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31 August 2005

Neues über Wahrheit und Lüge

Lüge und Betrug sind in mehrfacher Hinsicht philosophisch interessant. Zum einen setzt die Beschäftigung mit ihnen voraus, dass man einigermaßen weiß, was Wahrheit ist. Zum andern verquicken sie Erkennen und Handeln.
Glücklicherweise muss man nicht alle Probleme von "Wahrheit" gelöst haben, um über Lüge zu reden; es genügt so etwas wie eine ostensive Definition: "Das hier ist jedenfalls eine Lüge". Dass man auch damit seine Schwierigkeiten haben kann, besonders im akademischen Umfeld, zeigt Ralph Keyes in einem Kapitel seines jüngst erschienenen Buchs The post-truth era : dishonesty and deception in contemporary life (New York : St. Martin's Press, 2004). Zwar wird überall gelogen, dass sich die Balken biegen, aber vor allem an der Uni und in der Politik werden Lügen damit verteidigt, dass sich so eine höhere Wahrheit erreichen lässt. Außerdem zeigen Studien, die Keyes anführt, dass die sprachlichen Eigenheiten des akademischen Diskurses das Lügen erleichtern: die unpersönliche Redeweise etwa. Ist das nicht auch eine Eigenheit der politischen Rede?
Natürlich ist Keyes ein Polemiker, dem es Spaß macht, Daten zusammenzutragen und zu präsentieren. Bedenkenswert finde ich aber seine Einlassungen zum "angewandten Postmodernismus". Da versucht er zu zeigen, dass dessen wesentlicher Einfluss, die Theorie von der objektiven Wahrheit als Chimäre, längst im täglichen Leben angekommen ist -- ihre Reflexion der Theorie aber nicht. Kommunikation wird mühevoller, scheint's; die früher unausgesprochenen Voraussetzungen eines Gespräches -- H. Paul Grice's Maximen -- müssen wohl ausdrücklich neu verabredet werden.

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