Oliver Hallich schreibt im gleichen Heft der AZP über Grenzen der Redefreiheit : Lassen sich Diskussionsbeschränkungen in der Bioethik rechtfertigen? (S. 125-153). Dabei bleibt er nicht im Theoretischen, sondern beleuchtet sein Thema mit Blick auf Peter Singers Wahrnehmung in Deutschland Anfang der 90er. Kurz und knapp kommt der Aufsatz zu dem Schluss, dass es sehr wohl Fälle vorstellbar sind, in denen die Einschränkung der Redefreiheit zu rechtfertigen wäre, dass aber Singer nicht so ein Fall war. Allerdings waren Singers Theorien zur Bioethik auch deswegen nicht so ein Fall, weil sie falsch verstanden wurden. Und so könnte man mit Hallich zu dem Schluss kommen, dass die Redefreiheit eines Forschers stärker wiegt als die Kränkung seiner Hörer, sofern sie durch ein Missverständnis entsteht.
Das Kränkungs-Argument ist eines von drei Argumenttypen, die Hallich der Beurteilung unterzieht. Die anderen beiden sind "Dammbruch" à la: "wenn hier schon über das Thema öffentlich nachgedacht wird, wird damit der Boden bereitet für eine gesellschaftliche Akzeptanz der verdammenswerten Praxis"; und "Diskriminierung" à la: "die Thesen Singers implizieren eine Diskriminierung einer bestimmten Gruppe, und Diskriminierung ist eine verwerfliche Praxis."
Dammbruch und Diskriminierung haben gemeinsam, dass sie als Rechtfertigung für die Einschränkung der Redefreiheit heranziehen, dass die Rede, um die es geht, für eine fragwürdige moralische Praxis argumentiert. D.h. sie funktionieren nur, 1. wenn man weiß, worin die Rede besteht, die eingeschränkt werden soll, und 2. wenn sich wirklich alle (vernünftigen) darin einig sind, dass die beworbene Praxis fragwürdig ist. Auch beim Kränkungsargument muss man, um eine Kränkung der Zuhörer zu verhindern, die Rede vorher unterbinden, also schon wissen, was gesagt werden wird (sonst könnten wir jegliche Rede einschränken mit Hinweis auf eine mögliche Kränkung / Diskriminierung / Dammbruch).
Aber wie Hallich auf die Diskrepanz zwischen Singers Thesen und dem verweist, was manches Publikum vorher für Singers Thesen gehalten hat (die es ihn nicht wieder äußern lassen wollte), um zu zeigen, dass die Einschränkung der Redefreiheit (durch Proteste, Trillerpfeifenaktion etc.) nicht gerechtfertigt waren, wird man solche Rechnung öfter aufmachen können. Die Frage scheint mir daher zu sein, wo wir wohl die Redefreiheit einschränken wollen würden. Und die Antwort ist offensichtlich: da, wo wir es im Strafrecht auch schon getan haben. Wo sonst?
03 August 2008
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