das alles nur die halbe Wahrheit. Aber immerhin schon die halbe Miete.

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  2. Der Protestantismus hatte den Vorteil, dass man sich nicht von seiner Schuld freikaufen musste. War also schlicht billiger.

    Hhm. Das mag anfangs so gewesen sein. Aber die Protestanten bezahlten mit rogoroser Gewissensprüfung, mit -nöten noch und nöcher. Bei den Katholiken gilt: freikaufen und gut. Protestanten vergessen oft, dass sie ebenfalls die Institution der Absolution haben. -- Oder man könnte sagen: sie haben sich nicht daran gewöhnt.

    Nein, der Monotheismus war ganz klar ein Komplexitätszugewinn. Zwar ist nur einer für alles zuständig. Aber dass nur einer verantwortlich ist, macht es viel schwerer, alles mit ihm zu erklären. Denken Sie nur ans Theodizee-Problem. Das ist keines, wenn es mehr als einen Gott gibt, die eben dann nicht an einem Strang ziehen.

    Halbe Miete: aber nur für einen Monat.

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  3. Anonym13/6/07

    Hallo JGE,

    gibt es eigentlich eine moralische Dimension bei einer Fragestellung die keine eindeutige Antwort kennt? Kann es, wenn wir von der Konstruktion ausgehen, es gibt einen Gott oder es gibt keinen, überhaupt eine Festlegung auf eine Moral geben, die man in dieser Frage erfüllen könnte?

    Pascal legt ja eine Entscheidung aus vernünftigen Gründen nahe. Die kann es aber ja gar nicht geben, da eine Entscheidung in der Frage nicht möglich ist. Demnach ist es vernünftiger der eigenen Annahme zu folgen. Alles andere wäre tatsächlich ein verbiegen. Ich glaube jetzt bin ich dem Problem näher gekommen.

    Was ist aber wenn der oben beschriebene lupenreine Zweifel besteht. Dieser Zweifel setzt die Plausibilität beider Möglichkeiten ein (wenn das überhaupt geht). Da könnte dieser Satz doch stimmen: "es könne nichts unmoralisch daran sein, sich in einer Frage zu entscheiden, deren Für und Wider man nicht entscheiden kann: jede Antwort sei erlaubt.

    oder?
    so

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  4. Interessante These, dass die Frage keine eindeutige Antwort kennt: da würden sicher manche widersprechen. WEnn also für Sie gilt, dass die Frage keine eindeutige Antwort kennt, hätten Sie sich dann nicht 'verbogen', wenn Sie sich für eine Antwort ohne Gründe entschieden?

    Was an Pascals Idee nicht gefällt, ist: Leute, die nicht glauben, aber glauben wollen, wünschen sich einen epistemischen Grund zu glauben (= wie in der Geschichte vom ungläubigen Thomas). Da nützt es gar nix, wenn man einen Klugheitsgrund bzw. einen Zweck genannt bekommt.

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