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30 Januar 2006

Philosophie ist gesellschaftlich relevant!

Jawohl! Und weil das so ist, sagt es auch der Wissenschaftsrat. Der hat in einer kürzlich (27.1.) verabschiedeten Erklärung zur Situation der Geisteswissenschaften in Deutschland (pdf) festgestellt, dass diese eigentlich auf gutem Niveau gepflegt werden, die "stellenweise noch gepflegte Krisenrhetorik" sei "deplaziert und ungeeignet", zu Verbesserungen zu führen.
Unis, an denen Geisteswissenschaften überhaupt gelehrt werden, sollten fünf Kernbereiche pflegen, deren 4. nennt der WR "Erkenntnis / Ethik / Religion". Da verstecken sich die großen Fragen drin. Übrigens haben die Geisteswissenschaften innerhalb der Uni ihren originären institutionellen Rahmen, darum kann der WR auch keine Ausweitung der Forschung außerhalb der Uni empfehlen. Das ist wohl der alte Humboldtsche Bildungsgedanke. Wenn die Orientierungswissenschaften schon Orientierung geben, dann sollen sie sie bitteschön auch gleich weitergeben. Temporär dürfen Unimitarbeiter aber von der Lehre entlastet werden, und von Verwaltungsaufgaben auch.
Der Arbeitsmarkt bietet übrigens "gute Chancen", weil 5 Jahre nach Abschluss immerhin 73% der Absolventen eine feste Stelle haben. Bei den übrigen Fächern sind es 89%, und das betrachtet der WR als "Annäherung".
Die Philosophie gehört zu den Disziplinen, die der WR exemplarisch mit untersucht. Einige Feststellungen im Bericht können schon verblüffen. So meint der WR, dass, auch wenn Englisch die herausragende Wissenschaftssprache geworden ist, in der Philosophie wie in der Germanistik "herausragende Forschung ohne Kenntnis der deutschsprachigen Forschungsliteratur nicht betrieben werden kann". Das liege, im Unterschied zu den Altertumswissenschaften, wo es etwas mit der Geschichte der Disziplin zu tun habe, "in der Natur der Gegenstände" (S. 16). Tja, das leuchtet ein für die Germanistik, wo die Gegenstände ja auch auf Deutsch sind, aber in der Philosophie? Oder wird hier bloß das Bild der Philosophiegeschichte als Stärke der deutschen Universitätsphilosophie wiederholt?
Der WR meint, dass man Veröffentlichungen nicht einfach auf englisch abliefern könne, die deutsche Sprache sei "ein Konstituens von Denkstilen und damit Voraussetzung von intellektueller Vielfalt". Ich stelle mir vor, dass eine solche These einer Überprüfung zugänglich ist; und die würde mich auch sehr interessieren!

EIN PAAR ZAHLEN
Interessant ist auch der statistische Anhang. Daraus geht hervor, dass die Zahl der Studierenden des Faches von 1990 bis 2003 etwa so um 20.000 geschwankt hat. Dabei ist die Zahl der Studierenden der Geisteswissenschaften aber von 260.000 auf 360.000 gestiegen. Entsprechend sank der prozentuale Anteil von 7,7% auf 5,5%. Am meisten zugelegt haben Germanistik und Anglistik von den großen Fächern und die Bibliothekswissenschaft / Publizistik von den kleinen. -- Hätten Sie gedacht, dass es mehr Musikwissenschaftler als Philosophen (unter den Studierenden) gibt?
Die Zahl der Studienanfänger ist in der Philosophie allerdings nach anfänglichem Rückgang wieder gestiegen, von rd. 2350 (1990) auf 2.000 (1993) bis 2.900 (2003). Da könnte man, wenn man die Studiendauer nicht berücksichtigt, auf die Idee kommen, dass die Zahl der Abbrecher zugenommen haben muss... Aber das kann nicht stimmen, denn die Zahl der Abschlüsse hat auch zugenommen, von 315 (1990) auf 830 (2003). -- Bei einer angenommenen durchschnittlichen Studienzeit von, seien wir großzügig, zwölf Semestern, müsste man ja aus der Zahl der Studienbeginner und derjenigen der Abschließer die Abbruchquote ausrechnen können.
A propos Studienabbruch. Die Schwundbilanz der Sprach- und Kulturwissenschaften (unter diese ist in der Tabelle die Philosophie mit gefasst) spricht für sich. Abbruch und Studienplatzwechsel sind mit "Zuwanderung" verrechnet, die Schwundbilanz beträgt trotzdem 47% (2002), schon gesunken gegenüber 1999 (55%). Wenn also von den übriggebliebenen 53% nach 5 Jahren 73% der Absolventen eine feste Stelle haben, dann heißt das, dass 38% von denjenigen, die mal ein geisteswissenschaftliches Studium begonnen haben, schließlich auf einer festen Stelle landen (dabei bleiben jetzt die unberücksichtigt, die ihr Studium abbrechen, weil ihnen eine feste Stelle angeboten worden ist). Bei den Naturwissenschaften beträgt die Schwundbilanz 39%, so dass sich als gleicher Wert (feste Stelle nach begonnenem Studium) etwas über 50% ergibt. Die Medizin hat 2003 die tollste Schwundquote, nämlich 0%.

29 Januar 2006

Giordano Bruno mal ernsthaft

Der letzte Post widmete sich einem pseudowissenschaftlichen Buch über Giordano Bruno. In diesem gibt's echtes Philosophenfutter: Giordano Bruno nella cultura del suo tempo, hg. von Alfonso Ingegno und Amalia Perfetti (2004). Es sind die Vorträge einer Konferenz, die in Urbino 2000 stattfand, und man erfährt hier mehr über die Wissenschaft, den Magiebegriff und die Ideengeschichte der Zeit als bei Benzin. Antonella del Prete insbesondere schreibt auch über die hermetische Tradition in ihrem Beitrag Riflessioni sulla magia in Bruno e in Campanella.

27 Januar 2006

Wer kennt den Ancient Mail Verlag?

Ich nicht, bisher. Ein Blick auf die Homepage zeigt, dass es ein Besserwisser-Verlag ist:
"Interessieren Sie sich für Archäologie und die Geschichte der Menschheit? – Haben Sie auch schon manches Mal bemerkt, dass diese nicht immer so verlaufen ist, wie uns die Archäologen und Historiker glauben lassen wollen? – Dann sind Sie auf dem Online-Katalog von Ancient Mail genau richtig!!"
Wie bemerkt man, dass die Geschichte nicht so verlaufen ist, wie uns die Fachleute glauben lassen wollen? Das erkenntnistheoretische Problem. Warum wollen uns die Fachleute was falsches glauben lassen? Das wissenschaftstheoretische (und ein moralphilosophisches) Problem. Na, egal. Ich komme drauf, weil ein Buch von Nicolas Benzin auf meinem Schreibtisch liegt: Giordano Bruno und die okkulte Philosophie der Renaissance. Das klingt doch wie ein ernstzunehmender Titel. Aber der Verlagsname macht einen misstrauisch, und wenn man das Programm liest, wird's nicht geringer.
Und wer ist Benzin? Ein Diplom-Finanzwirt und Angehöriger der Bundesfinanzverwaltung, der sich nebenberuflich mit Archäologie und anderen interessanten Dingen beschäftigt. Und Präsident der Giordano Bruno-Gesellschaft e.V.
Aber wer mit dem Verlag nichts anfangen kann, wird auch mit der Gesellschaft nichts anfangen können, denn die arbeitet in die gleiche Richtung. Das Vorwort stammt von einem Dieter Vogl. Der findet es z.B. bemerkenswert,
"dass [Brunos] Gedankenwelt überhaupt nicht im Einklang mit seiner Zeit stand. Und, was bislang nicht zu erklären ist, dass diese auf einem teleologischen ästhetischen Pantheismus basierenden Gedanken eigentlich aus dem Hier und Heute stammen könnten."
Das muss man wohlwollend lesen; es bedeutet eigentlich, dass Vogl denkt, die Gedanken Brunos stammen aus dem Hier und Heute. Dahinter kann man dann auch ahnen, was uns die Historiker und Archäologen verschweigen wollen (s.o.). Was soll der denkende Mensch mit Vogls Feststellung anfangen, dass Bruno "über Sachverhalte schreibt, die er gar nicht gewusst haben kann"? Da bleibt nur der Raum für die Schlussfolgerung, dass Bruno eigentlich aus der Gegenwart stammt. Ein Zeitreisender. Schön, dass Brunos Schriften heute "in allen Teilen der Bevölkerung auf so große Resonanz" stoßen, wie Vogl weiß (natürlich auch Mitglied der Gesellschaft; er hat mit Benzin zusammen die "Urmatrix" der Erzeugung menschlicher Organe kabbalistischen Schriften der Antike entnommen).
Nun wird man neugierig, für welche Gedanken Brunos Benzin diese Inkompatibilität mit dem Weltbild seiner Zeit annimmt. Auf S. 54 wird man zum ersten Mal fündig: 1591 hat Bruno ein Buch "Von der Monas, der Zahl und der Figur" veröffentlicht, ähnlicher Titel wie eine Schrift John Dees von 1564. Dazu Benzin:
"Was mag wohl die "Monas hieroglyphica" darstellen? Wenn man Monas als den "Urgrund allen Seins übersetzt und hieroglyphisch mit "heiliges Zeichen darstellend", die Abbildung mit uns heute geläufigen Symbolen vergleicht, dann kommen wir zu dem Schluss, dass es sich um eine Urzelle gehandelt haben muss. Somit liegt bereits 1564 ein Buch zur Zellbiologie vor."
Das weitere Argument dafür brauche ich wohl nicht auch noch zu zitieren. Ein Musterbeispiel eines abduktiven Schlusses (Schluss auf die beste Erklärung), der natürlich daran hakt, dass das Urteil darüber, was eine "beste Erklärung" ist, durch keine Kenntnis getrübt ist.
Ich muss gestehen, dass ich ganz gern in solchen Büchern lese, das ist eine Art Grenzerfahrung. Hinter meinen Grenzen ist das Gedankengebäude ganz bestimmt, und man kann immerhin zitieren: " ... so hat es doch Methode."
[UPDATE 4.3.] Ich habe ausführlich zu Vogls Kommentar und zu Benzins Buch Stellung genommen. Wer Argumente sucht, wird Sie in meinem Posting vom 4.3. finden.
[UPDATE 13.10.] Die Witzbolde von der Giordano-Bruno-Gesellschaft hacken gerne auf diesem Posting herum: so sehr, dass Sie es schon in ihren Foren und auf der Webseite der Gesellschaft (letzter Eintrag der Liste) veröffentlicht haben! Ohne mich zu fragen, aber das ist ok, schließlich steht das hier unter einer CC-Lizenz. Sie haben natürlich vergessen, die Quelle anzugeben, und das "Share alike" ist auch nicht erfüllt, weil es keinen Hinweis auf die Art der Lizenz gibt. Aber davon abgesehen... Natürlich haben Sie dort Vogels Erwiderung auch gebracht. Und wie steht es dann mit meiner, ich möchte sagen: gründlichen, Auseinandersetzung mit der Art von Benzins Argumentation in meinem Posting vom 4.3.? Bleibt mir nur die Schlussfolgerung, dass ihnen dazu nichts mehr eingefallen ist.

23 Januar 2006

Wie bringt man Philosophie unter die Leute?

Vielleicht, indem man an Inhalte anknüpft, die der Zielgruppe geläufig sind. Das scheint das Motto der Reihe Popular culture and philosophy zu sein, die William Irwin bei Open Court Books herausgibt. Ich habe mir den Band über Harry Potter genauer angesehen. Er ist von 2004 und deckt damit die Bände 1-5 ab.
Die Lektüre macht Spaß. Der Band ist als eine Art Einführung in die Philosophie gedacht. Die Beiträge sind von Leuten verfasst, die spürbar Ahnung vom Unterrichten haben und darum klar argumentieren und ihre Begriffe und Fragen nachvollziehbar entwickeln. Dabei werden natürlich hin und wieder Richtungen übersehen, in die sich der Gedankengang weiter entwickeln könnte, aber das schadet nicht.
Die Bedeutung von Beziehungen und Freundschaft wird z.B. anhand der Freundschaft von Harry, Ron und Hermione und der Beziehung zwischen Malfoy und Crabbe / Goyle diskutiert (und mithilfe von Aristoteles). Was gut und böse ausmacht, kann man natürlich an Voldemort zeigen. Ob Ehrgeiz eine Tugend ist, diskutiert ein Artikel anhand der Frage, warum die Slytherins Teil von Hogwarts sind. Ja, Rowlings Bücher bieten eine ganze Reihe von Ansatzpunkten.
Hermiones SPEW ist Gegenstand einer Untersuchung zum Thema Diskriminierung. Hier begegnet die interessante Frage, ob Rons Argument -- Hauselfen wollen unterdrückt werden -- sticht oder nicht. Steven W. Patterson, der sich dieser Frage annimmt, verweist auf das bekannte Phänomen, dass sich das Selbstbild von Unterdrückten dem Bild annähert, das Unterdrücker von ihnen haben. Ihre Befreiung ist dann erst die Voraussetzung dafür, dass sie den Wunsch haben können, befreit zu werden.
Könnte man einwenden: Sind Hauselfen nicht eher wie Fledermäuse? Wir können nicht wissen, wie es ist, eine Fledermaus zu sein (Nagel's Aufsatz für Leute mit JStor-Zugang, für solche ohne)! Also auch nicht, ob sie frei zu sein wünscht oder überhaupt ein Konzept von Freiheit hat.

Erreichen die Bücher ihre Zielgruppe? Weitere Bände versprechen zB Philosophie mit U2 oder mit Hiphop. Wer liest das? Ist das nicht am ehesten was für Philosophiestudenten, die sich außerdem für Harry Potter oder U2 interessieren? Für Lehrer jedenfalls könnten die Aufsätze hilfreich sein, weil sie zeigen, welches Textmaterial mit welchen Fragen im Unterricht präsentiert werden kann.

22 Januar 2006

Theodizee und Musik

Was haben die beiden miteinander zu tun? Für Gottfried Wilhelm Leibniz offenbar einiges. Denn die Harmonie der Musik entspricht der Harmonie der menschlichen Handlungen. Dass dies mehr ist als eine Metapher, zeigt Giorgio Erle in seinem Buch Leibniz, Lully e la teodicea.

21 Januar 2006

Continental vs. analytisch

Die Philosophie eines Reifenherstellers? -- Die Brille, durch die man vom großen Teich und jenseits des Kanals auf die Philosophie hierzulande blickt, gleicht zuweilen der Lupe eines Insektensammlers: klassifizierend hier, zerpflückend dort. Über den Erfolg des Zerpflückens kann man streiten; die Kritik etwa von Scruton an Foucault oder von Putnam an Derrida (hier ein Interview mit Putnam von 1992, wo er kurz darauf eingeht) finde ich nachvollziehbar und bedenkenswert. Wie steht's mit dem Klassifizieren? Da kommt das neue Buch Continental philosophy : a contemporary introduction von Andrew Cutrofello gerade recht. Kenntnisreich in beiden Traditionen kann Cutrofello eine Perspektive einnehmen, die die Verwandtschaften und die Ähnlichkeit der Fragestellungen sichtbar macht: wir sind alle Erben Kants; wir haben nur jeweils einen anderen Teil der Erbschaft angenommen.

18 Januar 2006

Kierkegaard in Kopenhagen

Der dänische Lille Forlag hat ein wunderschönes kleines Büchlein herausgebracht, das mit vielen Bildern zeigt, wie Kierkegaard in Kopenhagen leibte und lebte. Kierkegaard in golden age Copenhagen stammt von Peter Thielst und ist jetzt auch auf Englisch zu lesen. Neben den zahlreichen Porträtabbildungen Kierkegaards und weiterer Personen seiner Lebensgeschichte (z. T. in Farbe) findet man viele Illustrationen der Stadt, daneben kenntnisreichen Kommentar des Kierkegaard-Biographen.

Thielst
schrieb übrigens auch die Artikel im dänischen online-Lexikon www.leksikon.org über Nietzsche und Kierkegaard.

17 Januar 2006

Wie fremd ist "fremd"?

Diese Frage könnte man natürlich feuilletonistisch angehen. Oder akademisch. Stephan Schmidt untersucht in Die Herausforderung des Fremden die Fremdheit der konfuzianischen Philosophie im Vergleich oder in Beziehung zu europäischen Denkmodellen. Dabei werden diese europäischen Denkmodelle zunächst expliziert, mithilfe des sozialwissenschaftlichen Identitätsbegriffs, mit Charles Taylor, Heidegger und Ricoeur. Nach einem ausführlichen Blick auf die konfuzianische Philosophie skizziert Schmidt dann im dritten Teil Möglichkeiten interkultureller Verständigung.

Mir scheint dieser begriffs- oder konzeptorientierte Zugang zur Frage der Fremdheit ein interessanterer Weg denn der gewöhnlich wertorientierte, wie etwa bei einem Projekt Weltethos. Also eins von den Büchern, die man läse, wenn man Zeit hätte...

Norwegische Philosophie der Gegenwart

findet vermutlich meist auf norwegisch statt. Und bietet damit dem Philosophie-Ethnologen ähnliche Hindernisse wie die Philosophie der Schweden und Dänen, zu schweigen von den Finnen. Umso erfreulicher, wenn man sie auf englisch serviert bekommt. Gunnar Skirbekk hat, schon 1997, dafür gesorgt. Anlass war eine Zusammenarbeit norwegischer mit chinesischen Philosophen über Theorien der kulturellen Modernisierung. Als Textsammlung zur Vorstellung gedacht, erklärt sich von dort her der Titel der Anthologie Philosophy beyond borders. Man findet Philosophen wie Arne Naess, von dem es schon recht viel auf englisch gibt, und weniger bekannte, wie Audun Øfsti (der sich in seinem Aufsatz mit Naess beschäftigt) und Tore Nordenstam. Wie bei uns, ist mein erster Eindruck, gibt es kontinentale und analytische Philosophen, und ebenso müssen sie darum kämpfen, wahrgenommen zu werden.

Die Fortschritte der Optik im 17. Jahrhundert

... sind z.T. von Philosophen erzielt worden. Tja, damals, als Philosophie und Naturwissenschaft noch eins sein konnte. Eine Zeit, die nicht nur die Barock-Trilogie von Neal Stephenson lebendig werden lässt, sondern auch gelehrte Bücher wie Descartes and the hyperbolic quest von D. Graham Burnett. Darin geht's um Descartes' Anwendung der Geometrie auf die Optik, oder, wenn ich hier den Klappentext zitieren darf:

“…if you have a year or two to apply yourself to all that is necessary, I would hope that we might see, by your efforts, if there are animals on the moon…” (René Descartes, 1629)

With this alluring suggestion, René Descartes invited a young instrument maker to join him on an unprecedented and secret project that promised to revolutionize early modern astronomy. Descartes believed he had conceived a new kind of telescopic lens, ground to the shape of a hyperbola, that would surpass anything ever to come from the hands of the glass-working craftsmen of the era. This study traces the inception, development, and finally the collapse of this ambitious enterprise, and examines Descartes’ lens in the broader context of seventeenth-century optics, instrumentation, and mechanical craftsmanship. The history of the device sheds light on the history of telescopes in the period, on the relationship between instrument makers and mathematical adepts, on the mechanical philosophy and its connection to machine, and on the thought and work of Descartes himself.



10 Januar 2006

Was ist Information? Und wieviel gibt es?

Grad hab ich eine Webseite gefunden, auf der Peter Lyman und Hal Varian von der University of California in Berkeley der Frage nachgehen, wieviel "Information" pro Jahr geschaffen wird. Diese Studie stammt von 2003, d.h. verwendet Daten von 2002, und ermöglicht einen Vergleich mit deren Vorgängerstudie von 2000 (1999):
Lyman, Peter and Hal R. Varian, "How Much Information", 2003. Retrieved from http://www.sims.berkeley.edu/how-much-info-2003 on [10.1.2006].

Der Zusammenfassung kann man entnehmen, dass pro Jahr 5 Exabyte oder 37.000 mal die Library of Congress (die 20 Mio Bücher enthält) an "Information" "kreiert" wird.
Was ist Information? Heißt das einfach, dass, wollte man die Medien der Library of Congress in einem bestimmten Datenformat abspeichern, man das 37.000 mal tun müsste, damit man den Speicherplatz verbraucht, den die übrigen wie immer gearteten Daten verbrauchen, die jedes Jahr neu geschaffen werden? Der Vergleich mit der LoC sorgt eher dafür, dass es klingt, als würde jedes Jahr 37.000 mal so viel Wissen produziert wie in den Büchern der LoC gespeichert ist. Aber der Gedanke natürlich quatsch. Schließlich lässt sich die Menge an Daten (= "Information") nicht in die Menge an Wissen etc. (= Sinn der Daten) übersetzen. Wieviel Wissen in so verstandenen Informationen steckt, kann man diesen gar nicht ansehen. Dieser Text hier z.B. würde eine unterschiedliche Menge an Information sein, je nachdem, ob ich ihn als .txt, als .rtf, als .doc oder als .pdf ablege. Was die Informationswissenschaftler als "Information" dabei mitrechnen, sind solche Dinge wie Schriftformatierung und die automatisch erzeugten Metadaten, welche die Programme dem Text mitgeben. Dabei reden wir aber kontinuierlich vom selben Text (was für eine Art von Identität ist das?), entsprechend vom selben Wissen, das er transportiert.
Der Vorteil des engen Informationsbegriffs der Studie ist natürlich, dass sich Information so messen lässt. Das scheint mir aber auch der einzige zu sein...

Die machen uns die WM kaputt?

Laut schimpfend wird heute Kaiser Franz in verschiedenen Medien zitiert. Die Stiftung Warentest hat die 12 WM-Stadien auf ihre Sicherheit untersucht und 4 davon Sicherheitsmängel attestiert, die sich aber bis Spielbeginn beseitigen lassen. Beckenbauer meint, die Nörgler verstünden nix vom Fußball.
Fragt sich, wie so ein Missverständnis zustandekommt. Ist Beckenbauer zu dumm? Ist ihm Sicherheit nicht wichtig genug? Sieht er den Planungsablauf gestört? Wollte er sich bloß mal wieder richtig aufregen, egal aus welchem Anlass?

Ist das ein philosophisches Thema? -- Schon - man könnte wieder mal über den Unterschied zwischen individueller und Massenkommunikation nachdenken. Bemerkenswert finde ich schon, dass die Zuständigen von der Seite des Organisators erst mal reagiert haben mit Abwehr, die den Mangel der Form beklagt: "die Stiftung Warentest hätte das erst mal mit uns besprechen sollen, statt sich gleich an die Öffentlichkeit zu wenden". Das heißt: Statt auf den sachlichen Gehalt der Mitteilung reagieren die Organisatoren und Beckenbauer auf den wahrgenommenen Tadel; sie hören mit dem Beziehungsohr (nach Schulz von Thun). Warum nehmen die Massenmedien dies dankbar auf? Weil sie die Reaktion darauf wieder als Sachaussage interpretieren -- à la "Beckenbauer übt Kritik an der Stiftung Warentest".

09 Januar 2006

Lotterie und Wissen

Neulich unterhielt ich mich mit einem Freund, der nach gemeinsamem Studium nun neben anderen Fächern Philosophie unterrichtet. Er berichtete von den Klassen, die er unterrichten muss, wie er sie vorgefunden hatte. Ein spezielles Problem ist die Auswahl der Themen. Eine der (höheren) Klassen sagte, sie hätten das letzte halbe Jahr sich mit "Angst" beschäftigt. Kierkegaard, Heidegger usw. Ich fragte ihn, warum er nicht mal ein analytisches Thema nähme (ich weiß, dass er sich da auskennt). Zumindest die Art der Philosophie und ihre Texte seien doch leichter verständlich und böten daher eine nicht so hohe Hürde. Er gab zu Bedenken, dass die Schüler sich mit etwas beschäftigen wollten, was mit ihrem Leben zu tun hat. Und da ist "Angst" nun mal näher dran als, sagen wir, der Begriff des Wissens.
Das zeigte mir wieder mal, wie seltsam es ist, Fragen interessant zu finden wie die folgende, die John Hawthorne in seinem neuen Buch Knowledge and lotteries (Oxford 2004) behandelt (vgl. auch die Bemerkungen von Herbert Huber auf seiner Webseite Gavagai), das sogenannte Lotterie-Paradox:
Wenn jemand sagt, er weiß, dass er nächstes Jahr nicht genug Geld hat, um nach Afrika zu reisen, würden wir dem wohl zustimmen: das ist etwas, dass man wissen kann. Spielt derjenige Lotto, ändert das nichts, obwohl dann die geringe Möglichkeit besteht, dass er im Lotto gewinnt und anschließend genug Geld hat. Es erscheint immer noch plausibel zu sagen: "Er weiß, dass ..."
Allerdings folgt aus dem Wissen, dass er kein Geld haben wird das Wissen, dass er nicht im Lotto gewinnen wird -- und das ist ja falsch. Wie muss man den Wissensbegriff anpassen? Ist Wissen Glückssache? (Hawthorne weiß es nicht :-))

Angewandte Ethik in der Bibliothek

Wenn Bibliotheken Katalogeinträge mit Zusatzinformationen anreichern, z.B. mit Rezensionen, entstehen Fragen: Wie umgehen mit negativen Rezensionen? Wie mit unzutreffenden?
Dürfen Bibliotheken das überhaupt?

Wer mehr wissen will: mein Aufsatz in LIBREAS.