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04 September 2005

Gedankenexperimente zum Thema Intelligent Design

Die Frage, ob die Welt von einem Schöpfer planvoll gestaltet wurde, hat Philosophen schon beschäftigt, bevor das Kansas School Board sich der Frage annahm (siehe meinen Post vom 24.8.). William Paley bat 1802 in seinem Buch Natural Theology, or Evidences of the Existence and Attributes of the deity collected form the Appearances of Nature seine Leser, sich folgendes vorzustellen: Stellen Sie sich vor, als Sie einen Weg überqueren, stolpern Sie über einen Stein und nehmen dies zum Anlass zu fragen, wie der Stein auf den Weg kamen. Nach allem, was Sie sehen können, kann der Stein schon immer da gelegen haben. Aber wie verhält es sich, wenn sich's um eine Taschenuhr handelte?
Klarerweise, meint Paley, würde die Künstlichkeit und deutlich erkennbare Zweckbestimmung der Uhr uns erkennen lassen, dass sie nicht schon immer an dieser Stelle lag, sondern, z.B., von jemandem verloren wurde, denn "The watch must have had a maker". Nach Paley zeigt die natürliche Welt in ihrer Anlage ebenso (und sogar mehr als die Uhr) Züge einer Zweckbestimmung, so dass er dort zum analogen Schluss kommt. Das ist das "argument from design", welches die Intelligent Design-Theoretiker neu aufwärmen.

Humes Kindgott

In der schönen Sammlung "What if... Collected Thought Experiments in Philosophy" von Peg Tittle (Pearson / Longman 2004) finden sich neben Paleys zwei weitere Gedankenexperimente -- aber auf der anderen Seite. David Hume fragt in seinen Dialogues concerning natural religion: Stellen Sie sich vor, jemandem mit beschränkter Intelligenz würde beigebracht, seine (d.h. unsere) Welt wäre das Werk eines wohlwollenden und erhabenen Gottes. Er wäre vielleicht erstaunt, weil die Welt ja auch Mängel und Übles aufweist, aber er würde von dieser Meinung nicht abstehen, weil ihm zugleich klar ist, wie beschränkt seine Verstandeskraft ist: immer könnte es gute Erklärungen für die Mängel geben, die ihm bloß zu hoch sind.
Aber was wäre, wenn so jemand nicht mit dem Vorurteil der göttlichen Schöpfung imprägniert würde, sondern der Welt naiv begegnete? Käme er dann wohl auf die Idee, dass die Welt das Werk eines gütigen und allmächtigen Schöpfers ist?
Hume meint: Nein. Eher käme man ob des mangelhaften Designs der Welt auf die Idee, sie sei "the first rude essay of some infant deity, who afterwards abandoned it, ashamed of his lame performance". -- Humes Gedankenexperiment hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass die "Intelligent Design"-These, in der gegenwärtigen Diskussion bloß wahrgenommen als eine Alternative Erklärung, die Theodizee-Frage aufleben lässt. Wer vertritt, dass ein Schöpfer sichtbar die Welt zum Guten geschaffen hat, der muss schon erklären können, warum dieser Schöpfer nun die Welt im Übel allein lässt: jedenfalls dann, wenn der Schöpfer als allmächtig (er kann handeln) und allgütig (er wird kein unnützes Leiden zulassen) vorgestellt wird.

Wisdoms unbeaufsichtigter Garten
Ein zweites schönes Gedankenexperiment in diesem Zusammenhang stammt von John Wisdom (1904-1993) und ist etwas jünger (Proceedings of the Aristotelian Society 45 (1944-45), 185-206): Zwei Leute kehren nach langer Abwesenheit zu einem unbeaufsichtigten Garten zurück. Neben reichlich Unkraut finden sie ein paar der alten Pflanzen erstaunlich schön weitergewachsen. Einer der beiden meint, das müsse auf die absichtliche Pflege durch einen Gärtner zurückzuführen sein. In der Nachbarschaft hat aber, wie sich nach Fragen herausstellt, niemand einen Gärtner bemerkt. Das ficht den einen nicht an: Der Gärtner kommt eben immer nachts, wenn die andern schlafen. Und das Unkraut, warum hat er das nicht entfernt? Der andere geht darauf nicht ein, sondern verweist auf die Anlage der Pflanzen. Usw.
Wisdom meint, dass die beiden jeweils das gleiche über den Garten wissen, trotzdem glaubt der eine an den heimlichen Gärtner, der andere nicht. In diesem Gedankenexperiment gibt es keinen Test, der die Theorie vom heimlichen Gärtner widerlegen könnte. Für einen kritischen Rationalisten à la Popper wäre das Grund genug, die Theorie fallenzulassen.

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