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25 August 2005

Ist "Alle Menschen sind gleich" dasselbe wie "alle Menschen sollte man gleich behandeln"?

John Sekes, Emeritus an der University of Albany, geht in einem soeben online erschienenen Artikel des Philosopher's Magazine der Frage nach, wie wir mit leidenschaftlichen Überzeugungen umgehen sollten. Klarerweise hindert uns die Leidenschaft, mit der Überzeugungen vertreten werden, kühlen Blutes zu beurteilen, ob sie denn gerechtfertigt sind. Sekes zeigt an zwei Beispielen, was das bedeutet. Das erste ist die Überzeugung, man möge alle Menschen gleich behandeln (außer wenn gute Gründe dagegen sprechen).
Sekes meint, dass eine kurze Reflexion zeigt, wie unbegründet diese Überzeugung ist: Alle Menschen sind verschieden: Charakter, Stärken und Schwächen, Tugenden und Laster, Fähigkeiten -- um mal nur ein paar der wichtigeren Merkmale zu nennen -- unterscheiden sie. Auch wenn das zugegeben wird, meint Sekes, bleibt doch gern der Hinweis darauf bestehen, dass auf einer tieferen Ebene alle Menschen gleich seien: auch z.B. Terrorist und Opfer, nämlich darin, dass sie Würde besitzen, dass sie, so buchstabiert Sekes das Argument aus, die gleiche Fähigkeit zu moralischem Verhalten haben.
Mit diesem Argument hat er dann leichtes Spiel, denn in der Tat reagieren wir auf Menschen im wesentlichen danach, was sie tun, und nicht danach, was sie tun könnten. Hat er also Recht mit seiner Folgerungen, dass die Überzeugung, alle Menschen seien gleich, aufgegeben werden sollte?
Ich kenne niemanden, der die Überzeugung in der von Sekes aufgebauten Karikatur vertritt. Wenn es um die Zubilligung gleicher Würde von, z.B., Terrorist und Opfer geht, dann ist das in erster Linie ein Akt, der uns selbst betrifft. Indem wir auf der Würde des Anderen bestehen, sichern wir ihm faire und -- wenn überhaupt möglich -- vorurteilsfreie Behandlung zu. Sonst kommen uns nämlich unsere "leidenschaftlichen Überzeugungen" in die Quere. Es geht also, denke ich, nicht darum, Terrorist und Opfer gleich zu behandeln, und auch nicht darum, sie für gleich gute Menschen zu halten. Sondern darum, sie nach dem gleichen moralischen Maßstab zu beurteilen. Dass dann Terrorist und Opfer verschieden behandelt werden, versteht sich von selbst.

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