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03 Juli 2006

Leben wir in einer Simulation? Nick Bostroms Simulations-Argument

Nick Bostrom ist ein sehr rühriger Philosoph; und offenbar zählt er selbst das "Simulationsargument" (seine Webseite) nicht zu seinen geringsten Leistungen. Das fiel mir jetzt wieder auf anlässlich eines Sammelbandes More Matrix and philosophy, den William Irwin herausgegeben hat und in dem Bostrom noch einmal das Argument vorstellt. The Matrix und die Folgefolgen haben ja in der Philosophiebuchszene bereits einige Spuren hinterlassen, von denen mir The Matrix in theory mit seinem kulturtheoretischen Ansatz eines der interessanteren zu sein scheint. -- In More Matrix ... ist übrigens ein treffender Aufsatz von Slavoj Zizek über Revolutions und warum der Film misslungen ist, das nur am Rande.
Bostroms Argument ist als Ergänzung oder Gegenüber zum skeptischen Gehirn im Tank gedacht. Das Gedankenexperiment besagt: weil wir genausogut in einer Computersimulation wie in der wirklichen Welt leben könnten, das ist ununterscheidbar für uns, können wir nicht wirklich wissen, wie wir leben. Das Simulationsargument geht einen Schritt weiter: Es ist höchst wahrscheinlich, dass eine technische Zivilisation Computer hervorbringt, die mächtig genug sind, solche Simulationen zu fahren, wie sie für ein Dasein des Gehirns im Tank nötig wären. Und es ist einigermaßen wahrscheinlich, dass das schon passiert ist. Also ist es einigermaßen wahrscheinlich, dass wir bereits solche Simulationen sind, ausgehend von der Überlegung, dass wenn eine technische Zivilisationen derartige Simulationen erschafft, dann dort mehr Personen in einer Simulation als außerhalb ihrer leben werden. (Das erinnert auch an The thirteenth floor bzw. das Buch Simulacron 3.)
Um das Argument zu verstehen -- im Original in Philosophical Quarterly 53 (2003), 243-255 und auf der oben angeführten Webseite zum Download -- brauche man keinen technischen Apparat, die Details benötigten allerdings etwas Mathe und Wahrscheinlichkeitstheorie, schreibt Bostrom. Folgende Vorüberlegungen: Wir können zur Zeit keinen Computer und kein Programm basteln, dass eine derartige Simulation laufen lassen könnte. Aber dem stehen keine prinzipiellen Hindernisse entgegen (wenn man zugibt, dass Bewusstsein wie unseres nicht an ein Gehirn wie unseres gebunden sein müsste, was ohnehin ein lächerliches Argument wäre, wenn wir Simulationen wären). Dann gibt es drei Möglichkeiten:
1. Eine Zivilisation stirbt aus, bevor sie die technische Reife zu derartigen Computersimulationen erreicht.
2. Oder sie erreicht diese Reife, hat aber kein Interesse an Simulationen.
3. Oder sie hat Interesse und simuliert. Dann könnten (würden, meint Bostrom) Simulationen beliebig viele "Bewusstseine" enthalten, so dass gilt, dass ein Bewusstsein von sich selbst mit hoher Wahrscheinlichkeit annehmen kann, dass es künstlich ist: weil es viel mehr künstliche als natürliche Bewusstseine in dieser Welt geben würde.

Bostrom formuliert etwas vorsichtiger, und er sagt deutlich, dass man die Wahrscheinlichkeit dieser drei Möglichkeiten selbst nicht beurteilen könne, so dass das Argument im Ganzen nicht besagt: Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind wir simuliert. Das Argument besagt nur, dass, wer die ersten beiden Möglichkeiten verwirft, die dritte akzeptieren muss. Aber auch da bin ich mir nicht sicher: Denkbar ist, dass eine technisch reife Zivilisation sich nicht für Simulationen, sondern für eine andere Möglichkeit entscheidet, künstliches Bewusstsein zu schaffen, man denke an Commander Data als Beispiel. Und nach unseren jetzigen moralischen Maßstäben wäre es unmoralisch, solch künstliches Bewusstsein in Simulationen zu schaffen; ich tendiere darum zu Möglichkeit 2...

2 Kommentare:

  1. Anonym31/7/07

    Ich hab hier folgenden, treffenden Kommentar gelesen: http://www.forum.tylers-kneipe.de/viewtopic.php?p=81629&highlight=&sid=a43a63b0c197b403c47901f533c0be36
    "Der einzige Computer der jemals den Atlantik berechnen können wird, ist der Atlantik selbst".
    Das bedeutet, wir werden, selbst wenn wir alle Ressourcen dieses Universums zum Fahren einer "Realitäts-Simulation" verwenden, maximal die Komplexität dieses Universums erreichen. Anders gesagt, die Überrealitäten, die hypothetischerweise selsbt alle Simulationen, bis auf die oberste, sind, müssten jeweils etwas komplexer aufgebaut sein als unsere. Und hier hört die Wahrscheinlichkeitseinschätzung auf zu greifen. Wie wahrscheinlich ist, es, dass wir die 4., 5. oder 500. Untersimulation sind und, dass noch viel komplexere Realitäten existieren? Das kann keiner sagen. Selbst wenn wir laut Bostrom die 1. und 2. Option verwerfen können wir keine Aussage über die Wahrscheinlichkeit machen. Somit können wir nicht einfach behaupten, dass es wahrscheinlich ist dass Simulationen in Simulationen erschaffen wurden, und es vielmehr Simulationen gibt als Realitäten, solange wir nicht wissen, welchem Komplexitätsgrad welche Wahrscheinlichkeit zukommt. Viel eher anzunehmen, wobei ich hier auch keine wahrscheinlich oder nicht wahrscheinlich Aussage mache, ist, dass diese unsere Realität keine Simulation in einer Überrealität ist, sonder eine Simulation, die in sich selbst läuft. Anders gesagt unser Universum berechnet sich dauernd selbst, während es sich entlang der Zeit entwickelt.

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  2. Hhm. Bostrom macht auch keine Aussagen über Wahrscheinlichkeiten -- man muss schließlich, um Wahrscheinlichkeiten beurteilen zu können, die Gesamtheit der Ereignisse zu kennen. Bostrom sagt nur, dass eine von drei Möglichkeiten der Fall ist.

    Was die Komplexität angeht, so habe ich damit überhaupt keine Schwierigkeiten. Schließlich können Aussagen darüber, wie unsere Welt beschaffen ist, nichts darüber sagen, wie eine höhere Realität (die Ebene der Simulierenden in Bostroms Argument) beschaffen wäre. Kann ja sein, dass dort Rechenoperationen, die wir uns nicht vorstellen können, ein Klacks sind. Gut, das Wort "Simulation" legt eine Ähnlichkeit nahe zu der Welt, die "simuliert" wird. Aber diese Ähnlichkeit für verpflichtend zu halten, ist ein Trugschluss, und der Begriff daher auch ein bisschen irreführend.

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