28 August 2007
Gedankenexperimente, haufenweise
Hab mein kleines Lexikon, das auf meiner Festplatte still weiterwuchs, wieder auf die Homepage geschaufelt: hier.
Tags:
Gedankenexperiment
24 August 2007
Paradoxes Recht
Michael Clarks Paradoxes from A to Z sind wirklich eine nette Lektüre. Heute habe ich darin von einer Variante des Euathlus-Paradox aus dem wirklichen Leben gelesen. Euathlus ist ein Schüler des Sophisten Protagoras, der bei ihm Rhetorik lernt für den Auftritt vor Gericht. Man vereinbart ein Honorar für den Unterricht, dass sich am Erfolg bemisst: Euathlus soll erst zahlen, wenn er seinen ersten Fall gewonnen hat. Doch nach dem Unterricht hat Euathlus keine Lust, Anwalt zu werden, und lässt es bleiben. Nach einiger Zeit reißt Protagoras der Geduldsfaden und er verklagt Euathlus. Dabei argumentiert er: Wenn das Gericht für Protagoras entscheidet, muss Euathlus zahlen, denn das ist ja der Inhalt des Falls. Wenn das Gericht für Euathlus entscheidet, muss er auch zahlen, denn dann hat er ja seinen ersten Fall gewonnen. Euathlus argumentiert natürlich umgekehrt.
Clark berichtet (nach der Darstellung von Peter Suber, die hier online ist) vom us-amerikanischen Verfahren State v. Jones von 1946 in Ohio, in dem der Angeklagte beschuldigt wurde, illegale Abtreibungen vorgenommen zu haben. Für eine dieser Abtreibung gab es nur einen Beweis, nämlich die Zeugenaussage der Frau, an welcher die Abtreibung angeblich vorgenommen wurde. Nach dem Recht von Ohio zu dieser Zeit wäre die Frau, hätte das Verbrechen der Abtreibung stattgefunden, ein krimineller Komplize des Arztes gewesen, und die Zeugenaussage von Komplizen galt vor Gericht nicht als Beweis. Der Verteidiger kann also argumentieren, dass entweder Jones unschuldig ist (dann ist die Zeugenaussage der Frau falsch), oder die Zeugenaussage ist wahr, dann darf sie nicht verwendet werden, und dann kann Jones nicht verurteilt werden aus Mangel an Beweisen. Die Anklage argumentiert natürlich umgekehrt.
Weil's sich hier um einen echten Fall handelt, gibt's auch eine echte Entscheidung. Die ging aus von der Annahme, dass jemand unschuldig ist, bis er überführt ist. Daher musste die Frau als unschuldig betrachtet werden und ihre Zeugenaussage konnte gehört werden. Jones wurde verurteilt.
Clark berichtet (nach der Darstellung von Peter Suber, die hier online ist) vom us-amerikanischen Verfahren State v. Jones von 1946 in Ohio, in dem der Angeklagte beschuldigt wurde, illegale Abtreibungen vorgenommen zu haben. Für eine dieser Abtreibung gab es nur einen Beweis, nämlich die Zeugenaussage der Frau, an welcher die Abtreibung angeblich vorgenommen wurde. Nach dem Recht von Ohio zu dieser Zeit wäre die Frau, hätte das Verbrechen der Abtreibung stattgefunden, ein krimineller Komplize des Arztes gewesen, und die Zeugenaussage von Komplizen galt vor Gericht nicht als Beweis. Der Verteidiger kann also argumentieren, dass entweder Jones unschuldig ist (dann ist die Zeugenaussage der Frau falsch), oder die Zeugenaussage ist wahr, dann darf sie nicht verwendet werden, und dann kann Jones nicht verurteilt werden aus Mangel an Beweisen. Die Anklage argumentiert natürlich umgekehrt.
Weil's sich hier um einen echten Fall handelt, gibt's auch eine echte Entscheidung. Die ging aus von der Annahme, dass jemand unschuldig ist, bis er überführt ist. Daher musste die Frau als unschuldig betrachtet werden und ihre Zeugenaussage konnte gehört werden. Jones wurde verurteilt.
22 August 2007
Ontologie für die Tonne
An dieser Stelle habe ich schon mal auf ein anderes Buch hingewiesen, dass sich philosophisch mit dem Thema Müll auseinandersetzt, eigentlich aber eine Theorie der Gesellschaft vorstellte. Ähnliches unternimmt Greg Kennedy in seinem Buch An Ontology of Trash : the disposable and its problematic nature (Albany : SUNY press, 2007):
Nach Kennedy gibt es einen Unterschied zwischen Waste und Trash. "Waste, we learn, stinks of the body." Kennedy scheint mit Irrgang einer Meinung darin zu sein, dass Technik dem Menschlichen schadet: "Chapter five ... shows how the technological manner of taking care of things, as our modern mode of being, signifies our failure to be truly human. ... The phenomenon of trash exists as long as we fail to exist as humans."
The ontology of trash thus works out to be the history of human embodied being-in-the-world that takes seriously the physiological changes wrought by technology on our embodiement. (S. XVIII)
Nach Kennedy gibt es einen Unterschied zwischen Waste und Trash. "Waste, we learn, stinks of the body." Kennedy scheint mit Irrgang einer Meinung darin zu sein, dass Technik dem Menschlichen schadet: "Chapter five ... shows how the technological manner of taking care of things, as our modern mode of being, signifies our failure to be truly human. ... The phenomenon of trash exists as long as we fail to exist as humans."
Tags:
Gesellschaft,
Müll
21 August 2007
Nützt es dem Volk, betrogen zu werden?
Fragte die Preußische Akademie der Wissenschaften 1777, auf dass bis 1780 preiswürdige Antworten einträfen. Hans Adler erläutert Hintergründe und Umfeld in seiner Einleitung in die zweibändige Dokumentation der Antworten, die jüngst bei Frommann-Holzboog erschienen ist. Die beiden Wälzer sind nicht ganz billig, aber eine tolle Quelle: immerhin 42 Antworten gingen ein, und davon sind 38 handschriftlich noch erhalten und die beiden Gewinner gedruckt.
Da die Frage auf Anweisung Friedrich des Zweiten gestellt wurde, interessiert natürlich auch, ob er wohl ein Händchen in der Auswahl der Gewinner hatte (nein) -- und was die Gewinner zur Frage meinen. Die lautet übrigens vollständig "Nützt es dem Volk, betrogen zu werden, sei es, dass man es in neue Irrtümer führt oder in denen, die es unterhält, bestätigt?"
Die Antworten können wohl nur als Regierungshilfen verstanden werden, denn das Konzept der Meinungsführerschaft gab es damals noch nicht, und so ist die einzige Person, die das Volk führt, Friedrich Zwo selbst. Der hatte allerdings schon eine Meinung zu dem Thema, wie Adler kenntnisreich ausführt: Friedrich II. sah das Volk als einen von Vorurteilen bestimmten Mob, mit dem "nichts zu erreichen" sei, wie er an d'Alembert schrieb; dabei dachte er daran, ob es wohl ohne Religion gehe. "Friedrich hielt den Volksbetrug für legitim, weil unumgänglich" (S. XXXII), fasst Adler zusammen. D'Alembert widersprach: die Vernunft würde den Aberglauben überwinden. Scheint wie eine Diskussion zwischen optimistischer und pessimistischer Aufklärung, bzw. einer Aufklärung für alle und einer für die Eliten.
Da Friedrich II. seine Antwort schon hatte, hatte er auch kein großes Interessse an den beiden ausgezeichneten Antworten, sie stammen von Rudolf Zacharias Becker, der "Nein" sagt, und Friedrich Adolph Maximilian Gustav von Castillon (genannt Frédéric de Castillon). Offenbar hat die Akademie schon vor der Lektüre der eingesandten Beiträge entschieden, den Preis zu teilen für einen Beitrag, der die Frage bejaht, und einen, der sie verneint, was ihr den Vorwurf des Opportunismus einbrachte.
Einer der Juroren, teilt Adler mit, machte die Beobachtung, dass diejenigen Einsender, die von abstrakten Idealen wie Freiheit, Vollkommenheit etc. ausgegangen wären, die Frage verneinten, während diejenigen, die (empirisch) vom Volk in seiner "Unvollkommenheit" ausgingen, die Frage bejahten. (Vermultlich lässt sich der Zusammenhang auch umgekehrt darstellen: wer bejahen will, muss ja von einer Basis ausgehen, welche dieses Ergebnis zulässt.)
Da die Frage auf Anweisung Friedrich des Zweiten gestellt wurde, interessiert natürlich auch, ob er wohl ein Händchen in der Auswahl der Gewinner hatte (nein) -- und was die Gewinner zur Frage meinen. Die lautet übrigens vollständig "Nützt es dem Volk, betrogen zu werden, sei es, dass man es in neue Irrtümer führt oder in denen, die es unterhält, bestätigt?"
Die Antworten können wohl nur als Regierungshilfen verstanden werden, denn das Konzept der Meinungsführerschaft gab es damals noch nicht, und so ist die einzige Person, die das Volk führt, Friedrich Zwo selbst. Der hatte allerdings schon eine Meinung zu dem Thema, wie Adler kenntnisreich ausführt: Friedrich II. sah das Volk als einen von Vorurteilen bestimmten Mob, mit dem "nichts zu erreichen" sei, wie er an d'Alembert schrieb; dabei dachte er daran, ob es wohl ohne Religion gehe. "Friedrich hielt den Volksbetrug für legitim, weil unumgänglich" (S. XXXII), fasst Adler zusammen. D'Alembert widersprach: die Vernunft würde den Aberglauben überwinden. Scheint wie eine Diskussion zwischen optimistischer und pessimistischer Aufklärung, bzw. einer Aufklärung für alle und einer für die Eliten.
Da Friedrich II. seine Antwort schon hatte, hatte er auch kein großes Interessse an den beiden ausgezeichneten Antworten, sie stammen von Rudolf Zacharias Becker, der "Nein" sagt, und Friedrich Adolph Maximilian Gustav von Castillon (genannt Frédéric de Castillon). Offenbar hat die Akademie schon vor der Lektüre der eingesandten Beiträge entschieden, den Preis zu teilen für einen Beitrag, der die Frage bejaht, und einen, der sie verneint, was ihr den Vorwurf des Opportunismus einbrachte.
Einer der Juroren, teilt Adler mit, machte die Beobachtung, dass diejenigen Einsender, die von abstrakten Idealen wie Freiheit, Vollkommenheit etc. ausgegangen wären, die Frage verneinten, während diejenigen, die (empirisch) vom Volk in seiner "Unvollkommenheit" ausgingen, die Frage bejahten. (Vermultlich lässt sich der Zusammenhang auch umgekehrt darstellen: wer bejahen will, muss ja von einer Basis ausgehen, welche dieses Ergebnis zulässt.)
Tags:
18. Jahrhundert,
Aufklärung,
Gesellschaft,
Politik
Ethik als Gebrauchsanweisung
Man sollte einem Buch mehr als fünf Minuten widmen... Aber wenn der Autor schon Irrgang heißt...
Bernhard Irrgang lässt das Thema Technik nicht los. Darum hat er jetzt eine Hermeneutische Ethik (Titel) als "Pragmatisch-ethische Orientierung in technologischen Gesellschaften" (Untertitel) in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft veröffentlicht. Im Vorwort Einleitung schreibt er:
Was bedeutet das? Die sprachliche Gestaltung des ersten Satzes ist schon interessant. Sowohl die negative Färbung von "überbordend" als auch die der "immer" neuen Formen deutet auf ein Gefühl der Bedrohung: der Autor fürchtet, in der Technik unterzugehen. Er missbilligt, natürlich, das Cool-Sein. Hier wie andernorts steht nicht, was Irrgang damit meint, und ich kann das auch nicht erkennen, weil ich keinen rechten Zusammenhang sehe zwischen einem Habitus (wie "Coolsein") und einer "Grundform der Selbsterhaltung". Beachtenswert finde ich Irrgangs Zusammenziehung "humane Selbsterhaltung", welche auch so verstanden kann, dass nicht die Existenz, sondern das Humanum gefährdet ist. Das würde natürlich gut zum Bedrohungsgefühl passen. Dann bedeutet der ganze Satz: Technik bringt ihre Anhänger dazu, das Menschliche aufzugeben.
Der zweite Satz sagt, dass Ethik hilft: sie ist der wissenschaftliche Umgang mit den Folgen der Technik: dem Nichtwissen. (Für Philosophen ist Technik, die Nichtwissen sogar produziert, so dass es mehr davon gibt als vorher, eigentlich was Gutes: denn Nichtwissen ist ja der Ausgangspunkt der Selbsterkenntnis!)
Das Buch, schreibt Irrgang, "reflektiert weniger die Ethik, sondern die Anwendungsbedingungen und Einbettungsfunktionen ethischen Argumentierens und Entscheidens. Diese sind heute überwiegend technisch-ökonomischer Natur." Ach so. Die Anwendungsbedingungen sind technisch-ökonomischer Natur. Ich nehme an, dass es da auch eine Achse des Bösen zwischen Technik und Ökonomie gibt, dass technischer und ökonomischer Habitus sich ähnlich sind.
Vielleicht sollte ich mal umblättern, um zu sehen, was auf der nächsten Seite steht.
Bernhard Irrgang lässt das Thema Technik nicht los. Darum hat er jetzt eine Hermeneutische Ethik (Titel) als "Pragmatisch-ethische Orientierung in technologischen Gesellschaften" (Untertitel) in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft veröffentlicht. Im Vorwort Einleitung schreibt er:
Angesichts überbordender Angebote immer neuer Formen von Technik, die selbstverständlich jedermann haben muss, der "in" sein will, stellt sich die Frage, ob sich der allseits verbreitete Grundwert des Cool-Seins tatsächlich als eine Grundform der humanen Selbsterhaltung des Techniknutzers gegenüber modernern Technik erweisen kann. ... Technik produziert Unsicherheit und Nichtwissen. Der traditionelle Umgang mit Unsicherheit und Nichtwissen war wissenschaftlich. Und Ethik sollte, wie Philosophie, Wissenschaft sein.
Was bedeutet das? Die sprachliche Gestaltung des ersten Satzes ist schon interessant. Sowohl die negative Färbung von "überbordend" als auch die der "immer" neuen Formen deutet auf ein Gefühl der Bedrohung: der Autor fürchtet, in der Technik unterzugehen. Er missbilligt, natürlich, das Cool-Sein. Hier wie andernorts steht nicht, was Irrgang damit meint, und ich kann das auch nicht erkennen, weil ich keinen rechten Zusammenhang sehe zwischen einem Habitus (wie "Coolsein") und einer "Grundform der Selbsterhaltung". Beachtenswert finde ich Irrgangs Zusammenziehung "humane Selbsterhaltung", welche auch so verstanden kann, dass nicht die Existenz, sondern das Humanum gefährdet ist. Das würde natürlich gut zum Bedrohungsgefühl passen. Dann bedeutet der ganze Satz: Technik bringt ihre Anhänger dazu, das Menschliche aufzugeben.
Der zweite Satz sagt, dass Ethik hilft: sie ist der wissenschaftliche Umgang mit den Folgen der Technik: dem Nichtwissen. (Für Philosophen ist Technik, die Nichtwissen sogar produziert, so dass es mehr davon gibt als vorher, eigentlich was Gutes: denn Nichtwissen ist ja der Ausgangspunkt der Selbsterkenntnis!)
Das Buch, schreibt Irrgang, "reflektiert weniger die Ethik, sondern die Anwendungsbedingungen und Einbettungsfunktionen ethischen Argumentierens und Entscheidens. Diese sind heute überwiegend technisch-ökonomischer Natur." Ach so. Die Anwendungsbedingungen sind technisch-ökonomischer Natur. Ich nehme an, dass es da auch eine Achse des Bösen zwischen Technik und Ökonomie gibt, dass technischer und ökonomischer Habitus sich ähnlich sind.
Vielleicht sollte ich mal umblättern, um zu sehen, was auf der nächsten Seite steht.
20 August 2007
Schreibers Schmuck
Fremdsprachenbeherrschung: lässt die Leser vor Ehrfurcht erstarren. Nicolas Rescher beginnt sein Buch Conditionals (MIT Press 2007) mit einem "german proverb" und Übersetzung:
Was für ein "Häckchen" macht der Mann zu Gold? "Meinten Sie Häkchen?" (Google)
Im Röhrich steht's zum Stichwort "wenn":
Das viele (ewige) Wenn und Aber!: Immer diese Einwände und Zweifel! Gottfr. Aug. Bürger gebrauchte diese Wendung in seiner Ballade ›Kaiser und Abt‹ mehrmals (Strophe 30):
Und was ist Häckerling? Dasselbe wie "Häcksel": zum Verfüttern kleingeschnittenes Stroh. Die "Übersetzung" stimmt also.
Der Mann der das Wenn und das Aber erdacht, Hätt' sicher das Häckchen zu Gold schon gemacht.
Who if and but devised of old, would make mere straw turn into gold.
Was für ein "Häckchen" macht der Mann zu Gold? "Meinten Sie Häkchen?" (Google)
Im Röhrich steht's zum Stichwort "wenn":
Das viele (ewige) Wenn und Aber!: Immer diese Einwände und Zweifel! Gottfr. Aug. Bürger gebrauchte diese Wendung in seiner Ballade ›Kaiser und Abt‹ mehrmals (Strophe 30):
»Ha«, lachte der Kaiser, »vortrefflicher Haber!
Ihr futtert die Pferde mit Wenn und mit Aber.
Der Mann, der das Wenn und das Aber erdacht,
Hat sicher aus Häckerling Gold schon gemacht«.
[Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten: wenn, S. 6972]
Und was ist Häckerling? Dasselbe wie "Häcksel": zum Verfüttern kleingeschnittenes Stroh. Die "Übersetzung" stimmt also.
18 August 2007
Das Handwerker-Paradox
In Michael Clarks Paradoxes A-Z, 2. Auflage, London u.a. : Routledge, 2007, gibts 10 neue Paradoxa, darunter das "Cable Guy Paradox", was ich hier mal mit "Handwerker-Paradox" wiedergebe. Clark hat das aus einem Aufsatz von Alan Hájek, der in Analysis 65 (2005), erschien. Und es geht so:
Der Handwerker kommt zwischen 8 Uhr und 16 Uhr. Sie können wählen, ob sie darauf setzen, dass er am Nachmittag oder am Vormittag kommt: wenn er in Ihren 4 Stunden kommt, bekommen Sie 10 €, kommt er in den anderen, kriege ich von Ihnen 10 €. Vor 8 Uhr morgens gibt es keinen Grund, eines der beiden 4-Stunden-Intervalle vorzuziehen. Aber danach, also wenn man sich im ersten Zeitintervall schon befindet, würde man auf das zweite setzen, weil das zweite ja dann länger ist. Warum auf diesen Zeitpunkt warten und nicht schon vorher auf das zweite Intervall setzen?
Hajek, erläutert Clark, beschreibt das Paradox mithilfe eines Prinzips, das heißt: 'Vermeide sichere Enttäuschung!' Nach diesem Prinzip sollte man sich nur dann für eine Möglichkeit entscheiden, wenn man sicher sein kann, dass man nicht in Zukunft Grund hätte, die andere Möglichkeit zu bevorzugen, wenn man rational ist. Und das ist der Fall in diesem Szenario, wenn man auf den Vormittag setzt, für die ganze Zeitspanne, in der der Handwerker noch nicht gekommen ist. Gibt also einen Widerspruch zwischen diesem Prinzip und der Meinung, dass es doch egal sein muss, worauf man setzt, da beides gleich wahrscheinlich ist!
Clarks Buch enthält noch eine Reihe anderer Paradoxa, die nicht in der Sammlung von Sainsbury (Paradoxien, Reclam) enthalten sind und mir neu waren: lesenswert.
Der Handwerker kommt zwischen 8 Uhr und 16 Uhr. Sie können wählen, ob sie darauf setzen, dass er am Nachmittag oder am Vormittag kommt: wenn er in Ihren 4 Stunden kommt, bekommen Sie 10 €, kommt er in den anderen, kriege ich von Ihnen 10 €. Vor 8 Uhr morgens gibt es keinen Grund, eines der beiden 4-Stunden-Intervalle vorzuziehen. Aber danach, also wenn man sich im ersten Zeitintervall schon befindet, würde man auf das zweite setzen, weil das zweite ja dann länger ist. Warum auf diesen Zeitpunkt warten und nicht schon vorher auf das zweite Intervall setzen?
Hajek, erläutert Clark, beschreibt das Paradox mithilfe eines Prinzips, das heißt: 'Vermeide sichere Enttäuschung!' Nach diesem Prinzip sollte man sich nur dann für eine Möglichkeit entscheiden, wenn man sicher sein kann, dass man nicht in Zukunft Grund hätte, die andere Möglichkeit zu bevorzugen, wenn man rational ist. Und das ist der Fall in diesem Szenario, wenn man auf den Vormittag setzt, für die ganze Zeitspanne, in der der Handwerker noch nicht gekommen ist. Gibt also einen Widerspruch zwischen diesem Prinzip und der Meinung, dass es doch egal sein muss, worauf man setzt, da beides gleich wahrscheinlich ist!
Clarks Buch enthält noch eine Reihe anderer Paradoxa, die nicht in der Sammlung von Sainsbury (Paradoxien, Reclam) enthalten sind und mir neu waren: lesenswert.
Tags:
Paradoxon
17 August 2007
Können wir tun, was wir wollen?
Für Kant war die Sache klar: was einem die Vernunft sagt, tut man. Dazwischen gibt es keine Instanz, die wirken könnte; und dass einem die Vernunft etwas sagt, ist eine hinreichende Motivation. Aber schon die alten Griechen wussten: manchmal kommt doch etwas dazwischen. Das als Richtig erkannte wird trotzdem nicht getan. Die Motivationslücke nannten sie "Akrasie", was gern mit "Willensschwäche" übersetzt wird. Jetzt liegt mit Akrasia in Greek Philosophy : from Socrates to Plotinus, hg. von Christopher Bobonich und Pierre Destrée. - Leiden : Brill, 2007 (Philosophia Antiqua , 106) ein recht umfassender Sammelband zum Thema vor, der die Leser auf die Höhe der Forschung bringt. Die Beiträge entstanden für einen Kongress in Löwen 2003 und sind gut lesbar: auch für Leute geschrieben, die nicht des Griechischen mächtig sind.
Tags:
Willensschwäche
Ethische Beispiele
Esther Ramharter, österreichische Mathematikerin und Philosophin, hat ein Buch über den Gebrauch von Beispielen in der Ethik geschrieben: Zum Beispiel Mord : wie EthikerInnen mit Beispielen überzeugen (Baden (Österreich) : Orpheus, 2005). Ramharters Theoriedurchgang beginnt mit Aristoteles und ist über Hume und Kant schnell bei Wittgenstein angelangt: mäßige Aufmerksamkeit gilt anderen Verfassern wie z. B. Martha Nussbaum. Ramharter verwendet den Begriff Beispiel manchmal deckungsgleich mit "Gedankenexperiment", manchmal nicht: denn ein Gegenbeispiel kann natürlich auch ein faktisches sein für eine Theorie. Ihre Beobachtungen lassen sich daher auch nur manchmal auf Gedankenexperimente anwenden, und mich hätte natürlich der unterschiedliche epistemische Status dieser beiden Kategorien (faktisch / fiktiv) interessiert.
Tags:
Beispiel,
Gedankenexperiment
16 August 2007
Moralische Probleme kreativ angehen
oder: die Schwierigkeit von ethischen Gedankenexperimenten.
Anthony Weston wählt dies in seinem Buch Creative problem solving in ethics (Oxford UP, 2007) als Beispiel dafür, wie ein Szenario zur irrigen Annahme führen kann, es gäbe ja nur zwei Möglichkeiten (entweder Heinz klaut die Medizin oder er sieht seiner Frau beim Sterben zu). Das ist sinnvoll, wenn das Szenario eingesetzt wird, um die moralischen Intuitionen von Kindern zu prüfen (was die Psychologen damit tun). Aber nicht als Beispiel für echtes moralisches Überlegen. Stattdessen müsse man sich fragen, was es denn sonst noch für Möglichkeiten gäbe.
Er schlägt vor: Heinz könnte dem Apotheker etwas anderes Wertvolles im Austausch anbieten, z.B. eine Dienstleistung, die er vollbringen kann. Oder, da die Medizin ja gerade erst entwickelt wurde, könnte Heinz' Frau sich als Testperson zur Verfügung stellen (und dafür sogar vom Apotheker bezahlt werden). Oder Heinz' Frau könnte in die Apotheke einbrechen, sich entdecken lassen und auf ihre Verhaftung warten: der Staat müsse schließlich Gefängnisinsassen medizinisch versorgen. Oder er wendet sich an seine Versicherung. Oder an seine Familie und Freunde.
Hhm. Weston schlägt Möglichkeiten aus dem wirklichen Leben vor: die wir hätten. Aber das Szenario ist ja nicht aus dem wirklichen Leben. Das Szenario ist entwickelt, um eine Wahl zwischen zwei Möglichkeiten zuzulassen. Es eignet sich nicht als Beispiel. Es steht z.B. explizit drin, dass Heinz kein anderes Geld auftreiben konnte: schließt Familie, Freunde, Versicherung aus. Auch das Verhalten des Apothekers wird eigentlich nur dann plausibel, wenn man ihm Böswilligkeit unterstellt. Also wird er auch nicht eine andere Leistung von Heinz haben wollen. Und dass der Staat den Apotheker dazu zwingt, seine Medizin abzugeben: Tja, dann müsste das doch eine Medizin sein, die allgemein anerkannt ist, und nicht eine, die ein einziger Apotheker anzubieten hat.
Also: was macht Westons Buch? Es ist kein Ethik-Buch für den Umgang mit typischen Gedankenexperimenten aus der Literatur, weil es zu zeigen versucht, wie man am besten beim Nachdenken auf neue Ideen kommt, wie man also mit Situationen umgeht, die man dilemmatisch findet.
Würde mich interessieren, was die Moralische Entwicklungsforschung, welche derartige Dilemmata ja für den Unterricht konstruiert, damit anfängt...
(1) Quelle: Colby, A., Kohlberg, L. et al., The Measurement of Moral Judgement, Vol 2, Cambridge University Press, 1987.
Kennen Sie das Heinz-Dilemma vom Psychologen Lawrence Kohlberg?(1)
A woman was near death from cancer. One drug might save her, a form of radium that a druggist in the same town discovered. The druggist was charging $2000, ten times what the drug cost him to make. The sick woman's husband, Heinz, went to everyone he knew to borrow the money, but he could only get together about half of what it cost. He told the druggist that his wife was dying and asked him to sell it cheaper or let him pay later. But the druggist said "no".
Anthony Weston wählt dies in seinem Buch Creative problem solving in ethics (Oxford UP, 2007) als Beispiel dafür, wie ein Szenario zur irrigen Annahme führen kann, es gäbe ja nur zwei Möglichkeiten (entweder Heinz klaut die Medizin oder er sieht seiner Frau beim Sterben zu). Das ist sinnvoll, wenn das Szenario eingesetzt wird, um die moralischen Intuitionen von Kindern zu prüfen (was die Psychologen damit tun). Aber nicht als Beispiel für echtes moralisches Überlegen. Stattdessen müsse man sich fragen, was es denn sonst noch für Möglichkeiten gäbe.
Er schlägt vor: Heinz könnte dem Apotheker etwas anderes Wertvolles im Austausch anbieten, z.B. eine Dienstleistung, die er vollbringen kann. Oder, da die Medizin ja gerade erst entwickelt wurde, könnte Heinz' Frau sich als Testperson zur Verfügung stellen (und dafür sogar vom Apotheker bezahlt werden). Oder Heinz' Frau könnte in die Apotheke einbrechen, sich entdecken lassen und auf ihre Verhaftung warten: der Staat müsse schließlich Gefängnisinsassen medizinisch versorgen. Oder er wendet sich an seine Versicherung. Oder an seine Familie und Freunde.
Hhm. Weston schlägt Möglichkeiten aus dem wirklichen Leben vor: die wir hätten. Aber das Szenario ist ja nicht aus dem wirklichen Leben. Das Szenario ist entwickelt, um eine Wahl zwischen zwei Möglichkeiten zuzulassen. Es eignet sich nicht als Beispiel. Es steht z.B. explizit drin, dass Heinz kein anderes Geld auftreiben konnte: schließt Familie, Freunde, Versicherung aus. Auch das Verhalten des Apothekers wird eigentlich nur dann plausibel, wenn man ihm Böswilligkeit unterstellt. Also wird er auch nicht eine andere Leistung von Heinz haben wollen. Und dass der Staat den Apotheker dazu zwingt, seine Medizin abzugeben: Tja, dann müsste das doch eine Medizin sein, die allgemein anerkannt ist, und nicht eine, die ein einziger Apotheker anzubieten hat.
Also: was macht Westons Buch? Es ist kein Ethik-Buch für den Umgang mit typischen Gedankenexperimenten aus der Literatur, weil es zu zeigen versucht, wie man am besten beim Nachdenken auf neue Ideen kommt, wie man also mit Situationen umgeht, die man dilemmatisch findet.
Würde mich interessieren, was die Moralische Entwicklungsforschung, welche derartige Dilemmata ja für den Unterricht konstruiert, damit anfängt...
(1) Quelle: Colby, A., Kohlberg, L. et al., The Measurement of Moral Judgement, Vol 2, Cambridge University Press, 1987.
Tags:
Ethik,
Kreativität
Matrix analysiert
In der Philosophie ist es wie überall: man versteht die Phänomene nicht unbedingt besser, wenn man mehr Bücher darüber liest. Insofern ist dieses Blog ein paradoxes Unterfangen. Auf der anderen Seite lässt sich aber die Sammel- und Findelust voll ausleben, die mich auch dazu bringt, ein niederländisches Buch über den Film Die Matrix hier zu notieren: Bart Cusveller, Maarten Verkerk, Marc de Vries: De Matrix Code : Sciencefictionfilms als spiegel van de technologische cultuur. - Amsterdam : Buijten & Schipperheijn, 2007. Ich muss mich immer zusammenreißen, das Gesagte nicht schon deswegen niedlich zu finden, bloß weil es so niedlich klingt:
Dass man sich diesen Fragen aus christlicher Perspektive widmet, ist wohl nicht verwunderlich angesichts der Erlösungsmythologie, die in der Matrix-Trilogie, in Star Wars etc. steckt (und natürlich auch in Harry Potter: aber die beschränken sich wirklich auf Science fiction).
Scienceficion is een bijzonder geschikt genre om een aantrekkelijke en spannende film te maken. Maar in deze films schuilt ook een diepe waarheid over de mens: ons leven wordt gekenmerkt door een technische cultuur. Techniek wordt in steeds meer opzichten van belang en roept tegelijk steeds meer vragen op over de invloed van de techniek op ons bestaan.
Dass man sich diesen Fragen aus christlicher Perspektive widmet, ist wohl nicht verwunderlich angesichts der Erlösungsmythologie, die in der Matrix-Trilogie, in Star Wars etc. steckt (und natürlich auch in Harry Potter: aber die beschränken sich wirklich auf Science fiction).
Tags:
Film
15 August 2007
Grundfragen der Menschheit
Bin gerade wieder auf ein ulkiges Büchlein gestoßen. Es trägt den Titel Reflexive Water : the basic concerns of mankind; der Titel klingt ein bisschen nach Lebenshilfe (und Golden Shore): aber es ist etwas ganz anderes. Da hat es ein holländischer Philosoph namens Fons Elders fertiggebracht, Anfang der siebziger Jahre ein paar -- prominente -- Philosophen aus unterschiedlichen Lagern paarweise an einen Tisch zu holen und diskutieren zu lassen. Alfred Jules Ayer, der Erbe der Neopositivisten, sitzt Arne Naess gegenüber, der den Neopositivismus zu diesem Zeitpunkt schon hinter sich gelassen hatte, und sie reden (natürlich) über Erkenntnis und Wissen. Karl Popper und John Eccles beschäftigen sich mit Freiheit und Wissenschaftstheorie, Chomsky und Foucault mit Gerechtigkeit und Macht, Kolakowski und Lefèbvre mit "Evolution oder Revolution".
Das Buch erschien bei Souvenir Press, London 1974. Es enthält auch Bilder der Diskussionen: da schaut es schon lustig aus, wenn zwei ergraute Dinosaurier wie Eccles und Popper an einem Tisch sitzen mit einem langhaarigen Jungspund dazwischen, der die Fragen stellt. Auch die Texte sind prima: sind wiedergegeben als Transkripte und bewahren daher den spontanen Ton der Gespräche.
Auf den Fotos sind auch Filmkameras zu sehen, also existieren womöglich irgendwo noch Filmaufnahmen...
Das Buch erschien bei Souvenir Press, London 1974. Es enthält auch Bilder der Diskussionen: da schaut es schon lustig aus, wenn zwei ergraute Dinosaurier wie Eccles und Popper an einem Tisch sitzen mit einem langhaarigen Jungspund dazwischen, der die Fragen stellt. Auch die Texte sind prima: sind wiedergegeben als Transkripte und bewahren daher den spontanen Ton der Gespräche.
Auf den Fotos sind auch Filmkameras zu sehen, also existieren womöglich irgendwo noch Filmaufnahmen...
Tags:
Gespräch
14 August 2007
Sätze gleicher Form
1st version:
Chico: I would kill anybody for sixpence!
Groucho: Even me?
Chico: You? You are my friend, my brother! I would kill you for nothing!
2nd version:
Chico: I would shave anybody for sixpence!
Groucho: Even me?
Chico: You? You are my friend, my brother! I would shave you for nothing!
Gefunden in:
Stefan Themerson: Logic, labels, and flesh. - London : Gaberboccus, 1974, S. 143
Tags:
Sprache
13 August 2007
Adornos Rattenkönig
Gerade habe ich Adornos Vorlesung zur Einleitung in die Erkenntnistheorie vorliegen. Die hat er im Wintersemester 1957/58 in Frankfurt gehalten, und der Frankfurter Verlag Junius-Drucke hat sie 1958 herausgebracht. Bei einem kurzen Blick in die erste Vorlesung, in der Adorno natürlich entwickelt, wie schwierig die Materie ist, die "Erkenntnis der Erkenntnis" bestimmen zu wollen, bleibe ich an einer seltsamen Formulierung hängen; Adorno schreibt nämlich genau, dass man "in einen ganzen Rattenkönig von Schwierigkeiten" gerate.
Rattenkönig?
Druckfehler? Aber wenn man den "Rattenkönig von Schwierigkeiten" googelt, dann gerät man immerhin an ein pdf, Erich Wollenberg: Münchhausen schreibt ein Stalin-Buch, in der dieselbe Formulierung verwendet wird.
Über die Wikipedia habe ich außerdem gelernt, dass es "Rattenkönige" gibt: so eine Art Gordischer Knoten der Ratten. Aber wo kommt die Redewendung her (falls es eine ist)?
Rattenkönig?
Druckfehler? Aber wenn man den "Rattenkönig von Schwierigkeiten" googelt, dann gerät man immerhin an ein pdf, Erich Wollenberg: Münchhausen schreibt ein Stalin-Buch, in der dieselbe Formulierung verwendet wird.
Über die Wikipedia habe ich außerdem gelernt, dass es "Rattenkönige" gibt: so eine Art Gordischer Knoten der Ratten. Aber wo kommt die Redewendung her (falls es eine ist)?
10 August 2007
Χάμπερμας
Wer ist der?
Hin und wieder habe ich griechische Bücher auf dem Tisch. Da ich mal altgriechisch gelernt habe, ist meist leicht zu erkennen, worums geht. Bei diesem Buch über Habermas (der ists) und die Neoaristoteliker fand ich aber im Register einige nicht ganz leicht zu erkennende Namen. Wer ist:
Hin und wieder habe ich griechische Bücher auf dem Tisch. Da ich mal altgriechisch gelernt habe, ist meist leicht zu erkennen, worums geht. Bei diesem Buch über Habermas (der ists) und die Neoaristoteliker fand ich aber im Register einige nicht ganz leicht zu erkennende Namen. Wer ist:
Ότφριντ Χέφφε ?
Τζων Λ Ώστιν ?
Tags:
Schreibweise
09 August 2007
Nietzsche rechts oder links?
Dass die Rechten Nietzsche in den Dienst genommen haben, auch Dank willfähriger Vorbereitung seiner Schwester, scheint ihn als politischen Philosophen von vornherein außer Dienst zu stellen. Aber die Linken müssten doch eigentlich für den Umstürzer aller Werte und pragmatischen Philosophen auch was übrig haben? Wieviel das ist, hat sich die sächsische Rosa Luxemburg Stiftung auf einer Tagung 2004 herauszufinden bemüht, die nun im 19. Band der Schriftenreihe Diskurs (2006) dokumentiert ist. Anlass war der 50. Jahrestag der Erstveröffentlichung von Lukacz' Buch "Die Zerstörung der Vernunft": ein kritischer Titel, der klingt, als hätte die Linke die Vernunft für sich gepachtet. Neben der Wirkungsgeschichte von Lukacz' Buch geht es in den Beiträgen auch um die Wiederentdeckung Nietzsches in der DDR-Philosophie der 80er Jahre (Volker Caysa) oder um Marx und Nietzsche als Europäer im Vergleich.
Tags:
Nachwirkung,
Nietzsche
07 August 2007
Beiläufig gesprochen ...
die Gegenstände sind farblos: einer meiner Lieblingssätze aus dem Tractatus (Satz 2.0231), weil er für sich genommen zwar aphoristischen Charakter hat, aber auch, so offensichtlich, ganz falsch ist. (Nicht für sich genommen, ist er zweifellos richtig, denn dann muss man ja berücksichtigen, was Wittgenstein im Tractatus "Gegenstand" nennt.)
Weil also die Gegenstände nicht farblos und weil auch Farbe nicht gegenstandslos ist, lohnt sich ein Blick in den Sammelband Farben : Betrachtungen aus Philosophie und Naturwissenschaften, den Jakob Steinbrenner und Stefan Glasauer bei Suhrkamp 2007 herausgegeben haben. Der Band gibt nicht nur ein paar Anregungen im Umgang mit den "sekundären Qualitäten" in Philosophie und Hirnforschung (und natürlich den Funktionalismus, man denke an Frank Jacksons Mary), sondern wirft auch ein paar Blicke in die Geschichte. Besonders interessant finde ich Olaf Müllers Untersuchung der Methoden Goethes in seiner Farbenlehre, die bekanntlich eine vehemente Newton-Kritik enthält. Müller meint, Goethe habe "in Newtons methodologischen Ansprüchen Mängel entdeckt, die heutzutage jedem Kenner der naturwissenschaftlichen Methode unangenehm ins Auge springen dürften. (...) Anders als oft behauptet wird, wusste Goethe sehr genau, wie empirische Wissenschaft funktioniert und was sie leistet; er hat das tiefer durchdacht als Newton." (S. 65) Diese "Ehrenrettung" könnte auch Germanisten interessieren, zumal wenn sie aus der Feder eines so gut verständlich schreibenden Wissenschaftstheoretikers und Philosophen stammt wie Müller!
Weil also die Gegenstände nicht farblos und weil auch Farbe nicht gegenstandslos ist, lohnt sich ein Blick in den Sammelband Farben : Betrachtungen aus Philosophie und Naturwissenschaften, den Jakob Steinbrenner und Stefan Glasauer bei Suhrkamp 2007 herausgegeben haben. Der Band gibt nicht nur ein paar Anregungen im Umgang mit den "sekundären Qualitäten" in Philosophie und Hirnforschung (und natürlich den Funktionalismus, man denke an Frank Jacksons Mary), sondern wirft auch ein paar Blicke in die Geschichte. Besonders interessant finde ich Olaf Müllers Untersuchung der Methoden Goethes in seiner Farbenlehre, die bekanntlich eine vehemente Newton-Kritik enthält. Müller meint, Goethe habe "in Newtons methodologischen Ansprüchen Mängel entdeckt, die heutzutage jedem Kenner der naturwissenschaftlichen Methode unangenehm ins Auge springen dürften. (...) Anders als oft behauptet wird, wusste Goethe sehr genau, wie empirische Wissenschaft funktioniert und was sie leistet; er hat das tiefer durchdacht als Newton." (S. 65) Diese "Ehrenrettung" könnte auch Germanisten interessieren, zumal wenn sie aus der Feder eines so gut verständlich schreibenden Wissenschaftstheoretikers und Philosophen stammt wie Müller!
06 August 2007
Hobbes' Leviathan in einer kritischen Ausgabe
... ist zwar schon 2003 bei Thoemmes erschienen, aber erst jetzt auf meinem Schreibtisch gelandet: seltsame Wege, die die Bücher gehen. Das zweibändige Werk wurde von G. A. J. Rogers und Karl Schuhmann besorgt; letzterer verstarb während der Abschlussarbeiten an der Ausgabe.
Der erste Band enthält den Editionsbericht mit einer ausführlichen Beschreibung der Textzeugen, der zweite Band den Text nach der Head-Edition (wiewohl die Herausgeber Argumente dafür anführen, dass die späteren Ausgaben ("Bear-Edition" und "Ornaments-Edition") als überlegene Textzeugen zu betrachten seien) und Textvarianten. Bewunderswert, dass diese Fundgrube der Gelehrsamkeit neben der Hardcover-Ausgabe für 200,- € auch neuerdings in einer studentenkompatiblen Softcover-Ausgabe (in einem Band) für 19,90 Pfund zu haben ist!
Der erste Band enthält den Editionsbericht mit einer ausführlichen Beschreibung der Textzeugen, der zweite Band den Text nach der Head-Edition (wiewohl die Herausgeber Argumente dafür anführen, dass die späteren Ausgaben ("Bear-Edition" und "Ornaments-Edition") als überlegene Textzeugen zu betrachten seien) und Textvarianten. Bewunderswert, dass diese Fundgrube der Gelehrsamkeit neben der Hardcover-Ausgabe für 200,- € auch neuerdings in einer studentenkompatiblen Softcover-Ausgabe (in einem Band) für 19,90 Pfund zu haben ist!
Abonnieren
Posts (Atom)