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22 Mai 2006

Wer wie was gelesen hat: Kulturphilosophen und die Literatur

Die Festschrift für Wolfgang Emmerich, den ich vor allem als Rowohlt-Monographen für Paul Celan und als Verfasser der (gar nicht) Kleinen Literaturgeschichte der DDR kenne, ist ein wahres Fest für Freunde des im Titel genannten Themas. Denn sie enthält "Porträts literarischer Lektüren", ihr Titel: Kulturphilosophen als Leser (erschienen bei Wallstein, Göttingen, 2006, hg. von Heinz-Peter Preußer und Matthias Wilde). Wie Nietzsche Sophokles gelesen hat (Uwe Spörl), ist vielleicht noch nicht so interessant, weil wohlvertraut. Helmut Lethen schreibt über Carl Schmitts Kafka-Lektüre; Matthias Wilde untertitelt seinen Aufsatz "Walter Benjamin liest Lesskow -- und vergisst Döblin": wie kommt's, dass der emphatische Verteidiger der Avantgarde in seiner Lektüre im 'Erzähleraufsatz' so "kulturkonservativ" ist?

Das Buch ist eine gelungene Mischung aus den üblichen Verdächtigen (Hannah Arendt und Uwe Johnson, Paul de Man und Kleist) und weniger oft behandelten (Alexander Kluge liest Heiner Müller, Martha Nussbaum liest Beckett) oder neueren (Aleida Assmann liest Martin Walser); geschrieben mit -- wie sonst? -- gut gelaunter Belesenheit.

1 Kommentar:

  1. Der gute W.B. wird da gemeinhin überschätzt. Mit zeitgenössischer Literatur hat er sich nur selten und ungern auseinandergesetzt. Einzige Ausnahme: Brecht.
    Ansonsten lebte er literarisch gern in der Vergangenheit. Benjamin war extrem Kulturkonservativ. Schon vom Selbstverständnis her.
    Und selbst als späterer Pseudosozialist interpretierte er lieber kanonische bürgerliche Schriftsteller als verkappte Revolutionäre um, als sich mit den Ergüssen des Proletariats zu beschäftigen.

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